Zusammenfassung
Die in den §§ 630d und 630e BGB getroffenen Regeln zur ärztlichen Aufklärung sind grundsätzlich auch für die Beurteilung der strafrechtlichen Haftung – insbesondere für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ärztlicher Eingriffe – maßgebend. Vorsätzlich kann ein Operateur auch dann handeln, wenn er sich über die Rechtmäßigkeit bzw. Strafbarkeit des eigenen Verhaltens keinerlei Gedanken macht. Der für die Strafbarkeit wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge erforderliche qualifizierte Zusammenhang zwischen Verletzung und Tod wird nicht dadurch unterbrochen, dass die verletzte Person im Zuge von Rettungsbemühungen durch diese zu Tode kommt – zumindest dann nicht, wenn die möglicherweise todesursächlich gewordene Gabe eines Medikaments in der konkreten (Rettungs‑)Situation geboten oder auch nur vertretbar war. Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze wurde ein Facharzt für Innere Medizin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in 2 Fällen verurteilt. Er hatte ambulante kosmetische Operationen durchgeführt, bei denen Patientinnen Körperfett im Wege des Absaugens entnommen wurde (Liposuktion) bzw. ein Teil der entnommenen Fettzellen anschließend wieder in andere Körperregionen eingeführt („appliziert“) wurde (Lipotransfer). Den Eingriffen lag keine medizinische Indikation zugrunde. Zwei Patientinnen kamen infolge der Operationen zu Tode. Der Arzt hätte im Vorfeld der Operationen rechtzeitig und eindringlich über die Risiken der Entnahme und Applikation größerer Mengen Körperfett und die damit einhergehenden Gefahren aufklären müssen. Zudem hätte er darauf hinweisen müssen, dass die Eingriffe zur Minimierung des damit jeweils einhergehenden Risikos auf mehrere Eingriffe hätten verteilt werden können. Er hat dies jedoch unterlassen und vielmehr eine Verharmlosung der Risiken vorgenommen. Aus der unzureichenden Aufklärung folgte die Unwirksamkeit der von den beiden verstorbenen Patientinnen erteilten Einwilligung in die mit den Operationen verbundenen, den Tatbestand der Körperverletzung erfüllenden Eingriffe.
Abstract
The regulations on medical clarification in §§630d and 630e in the German Civil Code (BGB) are authoritative for the assessment of criminal liability, particularly for the assessment of the unlawfulness of medical interventions. A surgeon can act wilfully and knowingly when no considerations are given to the legitimacy or culpability of oneʼs own behavior. The qualified association between the injury and death that is necessary for culpability regarding bodily injury resulting in death, is not interrupted by the fact that the injured person dies during and as a result of rescue attempts, at least not if the administration of a medication that was possibly the cause of death in the specific (rescue) situation was necessary or even only justifiable. Against the background of these basic principles, a medical specialist for internal medicine was convicted of bodily injury resulting in death in two cases. He had carried out outpatient cosmetic operations, in which body fat was taken from the patients using suction (liposuction) and some of the extracted fat cells were subsequently reintroduced (administered) into another body region (lipotransfer). There were no underlying medical indications for the interventions. As a result of the operations two patients died. Before the operations the physician should have provided a timely and emphatic clarification of the risks involved in the removal and administration of large amounts of body fat and the dangers associated with it. In addition, he should have pointed out that the intervention could have been divided into several interventions to minimize the associated risks in each instance; however, he omitted to do so and even more so intentionally downplayed the risks. The inadequate clarification resulted in an invalidation of the informed consent supplied by both the deceased patients and the interventions therefore fulfilled the fact of bodily injury in association with the operations.
Notes
LG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2021 (Az. 1 Ks 24/20).
Vgl. hierzu bereits Prof. Dr. med. Peter W. Gaidzik: Pflicht zur „schonungslosen Aufklärung“ – Besondere Haftungsmaßstäbe im Bereich der ästhetischen Chirurgie, Journal für Ästhetische Chirurgie, Ausgabe 4/2021 (Sonderausgabe Medizinrecht).
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V. Hahn ist Rechtsanwältin und T. Hesse Rechtsanwalt und Gesellschafter/Partner der Kanzlei am Ärztehaus, Justitiarin der GÄCD.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Hahn, V., Hesse, T. Internist nach chirurgischen Eingriffen mit Todesfolge verurteilt. J Ästhet Chir 15, 189–193 (2022). https://doi.org/10.1007/s12631-022-00314-z
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