Rechtstipp. Das Sozialgericht Schwerin hat sich mit der Frage befasst, ob ein Arzt von einer Krankenkasse für die von seiner Medizinischen Fachangestellten (MFA) gefälschten Rezepte in Regress genommen werden kann. Dabei kommt es darauf an, ob sich die Unterschrift des Arztes auf dem Rezept befindet.

Dem Gerichtsverfahren ging 2015 ein Regressverfahren in Mecklenburg-Vorpommern gegen einen niedergelassenen Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie voraus, das die Krankenkasse initiiert hatte. Hintergrund war ein Strafverfahren gegen eine Praxismitarbeiterin des Arztes aufgrund von Auffälligkeiten bei Verordnungen des Medikaments Genotropin. Dieses rezept- und apothekenpflichtige Arzneimittel enthält als Wirkstoff das rekombinante menschliche Wachstumshormon Somatropin und wird in der Regel als knochen- und muskelförderndes Wachstumshormon häufig Kindern verordnet. Da es auch leistungsfördernd ist, wird Genotropin in der Bodybuilder-Szene auf dem Schwarzmarkt gehandelt.

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Der Arzt selbst hatte angezeigt, dass dieses Medikament nach den Abrechnungsinformationen in der Zeit von September 2012 bis Juli 2013 über seine Betriebsstättennummer verordnet, geliefert und abgerechnet wurde, ohne jedoch von ihm persönlich verordnet worden zu sein. Sein Verdacht fiel auf eine seiner Praxismitarbeiterinnen, die der Arzt im September 2013 fristlos kündigte.

Freiheitsstrafe auf Bewährung

Es folgte ein Strafverfahren, infolgedessen die betroffene MFA neben einer Mittäterin rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, unter anderem wegen gemeinschaftlich vorsätzlichen Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in 63 Fällen. Im Anschluss wandte sich die Klägerin des sozialgerichtlichen Verfahrens und fünf weitere Krankenkassen an die Gemeinsame Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern. Diese stellte fest, dass dem betroffenen Arzt keine schuldhafte Pflichtverletzung nachzuweisen sei. Hiergegen klagte die Krankenkasse vor dem Sozialgericht Schwerin.

Dieses wies die Klage ab. Für das Gericht stand fest, dass dem Arzt keine nachweisbare Pflichtverletzung vorzuwerfen sei und er auch nicht für das Verhalten seiner ehemaligen Praxisangestellten hafte, da ihm mit Blick auf das vorangegangene Strafverfahren nicht der Vorwurf der pflichtwidrigen Ausstellung sowie der Nichtverwahrung von Blankorezepten treffe. Zudem sei ein Arzt nicht verpflichtet, alle Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung eigenhändig vorzunehmen; überwachend und kontrollierend dürfe er auch bestimmte Aufgaben an Mitarbeiter delegieren. Demnach könne ein Arzt administrative Aufgaben an medizinische Praxisangestellte auslagern, die auch den Zugriff auf Rezeptblock und Praxisstempel beinhalteten, soweit dies für die Zuarbeit notwendig sei. Eine Missbrauchsgefahr ergebe sich nicht bereits aus einem leeren Rezeptformular, sie entstehe erst mit der Unterschrift des verordnenden Arztes auf dem Rezept.

Der Arzt müsse sich folglich das Verhalten seiner Praxismitarbeiterin nicht zurechnen lassen. Vielmehr sei das strafrechtliche Handeln der betroffenen MFA als Mitarbeiterexzess einzuordnen. Ein solcher werde angenommen, wenn Arbeitnehmer, wie in diesem Fall, sich außerhalb ihres arbeitsvertraglich vorgesehenen Aufgabenbereichs aufhalten und objektiv betrachtet nicht mehr „für den Arbeitgeber tätig sind“ (Urteil vom 14.06.2023: S 6 KA 15/20).