Inflation. Ob im Privaten oder in der Zahnarztpraxis: Die Kosten steigen. Das hat Konsequenzen für alle. Schuld daran ist die Mischung aus gestörten Lieferketten aufgrund der Corona-Pandemie und dem Energie-Engpass durch den Ukraine-Krieg. Wann die Situation sich verbessert, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.

E inkaufen ist teuer geworden.

Das gilt für Lebensmittel im Supermarkt genauso wie bei zahnmedizinischen Materialien und Instrumenten. So ist im DIHK Gesundheitsreport 2022 zu lesen, dass 81 Prozent der befragten Betriebe in der Medizintechnik unter Kostendruck leiden. Für den Report wurden 700 Unternehmen der Gesundheitswirtschaft befragt, zu denen auch Hersteller von zahnmedizinischen Apparaten und Materialien gehören, Handelsvermittler zahnärztlicher Instrumente sowie Zahnarztpraxen. Die Gründe dafür liegen unter anderem in den steigenden Energie- und Rohstoffkosten durch den Krieg in der Ukraine und Lieferengpässen durch Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sowie damit einhergehenden hohen Krankenständen. Das führt dazu, dass laut zm online beispielsweise Desinfektionsmittel im Schnitt im zweiten Quartal 0,83 Prozent mehr kosten als bisher, Einmalinstrumente sind um 1,28 Prozent teurer geworden. Das Anfang August vorgestellte jüngste Praxis-Panel des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi), das auf einer Erhebung des Jahres 2021 unter Teilnahme von 4.247 Praxen beruht und sich auf die Berichtsjahre 2017 bis 2020 bezieht, erkennt schon 2020 hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage der Praxen eine "Trendwende", die sich in einem schwächer steigenden Jahresüberschuss, geringerem Wachstum der Praxiseinnahmen und Praxisaufwendungen zeigt. Während die Einnahmensituation sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch um 3,7 Prozent verbesserte, 2019 zum Vorjahr gar um 3,8 Prozent, betrug 2020 das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr nur noch 2,6 Prozent.

Es sind vor allem die Personalaufwendungen, die mit 5,9 Prozent pro Jahr im Beobachtungszeitraum 2017 bis 2020 des Zi-Praxis-Panels deutlich über der durchschnittlichen Steigerung der Gesamtaufwendungen von 4,2 Prozent pro Jahr liegen. Damit liegt der jährliche Anstieg der Personalaufwendungen auch in erheblichem Maße über dem Wachstum der Gesamteinnahmen der Praxen (3,4 Prozent) und deutlich über der Entwicklung der Jahresüberschüsse (2,6 Prozent).

Auch die Aufwendungen für Miete und Nebenkosten nahmen in den Zi-Beobachtungsjahren 2017 bis 2020 zu. Während die Aufwendungen 2018 gegenüber 2017 noch um 1,5 Prozent gestiegen waren, betrug der Anstieg 2020 gegenüber 2019 ganze 2,8 Prozent. Das Wachstum der Aufwendungen hat sich also innerhalb von zwei Jahren nahezu verdoppelt.

Eine "sehr dynamische Entwicklung" erkennt das Zi auch bei den Aufwendungen für Material und Labor. Im Vergleich zum Jahr 2017 sind diese Aufwendungen bis 2020 um insgesamt 19,0 Prozent beziehungsweise um jährlich 6,0 Prozent gestiegen. 2018 lag der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr allerdings noch bei 1,7 Prozent, 2019 zum Vorjahr bereits bei 5,0 Prozent und 2020 zum Vorjahr gar bei 11,5 Prozent. Damit hat sich das Wachstum der Aufwendungen für Material und Labor innerhalb von zwei Jahren nahezu versiebenfacht.

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Die höhe der inflation ist überraschend

"Es war klar, dass irgendwann eine Inflation kommen würde", sagt Ralf Scherfling, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Finanzen und Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Denn die Europäische Zen-tralbank hat über sehr lange Zeit die Zinsen niedrig gehalten. Das reduziert Sparanreize und fördert die Kreditvergabe. Aber die Höhe der aktuellen Inflation ist doch überraschend." Im Juni lag sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 7,6 Prozent, und damit nur etwas niedriger als im Mai. "Vor Beginn des Ukraine-Kriegs hatten wir eine Inflation von etwa fünf Prozent", sagt Scherfling. "Es ist nicht zuletzt die Kombination aus Krieg in Europa und Lieferengpässen, die jetzt zu dieser zusätzlichen Teuerung führt."

Entsprechend düster ist der Blick in die Zukunft. So haben die Zahnärztlichen Nachrichten Sachsen-Anhalt durch eine Umfrage herausgefunden, dass 79,4 Prozent der befragten Zahnarztpraxen mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen. Denn wenn die Patientinnen und Patienten nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben wie früher, sparen sie auch an den Gesundheitsleistungen, für die sie zuzahlen müssen.

Zahnarztpraxen spüren auch noch von anderer Seite finanziellen Druck: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis leiden unter den gestiegenen Preisen natürlich genauso wie Praxisinhaberinnen und -inhaber. Von den befragten Praxen in Sachsen-Anhalt planen darum 65,7 Prozent, ihren Mitarbeitern einen Inflationsausgleich zu zahlen beziehungsweise zahlen ihn bereits. Je nach Region ist das ein wichtiger Punkt, um keine Fachkräfte zu verlieren, die sich eventuell nicht so schnell ersetzen lassen. Doch der Inflationsausgleich für die Angestellten führt zu weiteren wirtschaftlichen Einbußen auf Seiten der Praxisinhaber.

Kosten, die jeden treffen

Von den anfallenden Kosten für eine Zahnarztpraxis einmal abgesehen, gibt es noch viele weitere allgemeine Posten steigender Preise. Bei einigen dieser Ausgaben hat man es selbst in der Hand, mehr oder weniger zu zahlen. So spart beispielsweise derjenige langfristig an den Energiekosten, der LED-Leuchtmittel nutzt, genauso wie üblicherweise derjenige spart, der bei seinem Energieversorger nicht im Grundtarif feststeckt. An solch kleinen Schrauben lässt sich also drehen. Schwieriger wird es beim Heizen: Denn weder privat noch in der Praxis will man im Kalten sitzen. "Hinzu kommt, dass sich in unterkühlten Räumen schnell Schimmel bildet", sagt Ralf Scherfling. Die Kosten für dessen Beseitigung dürften im Zweifel höher sein als die Ersparnis durch zu stark heruntergedrehte Heizungen. Wer aber weiterhin so viel heizt wie bisher, muss mit einer hohen Nachzahlung rechnen und wird künftig höhere Vorauszahlungen bekommen. Vermieter einer Wohnung oder einer Praxis werden die Höhe der Nebenkosten anpassen. Damit steigen die Gesamtausgaben für die Miete weiter.

Auch Immobilieneigentümer, deren Kredit zur Finanzierung ihres Gebäudes noch läuft, müssen sich auf höhere Kosten vorbereiten. "Zurücklehnen kann sich nur, wer vor Kurzem einen Kreditvertrag mit niedrigen Zinsen und einer langen Zinsbindung abgeschlossen hat", sagt Scherfling. "Sollte aber die Kreditlaufzeit demnächst enden, ist es jetzt wichtig, beispielsweise über eine Sondertilgung so viel wie möglich zusätzlich abzuzahlen." Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Verbraucherzentrale NRW nennt ein Beispiel: "Wenn eine Immobilie 500.000 Euro kostet, und man einen Kredit über 400.000 Euro aufgenommen hat, macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man bei der Anschlussfinanzierung noch eine Restschuld von 100.000 Euro zu beispielsweise vier Prozent zurückzahlen muss oder eine Restschuld von 300.000 Euro." Im ersten Fall betragen die Zinsen anfangs jährlich 4.000 Euro, im zweiten 12.000 Euro. Die monatliche Zinsbelastung wird also entsprechend steigen und zukünftige Raten möglicherweise deutlich höher liegen als derzeit.

Darum sollte auch die Zinsentwicklung genau im Auge behalten, wer bald eine Anschlussfinanzierung benötigt. Denn je stärker die Zinsen steigen, umso eher sollte man ein so genanntes Forward-Darlehen abschließen.

Wann wird es wieder besser?

Wann die Inflationsrate wieder sinkt, kann niemand seriös vorhersagen. Denn es gibt zu viele Unbekannte. "Dazu müsste die Europäische Zentralbank entschlossen mit Zinserhöhungen gegen die Inflation vorgehen. Außerdem dürfte es trotz der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie keine weiteren unterbrochenen Lieferketten mehr geben. Und der Krieg in der Ukraine müsste zeitnah enden", erläutert Ralf Scherfling. "Dann gibt es die Chance, dass die Inflation 2023 geringer ist als 2022. Vor dem Hintergrund der vielen Unbekannten ist eine verlässliche Prognose aber nicht möglich."