Eine Beamtin erhält den Beihilfebescheid zu einer Rechnung für eine konservierende Behandlung. Es werden seitens der Beihilfe die Kosten für das Anästhetikum beanstandet, mit einem Text, der fast sieben Jahre alt ist:

„Gemäß den Begründungen zur Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ist das bei den Leistungen nach den Nummern 0090 und 0100 verwendete Anästhetikum gesondert berechnungsfähig. Es ist davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rd. 0,5 Euro verwendet werden. Der Preis von 0,70 Euro je Karpule wurde jedoch überschritten und kann beihilferechtlich nicht berücksichtigt werden.

Dazu gleich eine Anmerkung: Es werden niemals 0,7 Karpulen verwendet, da angebrochene Karpulen entsorgt werden und der volle Preis dafür anfällt. Die volle Karpule hat einen Inhalt von 1,7 Millilitern.

Erste Reaktion des Zahnarztes beziehungsweise der Fachkraft: Dieser Preis erscheint extrem niedrig. Sofort taucht die Frage auf: Netto- oder Bruttopreis? Und welcher Betrag wurde eigentlich nicht erstattet? Darüber gibt der Bescheid vordergründig keine Auskunft. Also zuerst einen Blick auf die Rechnung werfen: Rechenfehler? Der berechnete Gesamtpreis von 2,13 Euro für das Anästhetikum ist unzweifelhaft für drei Karpulen angesetzt. Rechnet man den simplen Dreisatz „Wenn 0,7 Karpulen 50 Cent kosten, was kostet dann eine ganze Karpule?“, dann bekommt man das Ergebnis 71,43 Cent, abgerundet 71 Cent bzw. 0,71 Euro. Auf der Rechnung sind tatsächlich drei Karpulen zum höheren Preis je Karpule von 0,71 Euro aufgeführt. Also ein Beihilfebescheid zwecks drei Cent Mindererstattung, auch noch basierend auf einem Rechenfehler oder auf chronischer „Dreisatzschwäche!“

FEHLKALKULATION

Schaut man in den gängigen Detalkatalogen nach, wird schnell klar, alle weisen Nettopreise aus, und bei vielen kommen bei Bestellungen z. B. bis zu 100 Euro Nettowarenwert Versand-/Zustellkosten von ca. fünf Euro hinzu. Einige Preise je Karpule bewegen sich tatsächlich um die 50 Cent netto. Es gibt allerdings auch teurere Produkte. Legt man fünf Euro Versandkosten um auf die einzelnen Karpulen für netto gerade unter 100 Euro — also rund 0,04 Euro je Karpule — und berechnet 19 Prozent Umsatzsteuer, dann wären das mindestens 0,89 Euro je Karpule (aber inklusive anteilige Zustellkosten und Mehrwertsteuer). Das ist ein noch realistischer Bruttopreis für einfache übliche Anästhetika, aber das trifft eben nicht zu auf die behaupteten 0,70 Cent.

FAZIT

Kleinlich falsch rechnen und dazu noch „Netto“ mit „Brutto“ verwechseln, ist peinlich. Und zum Beispiel für „Ultracain D, ohne Adrenalin“ Zylinderampullen in der Zehnerpackung würden inklusive Versandanteil brutto dann mindestens 0,94 Euro je Karpule vom Dentaldepot in Rechnung gestellt (ohne jeden unzulässigen „kalkulatorischen Kostenanteil“).

Bei genügendem Bezug von mehr Packungen „auf Vorrat“ würde zwar der Versandkostenanteil gegebenenfalls entfallen, aber auf der anderen Seite würden Praxiskosten für fachgerechte Lagerung, Verfallrisiko et cetera entstehen. Da solche „Lagerhaltungskosten“ nicht mehr hinzukommend kalkuliert werden dürfen, kann andererseits vom Zahnarzt auch nicht gefordert werden, in preisgünstigeren größeren Mengen einzukaufen. Und für größere Mengen gegebenenfalls sogar angebotene Rabatte sind für den Zahnarzt ohne jedes Interesse, da sie ausnahmslos weitergegeben werden müssen.

Schlussfrage: Haben die Sachbearbeiter der Beihilfe nichts Wichtigeres zu tun?

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Dr. Peter H. G. Esser