Was ist dazu rein zahnmedizinisch-fachlich zu sagen? Vielleicht dies: Das Gebiss des Patienten ist umfassend parodontal und konservierend-chirurgisch saniert worden. Es sind zwei Implantate gesetzt und acht Kronen eingegliedert worden, wobei zeitweise der gesamte Seitenzahnbereich links von temporärer Aufhebung der statischen Okklusion betroffen war. Hier zu sagen, es sei keine umfangreiche Gebisssanierung „gegeben“, trifft die zahnmedizinisch-fachliche Wirklichkeit nicht.

Vielleicht werden hier Erstattungsbestimmungen mit Notwendigkeiten verwechselt?

Die berechneten Leistungen nach den Nrn. 0060, 8010 ff. GOZ werden nicht zahnmedizinisch „anerkannt“, sondern es werden seitens des Zahnarztes bestimmte Krankheitszeichen oder funktionelle Erfordernisse erkannt. Damit wird eine vorläufige Diagnose formuliert und dann gegebenenfalls die Indikation für eine instrumentelle Spezialuntersuchung gesehen.

Diese Spezialuntersuchung nennt sich Funktionsanalyse, und die Einzelmaßnahmen dabei sind funktionsanalytische Leistungen (FAL). Ergänzt werden diese je nach akuten Erfordernissen und Weiterplanung durch spezielle funktionstherapeutische Leistungen (FTL).

KEINE „ÜBERDEHNTE“ DIAGNOSTIK

Die Indikation für FAL/FTL ist häufig unabhängig von der geplanten weiteren Behandlung, sei diese konservierend, chirurgisch, parodontal, prothetisch oder kieferorthopädisch.

Die Diagnose „funktionsgestörtes Kauorgan“ kann aus sich heraus eine funktionelle Untersuchung/Behandlung erfordern, und kann auch neben prothetischer Versorgung solche Maßnahmen nötig machen. Diese sind weitgehend unabhängig davon indiziert, ob ein Zahn oder mehrere fehlen. In Wirklichkeit sind sie abhängig von vorliegenden funktionellen Problemen und deren Ausprägung. Diese Maßnahmen verbessern jedoch sehr oft auch die Qualität und Prognose von Zahnersatz.

Die durchgeführte, sehr sorgfältige funktionelle Untersuchung, die dennoch nicht „anerkannt“ wird, stellt die erste, unverzichtbare instrumentelle Funktionsanalyse im Erkrankungsfall dar. Zuvor wurde nach Anamneseerhebung und eingehender klinischer Untersuchung (0010 GOZ) zunächst ein präzises Modellpaar (0060 GOZ) als Abbild der Situation des Kauorgans diagnostisch ausgewertet, ergänzt durch gegebenenfalls auch weiterführende Röntgenübersichtsaufnahmen (Ä5004). Hinzu kam ein sogenanntes CMD-Screening, eine klinische Kurzuntersuchung auf Krankheitszeichen aus dem Bereich „kraniomandibuläre Dysfunktion“. Die Indikation für eine funktionelle Spezialuntersuchung mittels FAL nach den Nrn. 8010 GOZ ff. ist auf einem Formblatt „Funktionsstatus“ unter anderem mit „starke frontal exzentrische Bruxismuszeichen“ etc. dokumentiert und mit einer „Notwendigkeitsbescheinigung“ (Ä70) bestätigt worden.

Diese Vorgehensweise kann nicht als „überdehnte Diagnostik“ abgetan werden, sondern entspricht dem anerkannten Stand der Funktionsdiagnostik.

WAS SAGT DIE BEIHILFE DAZU?

Die Beihilfe sagt wieder: Anerkennung nur, wenn in jedem Kiefer mindestens die Hälfte der Zähne eines natürlichen Gebisses sanierungsbedürftig ist und die regelrechte Schlussbisslage durch Einbruch der vertikalen Stützzonen...

Man denkt: Muss es wirklich erst zum Äußersten kommen? Beihilfe erst dann, wenn es kaum mehr lohnt!

Richtig ist: Notwendigkeit und Indikationsstellung für funktionsanalytische/ -therapeutische Leistungen (FAL/FTL) liegt entweder vor oder nicht vor, völlig unabhängig von Erstattungsbestimmungen, die nicht Teil der GOZ sind und somit keine Berechnungsbestimmungen darstellen.

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Dr. Peter H. G. Esser