Volle Vorsicht

Ein Doktortitel klingt immer gut. Dass einige mit dem Wohlklang soweit gehen, sich diesen Titel zu erkaufen oder sich mit abgeschriebenen Arbeiten zu erschleichen, ist hinlänglich bekannt. Doch was tun, wenn man keinen Doktortitel hat, selbst auch nie so getan hat, als hätte man einen und das Internet eben aus (fast) jedem Arzt einen Dr. med. auf seinen unzähligen Medizinplattformen macht? Das Landgericht Hamburg hat dazu jüngst eine verblüffende Antwort gefunden: Ein Arzt oder Zahnarzt ohne Doktortitel, der auf Online-Plattformen mit Titel geführt wird, ist verpflichtet, eine Korrektur beim Betreiber einzufordern. Auch, wenn er den Eintrag, gar nicht selbst veranlasst hat. Nun muss niemand das ganze Internet durchforsten und selbst gucken, ob er irgendwo als Dr. med. oder Dr. med. dent. auftaucht, obwohl ihm der Titel nicht zusteht. Allerdings muss ein Arzt oder Zahnarzt tätig werden, wenn er durch einen Dritten von dieser falschen Betitelung erfährt. Zugrunde lag der Entscheidung der Richter der Fall einer Zahnärztin, die von der Wettbewerbszentrale mehrfach aufgefordert worden war, ihren nicht selbst verantworteten Eintrag auf mehreren Onlineportalen zu ändern, dies aber nicht tat. Das Landgericht Hamburg sah darin ein „pflichtwidriges Unterlassen“ der Zahnärztin. Das übrigens kann teuer werden: Es drohen bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld oder auch Ordnungshaft.

Az.: 312 O 574/15

Keine Absicht

Stellt ein Arzt eine Fehldiagnose, dann ist dies nicht als „tätlicher Angriff“ zu werten. Zu dieser Erkenntnis ist das Sozialgericht Stuttgart gekommen. Das Gericht musste sich mit einem Fall auseinandersetzen, bei dem eine Klägerin aufgrund einer falschen ärztlichen Diagnose in einem Krankenhaus „Beschädigtenversorgung“ nach dem Opferentschädigungsgesetz verlangte. Zwar könne einem ärztlichen Eingriff grundsätzlich auch ein tätlicher Angriff im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes zugrunde liegen, befand das Gericht. Voraussetzung dafür sei es jedoch, dass der Eingriff des Arztes nicht vom Willen, den Patienten zu behandeln und zu heilen, getragen sei, sondern der Arzt von anderen Interessen, beispielsweise finanziellen Anreizen, geleitet sei. Diese schädigende Absicht müsse dann aber klar erkennbar für einen „verständigen Dritten“ sein. Im vorliegenden Fall konnten die Richter jedoch – obwohl klar eine falsche Diagnose vorlag – keine Absicht des Arztes erkennen, den Patienten schädigen zu wollen. Die Stuttgarter Richter wiesen die Klage ab.

Az. S 26 VG 1464/15