Meine Kollegin ist schwanger mit ihrem zweiten Kind. Wir freuen uns! Die Schwangerschaft verläuft gut, daher realisieren wir erst in der 24. Woche, dass wir die „anderen Umstände“ beim Ministerium melden müssen.

Entrüstet ruft uns daraufhin die zuständige Mitarbeiterin aus dem Ministerium in unserer kieferorthopädischen Praxis an und spricht mit meiner (bei mir angestellten) Kollegin. Sie erklärt ihr, dass ich als Chefin sofort ein Arbeitsverbot aussprechen müsse. Meine Kollegin ist nicht einverstanden, denn sie möchte arbeiten. Doch die Dame vom Ministerium bleibt hart: Tröpfcheninfektionen in der Praxis, scharfe Instrumente und unphysiologische Körperhaltung — die Kollegin müsse geschützt werden. Meine Kollegin kontert, dass sie zu Hause ein zweijähriges Kind habe, das die Kita besuche und die Infektionsgefahr zu Hause erheblich größer sei.

Am folgenden Tag habe ich das Vergnügen, mit der Dame zu sprechen. Ich komme mir vor wie eine Verbrecherin und gewissenslose Ausbeuterin. Aber ich will doch gern einige Fragen beantwortet haben, wie zum Beispiel: Ist es nachgewiesen, dass Kinder von Frauen, die zu Hause bleiben gesünder sind als die von arbeitenden Müttern? Das sei leider noch nicht untersucht worden, heißt es. Als Selbstständige habe ich bis zwei Wochen vor der Geburt gearbeitet und war eine Woche danach wieder voll in der Praxis, samt Kind, welches bis zum sechsten Monat von mir voll gestillt wurde. Das war meine Entscheidung. Tja, erklärt mir die Dame vom Ministerium, darauf habe der Staat keinen Einfluss.

Ich stelle mir folgendes Zukunftsszenario vor: Frau ist schwanger. Sie wird in ihrem Haus unter Quarantäne gestellt. Kein Besuch, denn das bedeutet Infektionsgefahr. Video-Überwachung wegen eventueller unphysiologischer Bewegungen. Mitarbeiter des Ministeriums (in Schutzanzügen), schauen nach, was man an scharfen Messern, eckigen Kanten und Stolperfallen zu Hause hat und entfernt diese dann. Nach neun Monaten dann die große Befreiung aus der Isolation: Kind gesund, Mutter psychisch zerstört.

Das ist überspitzt. Aber im Kern doch wahr. Ich habe mich auch noch bei einem Rechtsanwalt informiert. Er meinte, dass das Ministerium den Wunsch meiner Kollegin respektieren müsse, dass aber anderseits, wenn etwas mit dem Kind nicht in Ordnung sein sollte, meine Kollegin mich verklagen könne, wenn ich sie weiter arbeiten ließe. Er rät zum Arbeitsverbot. Meine Kollegin, physisch wie psychisch sehr gesund, sieht das alles nicht so schwer, und wir entschließen uns, dass sie nur noch Büroarbeit machen soll, in von mir und meinem Team überwachten physiologischen Körperhaltungen.

Im europäischen Ausland werden diese extremen Regeln für Schwangere nicht angewandt. Dort wird der werdenden Mutter ein bestimmtes Maß an Eigenverantwortung unterstellt. Vielleicht ändert sich das dann auch in Deutschland mit der Reform des Mutterschutzgesetzes.