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Die Diskussion um einen neuen Straftatbestand zur Ahndung von Korruption im Gesundheitswesen ist mit der Verabschiedung des Antikorruptionsgesetzes nicht beendet — sie fängt erst an.

Den ersten Aufschlag hatte noch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gemacht, mit einer Norm im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V). Das war zu Recht als „Sonder-Strafrecht für Vertrags(zahn)ärzte“ kritisiert worden. Die neuen Paragrafen 299a und 299b im Strafgesetzbuch gelten nun für alle Heilberufe mit einer staatlich kontrollierten Ausbildung. Ergänzt um besondere Regelungen im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung für die inzwischen schon zehn Jahre bestehenden Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Zwei Grundtendenzen bestimmten von Beginn an die Debatte: Gibt es eine besondere kriminelle Energie im Gesundheitsbereich (oder nicht)? Und sind die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten ausreichend (oder nicht)?

Unterschiedliche Haltungen

Für den Vorsitzenden Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Prof. Dr. Thomas Fischer, nach eigener Einschätzung „Deutschlands bekanntester Strafrichter“, gab es von Anfang an nur eine Antwort: „Erst wenn ein paar Dutzend Ärzte und Vertriebsverantwortliche tatsächlich verurteilt sind und ihre berufliche Existenz verloren haben, wird sich die Botschaft verbreiten, dass bandenmäßige Korruption zu Lasten der Allgemeinheit und ihrer jeweils schwächsten Mitglieder nicht toleriert wird“, schrieb Bundesrichter Fischer bereits Anfang 2015 in der Zeitschrift für Medizinstrafrecht medstra (Ausgabe 1/2015).

Der Leiter der Frankfurter Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen, Oberstaatsanwalt Alexander Badle, bezweifelte hingegen an gleicher Stelle, dass das Strafrecht das vorrangig geeignete und geforderte Lösungsinstrument sei. Nicht zuletzt infolge begrenzter Ressourcen der Strafverfolgungsinstitutionen, müssten „vornehmlich Selbstheilungskräfte des Gesundheitsmarktes eine nachhaltige Verbesserung herbeiführen“, so Badle. Die Fixierung auf strafrechtliche Sanktionen verkenne die durch das Ultima-Ratio-Prinzip verfassungsrechtlich definierte Grenze des Strafrechts.

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© Joerg Hackemann/Panthermedia

Zwei der renommiertesten Fachleute auf einem sehr speziellen Rechtsgebiet waren sich also über die Konsequenzen aus der Entscheidung des großen Strafsenats komplett uneins.

Erhebliche Strafbarkeitsrisiken

Nach der Verabschiedung des Gesetzes und den ersten Kommentierungen durch teils mehr, teils weniger berufene Fachleute, muss man leider feststellen, dass sich die „Linie Fischer“ in der ersten Runde durchgesetzt hat: Ärzte und Zahnärzte sind erheblichen, existenzgefährdenden Strafbarkeitsrisiken und — fast noch schlimmer — unkalkulierbaren Unsicherheiten ausgesetzt. Wieder gibt es zwei Grundtendenzen. Die eine lautet: Alles, was berufrechtlich bislang zulässig war, bleibt auch zukünftig zulässig. Die andere lautet: Alles, was auch nur den Anschein einer sachfremden Beeinflussung medizinischer Entscheidungen erweckt, birgt strafrechtliche Risiken.

Der Zahnarzt reibt sich verwundert die Augen: Gibt es nicht so etwas, wie das Bestimmtheitsgebot?

Von Paul Kirchhof (von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder abfällig als „der Professor aus Heidelberg“ titulierter ehemaliger Verfassungsrichter) stammt die Aussage, dass der Bürger Gesetze nur befolgen kann, wenn er sie versteht. Leider wird beim neuen Korruptionsgesetz weniger das Verstehen des Gesetzes als erst die Rechtsprechung zeigen, wo die Grenzen zwischen erlaubtem und gewünschtem, ja unbedingt erforderlichem betriebswirtschaftlichem Handeln und strafbewehrter Annahme „unlauterer Vorteile“ gezogen wird. Der gut gemeinte Rat, sich im Zweifel an Fachleute zu wenden, ist sicher nicht falsch. Im Moment stochern aber auch von denen noch viele im Nebel herum.

Ein unhaltbarer Zustand.