Diese Ablehnungsbegründungen verraten viel über den Verfasser solcher Nichterstattungseinwände: Er hat nicht verstanden, was der novellierte Paragraf 4 Abs. 2 GOZ zu sogenannten Zielleistungen sagt: Nur „enthalten“, wenn ausdrücklich erwähnt und bewertet. Das ist bezüglich Belagentfernung weder bei Provisorien noch bei Kronen in irgendeiner Weise der Fall. Und es wird deutlich, dass dieser Sachbearbeiter von Zahnmedizin wenig Ahnung und zum Teil groteske Vorstellungen hat.

Ein derartig zugespitzter, kleinlicher Fall, der jedoch genau so auch tatsächlich erfolgt ist, soll vorgestellt werden:

Anästhetika-Discounter?

Ein Beamter erhält einen Beihilfebescheid zu einer Rechnung für konservierende Behandlung. Es werden seitens der Beihilfe die Kosten für das Anästhetikum beanstandet:

„Es ist davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rund 0,5 Euro verwendet werden. Der Preis von 0,70 Euro je Karpule wurde jedoch überschritten und kann beihilferechtlich nicht berücksichtigt werden.“

Dazu eine Anmerkung: Es werden nie 0,7 Karpulen verwendet, da angebrochene Karpulen entsorgt werden, und der volle Preis dafür anfällt. Die volle Karpule hat einen Inhalt von 1,7 Millilitern. Erste Reaktion eines Zahnarztes oder einer Fachkraft: Dieser Preis erscheint extrem niedrig. Sofort taucht die Frage auf: Netto- oder Bruttopreis? Also zuerst der Blick auf die Rechnung: Dort werden nur zwei Karpulen des Anästhetikums berechnet. Und das zu dem Preis je Karpule von 0,71 Euro.

Ein Tippfehler? Nein, der Gesamtpreis von 1,42 Euro ist unzweifelhaft und nach Anzahl der Anästhesien plausibel für zwei Karpulen angesetzt. Demnach ergeht der Nichterstattungsbescheid zu lediglich zwei Cent. Aber mehr noch: In den sogenannten amtlichen Begründungen von Bundesregierung/Bundesgesundheitsministerium zur GOZ-Novellierung ist zu lesen: „Bei der Ausgliederung der nunmehr gesondert berechnungsfähigen Anästhetika ist nach den Angaben der BZÄK [Bundeszahnärztekammer, Anm. d. Red.] davon auszugehen, dass derzeit je Anästhesieleistung nach den Nummern 0090 oder 0100 durchschnittlich 0,7 Karpulen mit Kosten von durchschnittlich rund 0,5 Euro verwendet werden.“

Berechnet man den Dreisatz: Wenn 0,7 Karpulen 50 Cent kosten, was kostet dann eine Karpule? Dann bekommt man das Ergebnis 71,43 Cent, abgerundet 71 Cent oder 0,71 Euro. Der Beihilfebescheid zwecks zwei Cent Mindererstattung basiert demnach auf einem Rechenfehler oder auf mathematischer Dreisatzschwäche.

Fehlkalkulation

Schaut man in den gängigen Dentalkatalogen nach, wird schnell klar, alle weisen Nettopreise aus, und bei vielen kommen bei Bestellungen zum Beispiel bis zu 100 Euro Nettowarenwert Versand-/Zustellkosten von rund fünf Euro hinzu. Die Preise je Karpule bewegen sich tatsächlich um den Betrag 0,71 Euro netto, es gibt allerdings auch teurere Produkte. Legt man einmal fünf Euro Versandkosten auf die einzelnen Karpulen für netto 100 Euro um – also mindestens 0,04 Euro je Karpule – und berechnet 19 Prozent Umsatzsteuer, dann wären das also mindestens 0,89 Euro je Karpule (inklusive anteilige Zustellkosten und Mehrwertsteuer). Das ist ein realistischer Bruttopreis für einfache übliche Anästhetika, also nicht die behaupteten 0,70 Cent.

Fazit: Falsch rechnen und dann noch „netto“ mit „brutto“ verwechseln.

Unter denselben Voraussetzungen würden dann beispielsweise für „Ultracain D sine Adrenalin“ Zylinderampullen in der versiegelten Zehnerpackung inklusive Versandanteil brutto 0,94 Euro je Karpule vom Dentaldepot in Rechnung gestellt werden (ohne jeden unzulässigen „kalkulatorischen Kostenanteil“). Wenn die Versandkosten tatsächlich für nur eine derartige Zehnerpackungen anfallen würden, ginge der einzelne Abgabepreis hoch auf 1,44 Euro. Bei genügendem Bezug von mehr Packungen „auf Vorrat“ würde zwar der Versandkostenanteil entfallen, aber auf der anderen Seite würden Praxiskosten etwa für fachgerechte Lagerung entstehen. Da solche „Lagerhaltungskosten“ nicht mehr hinzukommend kalkuliert werden dürfen, kann andererseits vom Zahnarzt auch nicht gefordert werden, in preisgünstigeren größeren Mengen einzukaufen. Und für größere Mengen gegebenenfalls sogar angebotene Rabatte sind für den Zahnarzt ohne jedes Interesse, da sie ausnahmslos weitergegeben werden müssen (Stichwort: Antikorruptionsgesetz).

© ZA eG, P.E

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Dr. Peter H.G. Esser