Tascher erhielt den mit 7.500 Euro dotierten ersten Preis für ihre Doktorarbeit, in der sie die Rolle der ärztlichen Standesvertretungen und ihrer führenden Vertreter vor, während und nach der NS-Zeit am Beispiel des Saarlandes untersucht. Die Zahnärztin, die eine Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann im saarländischen Heusweiler betreibt und seit mehr als 20 Jahren Mitglied im Freien Verband Deutscher Zahnärzte ist, promovierte mit dieser Arbeit am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg.

Beitrag zur fehlenden Aufarbeitung

„Diese Arbeit hat die Jury in besonderer Weise beeindruckt“, sagte Dr. Roman Skoblo, Jurymitglied und Festredner bei der Preisverleihung in Berlin. Vor allem, dass Tascher auch die Zeit nach 1945 nicht ausgespart habe, sei besonders herausragend. Damit werde deutlich, dass im Nachkriegsdeutschland tausende Positionen in Behörden mit Spitzenbeamten aus der NS-Zeit besetzt wurden, die eine zweifelhafte Rolle in Fragen von Euthansie und Rassenpolitk in den Jahren des Dritten Reiches gespielt hätten. „Es war alter Wein in neuen Schläuchen“, machte Skoblo deutlich. „Die Euthanasieverbrechen blieben ungesühnt und straffrei.“ Taschers Arbeit sei ein wichtiger Beitrag zur bisher fehlenden moralischen Aufarbeitung des Themas.

Die Jury, die sich aus Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Bundesverbandes Jüdischer Ärzte und Psychologen in Deutschland sowie aus Vertretern des Organisationen zusammensetzt, die den Preis vergeben, hatte Taschers Arbeit unter 32 eingereichten Arbeiten ausgewählt. Vergeben wurden auch zwei mit jeweils 2500 Euro dotierte zweite Plätze. Die Preise gingen an Dr. Sascha Topp, der in seiner Studie nationalsozialistische Euthanasieverbrechen erforschte, und an Dr. Bernd Höffken, der die Schicksale von 133 jüdischen Ärzten aus Nürnberg zusammengetragen hat.

Montgomery: „Kein Platz für Diskriminierung“

„Mit dem Herbert-Lewin-Preis wollen wir als Ärzteschaft auch zeigen, dass religiöse Diskriminierung und Diffamierung weder in diesem Land noch anderswo Platz haben“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, bei der Preisverleihung. Festredner Skoblo schlug in seiner Rede den Bogen von der Judenverfolgung im Dritten Reich und der „verirrten Ideologie der deutschen Ärztschaft“ hin zur aktuellen Flüchtlingspolitik in der Bundesrepublik und appellierte: „Behalten wir nüchtern den Überblick, lassen Sie uns das richtige Maß finden, aber mischen Sie sich ein, denn durch das öffentliche Interesse stärken wir den Staat bei dieser Herausforderung.“

Herbert Lewin war ein deutscher Arzt, der in der NS-Zeit selbst Diffamierung und Anfeindungen ausgesetzt war. 1941 wurde er deportiert und arbeitete als Häftlingsarzt in mehreren Konzentrationslagern. Lewin überlebte die NS-Zeit und blieb nach Kriegsende in Deutschland, wo ihm in seiner Berufsausübung weiterhin Antisemitismus entgegenschlug. Von 1963 bis 1969 stand Lewin an der Spitze des Zentralrates der Juden in Deutschland. Der Preis von Gesundheitsministerium, Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Bundeszahnärztekammer ist Lewin gewidmet und soll der Aufarbeitung der Geschichte der Ärztinnen und Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus dienen.

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