DFZ: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf dem Verlegerkongress Publishers’ Summit in Berlin Daten als „Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Sie sagte: „Hier müssen wir jetzt aufpassen, dass der Datenschutz nicht die Oberhand über die wirtschaftliche Verarbeitung gewinnt.“ Macht Ihnen eine solche Aussage Angst?
Schrader: Sicherlich hat die Kanzlerin Recht, wenn sie Daten als den Rohstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Angst macht es mir allerdings in der Tat, wenn der Datenschutz mit dieser großzügigen Kanzlerinnen-Begründung hinter den wirtschaftlichen Interessen zurücktreten soll. Und ganz besonders dann, wenn es um die sensiblen Daten unserer Patienten geht. Es ist kein Geheimnis, dass sich der deutsche Gesundheitsmarkt in den kommenden Jahren zu einem der größten Wachstumsmärkte entwickeln wird. Nicht umsonst scharren bereits jetzt in- und ausländische Finanzinvestoren mit den Füßen, um an diesen Rohstoff zu gelangen. Wir haben schon immer den legalisierten Missbrauch für gefährlicher gehalten als die Gefahr durch illegale Hacker.
DFZ: Können Sie das bitte etwas konkretisieren?
Schrader: Wir haben es vor wenigen Tagen in der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss erlebt. Einerseits ist es doch bemerkenswert, dass die beteiligten Sachverständigen, die Verbands- und Standesvertreter sich große Sorgen machen um die technische Umsetzung, um die Sicherheit der Telematik-Infrastruktur, Parallelnetze ablehnen. Aber anderseits fragt keiner der Abgeordneten, was mit den gespeicherten Daten passiert. Wer sie bekommt, was damit gemacht wird und vielleicht in Zukunft werden kann. Welchen Sinn macht es, wenn die AOK-Nordost die Anschaffung eines digitalen Fitness-Armbandes finanziell unterstützt? Vordergründig geht es um die Fitness der Versicherungsmitglieder. Aber dahinter steckt doch viel mehr. Wenn ich als Versicherung die Daten auswerte, dann entsteht vor mir auf dem Computer der gläserne Versicherte. Und diese Daten sind für jeden Anbieter von medizinischen Dienstleistungen oder rezeptfreien Lifestyle-Produkten Gold wert. Abgesehen von der Möglichkeit, aktiv in den Lebenswandel des Versicherten mit Vorschriften eingreifen zu können, indem ich ihm per SMS oder E-Mail sage, dass er sich mehr bewegen muss.
DFZ: Ist der Freie Verband Deutscher Zahnärzte aus diesem Grund gegen das E-Health-Gesetz?
Schrader: Um es einmal grundsätzlich zu sagen: Der Freie Verband steht dem Thema E-Health und Telematik durchaus interessiert gegenüber. Wir fragen uns aber angesichts der ausufernden Kosten nach dem grundsätzlichen Nutzen. Wenn die Regierung glaubt, die Akzeptanz in den Reihen der Zahnärzte mit Nutzungszwang und absurden Strafaktionen herbeiführen zu müssen, dann glaubt man doch offenbar selbst nicht an den echten Nutzen für Patienten und Ärzte. Möglichweise denkt man ja eher an den Ausbau von Kontroll- und Überwachungsstrukturen. Aus diesem Grund haben wir auch auf der Hauptversammlung beschlossen, dass wir die im E-Health-Gesetz vorgesehene Verpflichtung zur Nutzung der Telematikinfrastruktur ablehnen und die Bundesregierung auffordern, die verankerten Sanktionsmechanismen ersatzlos zu streichen.
Interview: Peter Königsfeld
Ein ausführliches Interview mit Harald Schrader lesen Sie auf Seite 16.
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Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Drei Fragen an den FVDZ-Bundesvorsitzenden Harald Schrader. DFZ 59, 14 (2015). https://doi.org/10.1007/s12614-015-5977-0
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