Zusammenfassung
Im Beitrag werden schulische Übergänge von Kindern und Jugendlichen, die in Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe leben, fokussiert. Dazu werden bestehende Erkenntnisse zu Übergängen in das/im/aus dem Bildungssystem gemeinsam mit Befunden zu Übergängen der Heimerziehung präsentiert. Empirische Grundlage sind zwei ethnographische Forschungsprojekte zu Heimerziehung und Schule. In den Ergebnissen zeigt sich, dass neben standardisierten schulischen Übergängen insbesondere entstandardisierte schulische Übergänge, wie Schulwechsel, den Alltag der Wohngruppen bestimmen. Vor diesem Hintergrund wird die Begleitung schulischer Übergänge durch die Fachkräfte und das unmittelbare Erleben der Übergänge durch die Kinder und Jugendlichen untersucht. In der abschließenden Diskussion wird den Übergangsstrukturen von Heimerziehung und Schule nachgegangen und die Notwendigkeit eines Übergangswissens (zukünftiger) Fachkräfte hervorgehoben.
Abstract
This contribution focuses on school transitions of children and young people living in residential group care of child and youth services. Based on empirical data gathered in two ethnographic studies on residential care and school transitions, an overview of existing knowledge on transitions into/within/out of the education system and residential care is presented. The results convey that not only standard school transitions determine the everyday life in residential group care, but also non-standard school transitions, such as change of school. Against this background the professional support of school transitions as well as the immediate experience of these transitions by children and young people are analysed. The discussion relates the results to the underlying transitional structures of residential care and school, illustrating the necessity for (future) professionals to acquire knowledge on transitions.
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Notes
Der hohe Anteil von jungen Menschen ohne Bezugsperson ergibt sich aus der Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Die Ergebnisse basieren auf der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik, die nach 2005 keine schulbezogenen Merkmale mehr erhebt, so dass für Deutschland keine aktuelleren Daten verfügbar sind. In der Erhebung wurde nicht zwischen Gymnasien, Real- und Gesamtschulen differenziert, sondern nur zwischen dieser Gruppe von Schulformen und Haupt- und Förderschulen.
Die Erhebungen fanden im Zuge der an der Universität Siegen durchgeführten Projekte „Heimerziehung und Schule“ (03/2015 – 08/2016) und „SchulBildung in den Hilfen zur Erziehung“ (09/2016 – 02/2019) statt. Das Projekt „SchulBildung in den Hilfen zur Erziehung“ wurde durch das Ministerium für Kultur, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Die „Schulstation“ genannte einrichtungsinterne Schule ist in Kooperation der ortsansässigen Förderschule und der Heimeinrichtung betriebene Außenstelle der Förderschule, die fast ausschließlich von Kindern und Jugendlichen der Heimeinrichtung besucht wird. Beschult werden dort (zeitweilig) diejenigen Kinder und Jugendlichen, die als nicht im Regelschulsystem beschulbar gelten.
Ausschulungen werden von den Fachkräften als eine mögliche Übergangssituation des Feldes beschrieben; wurden jedoch nicht in Bezug für die zum Erhebungszeitpunkt in den Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen bekannt.
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Kliche, H., Täubig, V. Begleitung schulischer Übergänge in Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe. Soz Passagen 11, 47–63 (2019). https://doi.org/10.1007/s12592-019-00321-5
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