Zusammenfassung
Machthandeln von Sozialarbeiter*innen an Regularien zu knüpfen (z. B. die berufsethischen Prinzipen der Sozialen Arbeit) ist nicht nur aus sozialer und professioneller, sondern auch aus empirischer Sicht sinnvoll. Gerade da, wo Machtasymmetrien besonders ausgeprägt sind, ist an professionelle Prinzipien geknüpftes Handeln noch wichtiger, etwa bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. In diesem Bereich steht eine Verpflichtung gegenüber Prinzipien der Sozialen Arbeit mit geringerer Restriktivität in Zusammenhang. Welche Kategorien nennen aber Sozialarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe, wenn sie hiernach gefragt werden? Damit beschäftigt sich die in diesem Beitrag dargestellte Untersuchung. Die genannten Kategorien wurden zunächst inhaltsanalytisch analysiert und dann quantifiziert. Es zeigen sich vier Kategorien, die dem klassischen Aufbau von übergeordneten Prinzipien, dann hieraus ableitbaren Normen und schlussendlich den berechtigten Ansprüchen folgten. Die Untersuchung zeigt, dass Haltungen als Teil der persönlichen Identität von Sozialarbeiter*innen ausgebildet sind und als Teil der Handlungsplanung angenommen werden können.
Abstract
Power using relations of social workers to regulations (e. g. professional ethical principles of social work) is not only sensible from social and professional but also from empirical perspective. Precisely where power asymmetries are particularly present, actions based on professional principles for example when working with children and adolescents are more important. In this area, an obligation to principles of social work is connected with lesser restrictions. Which categories are named by social workers of youth welfare when being asked? This is what the study deals with as described in this article. Initially the named categories were analyzed by content and then quantified. The examination shows that attitudes are developed as part of the personal identity of social workers and can be assumed as part of behavioural planning.
Notes
Partizipativität als Teil des konstruktiven Machtspektrums ist z. B. das Sich-Kümmern um Probleme von Klient*innen oder das Geben von Mitentscheidungsmöglichkeiten (Misamer et al. 2017).
Restriktivität als Teil des destruktiven Machtspektrums ist z. B. das Benachteiligen von Klient*innen oder das Ausüben von Druck (Misamer et al. 2017).
Beispiel-Item für Partizipativität: „Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter kümmern sich um die Probleme von Klientinnen und Klienten“; Beispiel-Item für Restriktivität: „Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter benachteiligen manche Klientinnen und Klienten“.
Für eine detaillierte Darstellung: Misamer, Hackbarth und Thies (2017).
Dennoch werden hierdurch auch Widersprüche sozialpädagogischen Handelns verdeckt, was in der Diskussion thematisiert wird.
Berechnungen, die Geschlechtsunterschiede einbeziehen, wurden nicht getätigt, weil die Geschlechterverteilung ungleich (zugunsten von Sozialarbeiterinnen: w = 70, m = 16) ausfiel und die Ergebnisse infolgedessen verzerrt und schwer interpretierbar gewesen wären.
Es wurden nichtparametrische Korrelationen nach Spearmans ρ (in Abgrenzung zur Korrelationsanalyse nach Pearson) berechnet, weil bei den Daten nicht von einer Normalverteilung auszugehen ist (vgl. Bortz und Schuster 2010) Der Test nach Spearmans ρ stellt geringe Anforderungen an die Verteilung der Messwerte und wurde daher angewendet.
Siehe zur handlungsbezogenen Selbstreflexion: H. Messmer (2012).
Im Sinne Albert Banduras (1971).
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Misamer, M. Machthandeln und professionsethische Prinzipien in der Kinder- und Jugendhilfe. Soz Passagen 10, 231–244 (2018). https://doi.org/10.1007/s12592-018-0299-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s12592-018-0299-0
Schlüsselwörter
- Machthandeln
- Professionsethische Prinzipien
- Handlungsleitende Normen
- Partizipative Machtanwendung
- Regularien
- Kinder- und Jugendhilfe