Zusammenfassung
Aufdeckungs- bzw. Disclosureprozesse von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stellen im Kontext von Prävention und Intervention in Schulen einen eigenständigen Forschungsgegenstand dar. Inwiefern Lehrkräfte als mögliche Ansprechpersonen betroffener SchülerInnen und als AkteurInnen im Kinderschutz das Zustandekommen dieser Prozesse unterstützen können, ist dabei weitegehend unbekannt. In einer auf dem Reasoned Action Approach basierenden Elicitation-Studie werden Überzeugungen von Lehrkräften in Bezug auf disclosure-unterstützende Handlungen erfragt. Die Analyse liefert Hinweise auf die komplexen Zusammenhänge zwischen strukturell-organisationalen Gegebenheiten und pädagogisch-professionellem Reflektieren und Handeln.
Abstract
Processes of disclosure of child sexual abuse constitute a genuine object of research in the context of prevention and intervention in schools. How teachers as potential confidants of abused students and as protagonists of child protection might facilitate the development of those processes is largely unknown. In an elicitation study based on the reasoned action approach salient beliefs of teachers about disclosure supporting actions are being inquired. The analysis provides indications of the complex relations between structural-organisational conditions and pedagogic-professional deliberating and acting.
Notes
Exakte Zahlen liegen hierfür nicht vor. Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit geht von rund 10.000 Stellen, davon ein Großteil in Teilzeit, für Schulsozialarbeiter_innen aus (vgl. Aden-Grossmann 2016).
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Christmann, B., Just, P. & Wazlawik, M. Aufdeckung/Disclosure von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in schulischen Settings. Soz Passagen 8, 311–324 (2017). https://doi.org/10.1007/s12592-016-0236-z
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