Auf 399 Seiten befasst sich das Fachbuch Culture as Soft Power. Bridging Cultural Relations, Intellectual Cooperation, and Cultural Diplomacy, herausgegeben von Elisabet Carbó-Catalan und Diana Roig-Sanz mit dem Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Elementen des kulturellen Austausches und dem Soft Power-Einfluss. Das Buch ist in 16 einzelne wissenschaftliche Artikel von unterschiedlichen Autor*innen gegliedert. Untersucht wird im Besonderen kulturelle Diplomatie im lateinamerikanischen Raum, manche Artikel beschäftigen sich aber auch explizit mit dem kulturellen Austausch auf europäischem Boden. Diese thematischen Foki zeigen sich auch in der Autorschaft, die sich aus lateinamerikanischen und europäischen Forschenden zusammensetzt. Als Mittel des kulturellen Austausches, der eine Soft Power-Komponente haben kann, werden neben Literatur und kulturellem Erbe auch z. B. kultureller Internationalismus, Kino und Bildung, aber auch unterschiedliche Institutionen wie das British Institute in Florence, Catalan PEN, Übersetzungen oder aber auch Literaturpreise untersucht. Wie im Aufbau dargestellt (S. 7) liegt ein besonderer Fokus auf der Bedeutung einzelner Städte, die in den jeweiligen Kapiteln herausgestellt werden, darunter Santiago, Chile (Kap. 5, 6, 7), Florenz, Italien (Kap. 8), Lima, Bogota, Caracas und Havana (Kap. 15) sowie Paris und Genf (Kap. 4).

Im Allgemeinen zeichnet sich das Sammelwerk durch einen hohen empirischen Anteil aus. Durch die exzellente Einleitung schaffen es die Herausgeberinnen, die doch sehr unterschiedlichen Artikel zu kontextualisieren. Grundlage der dargestellten Forschung ist die Annahme, dass „culture matters in domestic and international politics, as shared culture can create a powerful sense of community“ (S. 1), die jedoch auch das Auftreten auf der Internationalen Bühne nachhaltig beeinflussen kann (S. 1). Wichtig dabei ist die Definition von Kollektivität als „a group of people who identify with each other through their shared features – be they cultural, linguistic, ideological, or any other kind – who benefit from some form of collective agency“ (S. 1), was sowohl territorial begrenzte Gruppen als auch supraterritoriale Gruppierungen einschließt (S. 1). Der Einfluss von Kultur, gerade im Bereich der Internationalen Beziehungen, wird oft nur vage untersucht (S. 3). Erklärtes Ziel des Buchs ist es, das Forschungsfeld der kulturellen Beziehungen, intellektuelle Kooperation und kulturelle Diplomatie auf eine interdisziplinäre Art zu verknüpfen (S. 4). Dabei sind nicht nur staatliche Akteure im Fokus der Untersuchung, sondern auch nicht-staatliche, die eng mit ihren Herkunftsländern verbunden sind. Die Auswahl der Fallbeispiele wird durch die Autorinnen innerhalb der Einleitung gut erklärt.

Es geht eben auch um die Konzeptionalisierung der Kultur im Sinne der Internationalen Politik (S. 8). Dabei betonen die Autorinnen, dass die oftmalige strikte Trennung zwischen kulturellen Beziehungen und kultureller Diplomatie, auf Basis der Involvierung politischer und nicht-staatlicher Akteure, in Frage gestellt werden muss (S. 4). Dass staatliche Einmischung durchaus Kultur zu einem Mittel der Propaganda zweckentfremden kann, wird durch die Autorinnen anerkannt. Innerhalb des Bandes soll jedoch vor allem die soziale Dimension betrachtet werden, weshalb an dieser Stelle auf die Trennung verzichtet werden kann (S. 4 f.). Dadurch, dass der Fokus auf Dynamiken und Verbindungen gelegt wird, kann überdies angenommen werden, dass kulturelle Beziehungen Einfluss auf politische Ereignisse haben können (S. 5). Unterfüttert wird dies mit Situationen aus dem Alltag, wie dem Fall von Salman Rushdie.

Die Herausgeberinnen legen einen großen Wert auf Interdisziplinarität. Da das Buch sich aus 16 Einzelkapiteln zusammensetzt, kann innerhalb dieser Rezension nur auf einzelne Kapitel Bezug genommen werden. Dies bedeutet nicht, dass die anderen Kapitel eine abfallende Qualität haben, sondern, dass die ausgewählten Kapitel exemplarisch für den hohen Anspruch des Buches stehen. Das Kapitel von Martin Grandjean zum Verhältnis zwischen Paris und Genf dient als eines dieser Exempel. Im Kapitel wird eine Netzwerkanalyse über die Inhalte der Archive des International Committee on Intellectutal Cooperation of the League of Nations (ICIC) durchgeführt. Der dargestellte Aufbau der Struktur und gemeinsamen Geschichte zwischen Paris und Genf zeigen die Differenzen zwischen den beiden Organisationen gut. Der besondere Einfluss Frankreichs auf die Gründung des Völkerbundes und die herausgehobene Bedeutung der Kultur in Frankreich werden besonders hervorgehoben. Die Balance zwischen dem ICIC und dem International Institute of Intellectual Cooperation (IIIC) kann durch die Dokumente im Archiv des Völkerbundes dargestellt werden (S. 75). Besonders positiv hervorzuheben sind die aussagekräftigen und gut durchdachten Graphen, die die Analyse auch für Laien in dem Bereich greifbar machen. Die Datenauswertungen sind umfangreich, empirisch gut dargestellt und an allen Stellen nachvollziehbar. Der Fokus auf einzelne Berater in dem Prozess macht das Thema nahbar und bietet einen umfangreichen Blick in die Vergangenheit und das Machtgefüge in kulturellen Themen des Völkerbundes. Das Mächtegleichgewicht, welches der Autor auch auf den Einfluss einzelner Persönlichkeiten zurückführt (S. 86) und auf Elemente, die gerade nach 1930 verwendet werden, um dieses auszubalancieren (S. 87) und zurück nach Genf zu führen, ist faszinierend. Der Text wird durch den Autor am Ende eingeordnet und konzeptualisiert.

Das zweite herausgestellte Kapitel beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Kino und Bildung. Unter dem Titel „Cinema and Education: Translating the International Educational Cinematographic Institute to 1930s Chile“ schreibt Camila Gatica Mizala über den Einsatz von Bildungskino und anderen Spielfilmen als moralbildendes Mittel der soft power in Verbindung mit cultural diplomacy: „The civilising character of cinema offered the possibility of opening the minds of its viewers and ‘educating’ them with respect to new realities“ (S. 147). Dabei wird auch auf die Rolle kultureller Eliten hingewiesen, die kulturellen Internationalismus und ergo Verständnis zwischen Kulturen durch transnationalen Austausch schaffen (S. 149). Innerhalb des Kapitels wird der Austausch zwischen dem International Educational Cinematographic Institute (IECI), der chilenischen Regierung und dem lokalen Educational Cinematographic Institute (ICE) anhand von zwei Fallbeispielen untersucht. Fokus ist dabei, wie kulturelle Mediatoren und Übersetzungen transnationale Wahrnehmung beeinflussen können (S. 149, 165). Als kulturelle Mediatoren sind Einzelpersonen wie Gabriela Mistral gemeint, die die chilenische Bildungslandschaft durch ihre Arbeit als Diplomatin maßgeblich beeinflusst hat und Fokus des ersten Fallbeispiels ist. Die zweite case study untersucht die Entwicklung des Chilenischen ICE. Herausgehoben wird der Balanceakt zwischen den Werbungen für die eigene Region, während man sich selbst mit eben jener identifiziert. Die Forschung Mizalas basiert auf den Archiven der Vereinten Nationen, des Französischen Außenministeriums, den National Archives of Administration in Chile und der Digital National Library of Chile und umfasst die Jahre 1928 bis 1937 (S. 150). Neben der herausragenden Quellenarbeit und der fundierten Analyse anhand einer Vielzahl von unterschiedlichen Medien muss gerade der herausgearbeitete Einfluss von Mistral besonders gewürdigt werden.

Wie weit der wissenschaftliche Rahmen der Interdisziplinarität gespannt werden kann und wird, zeigt sich im Kapitel „Book Festival Organisations and the Popularisation of Latin American Literature in the Mid-Twentieth Century“ von Juan David Murillo Sandoval, das den Weg von lokalen Initiativen zu transnationalen Projekten beschreibt. Dabei liegt der Fokus nicht auf den großen kulturellen Organisationen und deren Einfluss auf die Publikation und die Verbreitung literarischer Werke (S. 319), sondern „to highlight cultural organisations as a relevant object to study in terms of the region’s book history which nonetheless made outstanding contributions in Latin American capitals like Lima, Caracas, Bogotá, and Havana.“ (S. 320). Ziel war es, Bücher erschwinglich zu machen, um so den Zugang zu Bildung zu erleichtern. Obwohl viel dieser Entwicklung auf den Schultern einzelner Individuen steht, soll in dem Kapitel gezeigt werden, dass „festival organisations promoted cultural transfers as well as the mobility of people, goods, and ideas, while they gave cohesion to national literary fields and helped project them beyond their borders“ (S. 321). Dabei wird Geschichte und Einfluss auf den lateinamerikanischen Buchmarkt untersucht. Einzelne Gruppen und Personen werden dabei gesondert betrachtet. Der Autor schließt mit dem transnationalen Erfolg, der eindeutig auf die Festivals zurückgeführt werden kann.

Gespiegelt wird dieses Kapitel mit der Untersuchung „The Europäische Revue and the European Cultural Union: Culture and Soft Power in the Interwar Period“ von Magarita Garbisu, welches sich mit der European Cultural Union beschäftigt. Die Union wurde nach dem ersten Weltkrieg gegründet, um kulturelle Kooperation in Europa zu fördern. Ziel war es dabei, unter anderem die deutsche Sprache und Kultur wieder mehr in Europa zu verankern (S. 217–218). Garbisu untersucht die Schritte, die durch die Europäische Revue und die European Cultural Union unternommen wurden, um diese Kooperation zu fördern. Unterdessen zeigt sie dabei auch die Schwierigkeiten auf, die sich in der internationalen Zusammenarbeit ergeben können. Der Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen als Mittel der kulturellen Diplomatie ist hierbei von besonderem Interesse. Durch den apolitischen Fokus konnte Kultur als Mittel der soft power die politischen Hürden von 1922 überwinden (S. 230). Die Bestrebungen für eine erfolgreiche Fortsetzung des Preises scheiterten laut der Autorin an Rückbesinnung auf Politik durch Einzelakteure (S. 230). Dies unterstreicht erneut die sensible und eng verwobene Verbindung zwischen Politik, soft power und cultural diplomacy.

Das Buch ist in seinem Anliegen, eine interdisziplinäre Verknüpfung zu erstellen, erfolgreich. Zu empfehlen ist das Buch nicht nur für explizit am lateinamerikanischen Raum oder aber an kultureller Diplomatie Interessierte, sondern gerade auch für diejenigen, die ein großes Interesse an strukturschaffendem Denken und welthistorischen Zusammenhängen haben. Die Kapitel haben, unter anderem durch die gewählten Forschungssubjekte, Schwerpunkte und Methoden unterschiedliche Qualität. Dabei muss gesagt werden, dass sich alle Texte auf einem hohen akademischen Niveau befinden. Die Lektüre ist spannend, lehrreich und gewinnbringend für alle Interessierten mit einem Vorverständnis von soft power und Kultur als Mittel der soft power, da auf die grundlegenden Begrifflichkeiten nur bedingt eingegangen wird und werden kann. Für diejenigen, die sich neu in die Thematik einlesen, kann das Buch eine gute weiterführende Lektüre sein. Es bietet ein vertieftes Verständnis für die kulturellen Verbindungen und die Möglichkeiten von kultureller Diplomatie.