1 Einleitung

Wie verändert künstliche Intelligenz öffentliche Kommunikation? Wie nutzen Akteur*innen Verfahren künstlicher Intelligenz in öffentlicher Kommunikation, um ihre Ziele strategisch zu verfolgen? Wie (re-)strukturiert sich Öffentlichkeit angesichts automatisierter Kommunikation? Und wie wirkt sich die digitale Transformation auf die Werte und Normen deliberativer Demokratie in Deutschland aus? Weitreichende und tiefgreifende Fragen. Im Rahmen der Konferenz Politische Kommunikation und KI – Chancen und Herausforderung für die Regierungskommunikation kamen an der Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr in Hamburg (HSU) Forschende unterschiedlicher Disziplinen am 23. und 24. Februar 2023 zusammen, um diese Fragen zu diskutieren.

Die Konferenz stellt den Abschluss des mehrjährigen Kooperationsprojekts der HSU mit dem Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr dar. Das Projekt „Künstliche Intelligenz und öffentliche Kommunikation“ untersucht die Auswirkungen der digitalen Transformation der Öffentlichkeit und insbesondere die Folgen eines verstärkten Einsatzes künstlicher Intelligenz in Regierungskommunikation und regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit.

2 Künstliche Intelligenz und öffentliche Kommunikation

Ausgangspunkt der Tagung war der State of the Art Report (SOTAR) des Projekts „Politische Kommunikation und KI – Chancen und Herausforderung für die Regierungskommunikation“. Er lieferte einen Überblick über aktuelle Entwicklungen von KI-Verfahren im Kommunikationsbereich und speziell von deren Anwendung im Bereich öffentlicher oder spezifischer in der Regierungskommunikation. Deutlich wird in dem SOTAR, dass der Wissenstransfer zwischen den Disziplinen noch defizitär ist: Die Frage, wie KI öffentliche Kommunikation transformiert, ist zwar etabliert; die für die Demokratie (fast) genauso wichtige Frage, wie Regierungskommunikation davon affiziert wird, wird in der internationalen Literatur jedoch kaum adressiert. Der SOTAR sollte daher dazu dienen, während der Konferenz einen explorativen Suchprozess zu strukturieren, um die Forschungslücken zu schließen. Als Strukturierungsangebot wurden drei Dimensionen öffentlicher Kommunikation und der mögliche Einfluss von KI-Verfahren auf diese differenziert: Die Dimension der Vermittlung, die sich auf z. B. die Möglichkeiten von in KI-Verfahren automatisierter Kommunikation und damit verbundener Skalierbarkeit sowie zielgruppenspezifischer Ansprache beschäftigt. Die Dimension der individuellen Disposition, in der motivationalen Ressourcen zum Diskurs und der Einfluss von KI auf eben jene thematisch wird. Schließlich die Dimension der Deliberation auf Makrobene, die Herausforderungen und Chancen der verstärkten Integration von KI-Verfahren in öffentliche Kommunikation für die grundlegenden Konzepte, Werte und Normen der deliberativen Demokratie erfasst.

KI-Verfahren zeigen in allen drei untersuchten Dimensionen erhebliches Potenzial, bestehende Strukturen zu verändern. Darauf wird sich öffentliche Kommunikation allgemein und Regierungs- bzw. regierungsamtliche Kommunikation im Speziellen einstellen müssen. Obwohl die sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Nutzung einer neuen Technologie erst über die Zeit manifest werden, zeigt der SOTAR tentativ Entwicklungspfade auf, auf die sich alle mit öffentlicher Kommunikation befassten Personen einstellen müssen, u. a. die themendatenbasierte Zielgruppenansprache und daraus resultierende neue Zielgruppendefinitionen oder die automatisierte Kommunikation durch Chatbots in der Verwaltungs- und Regierungskommunikation. Die Begehrlichkeiten, effektiv und kostengünstig im politischen Bereich zu kommunizieren, wachsen. Das Versprechen, durch strategische Kommunikation als Regierung den eigenen politischen Möglichkeitsraum zu erweitern, wird durch KI-Verfahren beschleunigte Verfahrensentwicklungen nochmals verlockender. Die Regierungskommunikation in Deutschland muss sich zum kommunikativen Nudging positionieren. Nudging bezeichnet jegliche Form einer Entscheidungsstruktur, die das Verhalten von Menschen in vorhersehbarer Weise ändern kann, ohne Verbote auszusprechen oder deren ökonomische Anreizstruktur signifikant zu verändern. Aufgrund der Tatsache, dass weltweit bereits viele andere Regierungen auf den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie basierende Policies formulieren. Dies öffnet das Feld des Algorithmic Nudging.

Auch die Tagungen zum Thema KI können von technologischen Entwicklungen überholt werden – so auch hier: Generative KI überstrahlte (zu Recht) die gesamte Konferenz.

3 Die Konferenz – Politische Kommunikation und KI

Die Konferenz Politische Kommunikation und KI – Chancen und Herausforderung für die Regierungskommunikation gliederte sich in drei Teile: einer klassischen Eröffnung im Plenum, drei explorativen Workshops im Anschluss und dem Bemühen, im abschließenden Plenum die dort gewonnen Einsichten systematisch aufeinander zu beziehen.

Prof. Thorsten Thiel (Universität Erfurt) eröffnete die Konferenz mit einer Begrüßung und einführenden Erläuterungen zur Genese des Projekts und den Zielen der Konferenz. Charalampos Karpouchtsis (HSU) stellte im Anschluss einige Erkenntnisse aus dem Projekt vor und ordnete diese im Rahmen der bevorstehenden Konferenz ein.

Bevor sich die Konferenzteilnehmenden auf die Workshops verteilten, gab Jörn Thießen als Leiter der Abteilung Heimat im Bundesministerium des Innern einen Input zum Thema „Desinformation und Regierungskommunikation“. Hierbei konzentrierte er sich auf die Möglichkeiten der gezielten Informationsarbeit und der Demokratieförderung, als auch auf die Risiken, die automatisierte Kommunikationsverfahren mit sich bringen können. Außerdem hielt Prof. Katharina Kleinen-von Königslöw (Universität Hamburg) einen Impulsvortrag mit dem Titel „Regierungskommunikation in der digitalen Öffentlichkeit“, wo sie auf den strukturellen Wandel der politischen Öffentlichkeit einging und die möglichen Auswirkungen von KI für die Politik- und Kommunikationswissenschaft, als auch den Journalismus eruierte. Abschließend fand eine Diskussion mit den Teilnehmenden statt, bei der auf Fragen aus dem Publikum eingegangen wurde. Dies läutete auch den Beginn der Workshops ein.

Im von Philip Schäfer (Universität Bielefeld) geleiteten Workshop I „Strategische Kommunikation ohne Strateg:innen? – Wie verändert Künstliche Intelligenz Regierungskommunikation?“ wurden Ideen dazu entwickelt, wie sich öffentliche Kommunikation in einer Innen- und Außenperspektive bzw. in einer sicherheitspolitischen Perspektive denken lässt. Zudem wurde diskutiert, wie strategisch agierende Akteur*innen Öffentlichkeiten durch deren Machtmittel formen und so unterschiedlich für die Anwendung von KI-Verfahren zugänglich machen. Am Beispiel der das Strategiespiel „Diplomacy“ spielenden und dabei bessere Ergebnisse als alle menschlichen Mitspieler*innen erzielenden KI des Meta Fundamental AI Research Diplomacy Team (FAIR) diskutierten die Workshopteilnehmenden Möglichkeiten und Grenzen strategischer Kommunikation. Nach intensiven Diskussionen zu technischen Möglichkeiten z. B. des Monitorings öffentlicher Kommunikation, oder automatisierter Sentiment Analysis, kamen die Workshopteilnehmenden zum Schluss, dass ein neuer strategischer Ansatz in der Regierungskommunikation notwendig sei. Dazu solle KI radikale Transparenz von Regierungshandeln ermöglichen und in einer Plattform alle Informationen zusammengeführt, ausgewertet und in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalist*innen und Bürger*innen nach Vorbild der Initiative „Frag den Staat“ Fragen zum Regierungshandeln gestellt und diese automatisiert veröffentlicht werden.

In Workshop II „Künstliche Intelligenz als Rahmenbedingung öffentlicher Kommunikation“, geleitet von Prof. Thiel, diskutierten die Teilnehmenden die Transformationen von Regierungskommunikation im Zeitalter sozialer Medien. Es wurde darauf eingegangen, wie Reichweite und Unmittelbarkeit direkter Ansprache und Information gestiegen seien. Dass diese bessere Ansprache und Erreichbarkeit der Zielgruppen aber Regierungskommunikation in Abhängigkeit von kommerziellen Plattformen gebracht habe, wurde überaus kritisch diskutiert und Möglichkeiten aufgezeigt, wie KI-Verfahren Deliberation ohne große Plattformen ermöglichen können und damit eine algorithmische Kuratierung mit wirtschaftlichen Interessen umgangen werden kann. Dabei wurden das Konzept der AI Literacy, als auch die veränderte Erwartungshaltung der Bürger*innen und die Aufmerksamkeitsdynamik thematisiert. Die Aufmerksamkeitsdynamik würde nicht nur eine veränderte Kommunikationserwartung, sondern auch eine veränderbare Kommunikationshaltung bedeuten.

Im von Prof. Gary S. Schaal (HSU) und Charalampos Babis Karpouchtsis geleiteten Workshop III „Demokratietheoretische Überlegungen: Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rahmen der Regierungskommunikation“ wurden vier interagierende Dimensionen aufgestellt: die normative Dimension der Demokratie, die Erwartungshaltung der Bürger*innen, die Dimension der KI-Anwendung und die damit verbundenen Risiken und Chancen für die Demokratieförderung. Die Teilnehmenden eruierten verschiedene Anwendungsbereiche für generative KI, so zum Beispiel ein „Regierungschatbot“ mit Diskussionsfunktion, mit dem man Regierungskommunikation automatisieren könnte, oder die Funktion von spezialisierten KI-Chatbots zur politischen Bildung und Navigation der politischen Landschaft. Die Teilnehmenden haben wiederholt die Zweischneidigkeit der Technologie kritisch diskutiert, so auch das schwierige Gleichgewicht zwischen Bürgernähe und Bevormundung. Die Teilnehmenden diskutierten auch die Notwendigkeit zur Nutzung von Government-Data-Mining um Kommunikationserwartungen der Bürger*innen aus Verwaltungs- und Regierungsperspektive mit Daten zu untermauern. Ein wichtiger Faktor zur politischen Partizipation schien die Individualisierung von politischer Kommunikation zu sein, um die Bürger*innen in einem beschleunigten Kommunikationsumfeld ansprechen zu können und über für sie spezifisch relevante politische Veränderungen informiert zu halten.

4 Ausblick / Fazit

Die Konferenz Politische Kommunikation und KI – Chancen und Herausforderung für die Regierungskommunikation brachte Forschende aus den Bereichen Kommunikationswissenschaften, Politikwissenschaften, Informatik, Neurowissenschaften und der Forschung zu Verfahren künstlicher Intelligenz zusammen, um den Nexus von KI und öffentlicher Kommunikation zu diskutieren. Es besteht die Hoffnung, so den Nukleus eines Netzwerks zur soziotechnischen Beobachtung der Folgen der verstärkten Anwendung von KI-Verfahren in öffentlicher Kommunikation aufgebaut zu haben. In diesem Netzwerk lassen sich Auswirkungen von KI-Verfahren in öffentlicher Kommunikation auf die Konzeption von Öffentlichkeit, die Umsetzung von Regierungskommunikation und die Grundlagen deliberativer Demokratie diskutieren, Forschungslücken identifizieren und entsprechende Forschungsprogramme entwickeln. Zudem konnte die Konferenz erste Ansätze dafür liefern, wie sich der Einsatz von KI-Verfahren in strategischer Kommunikation allgemein und außen- und sicherheitspolitischer im Speziellen konzipieren und modellieren lässt. Die technischen Möglichkeiten zur Verbreitung und zielgruppenspezifischen Ansprache im In- und Ausland machen es notwendig, über neue strategische Ansätze nachzudenken, die nicht mehr auf den Informationsvorsprung und die hohe Sichtbarkeit und Legitimität der Regierungskommunikation in öffentlicher Kommunikation setzen kann.

Im Projekt „Künstliche Intelligenz und öffentliche Kommunikation“ und der Konferenz Politische Kommunikation und KI – Chancen und Herausforderung für die Regierungskommunikation werden die Umrisse eines überaus spannenden und hochrelevanten Forschungsfeldes deutlich, das es gilt, in den nächsten Jahren zu erkunden.