Während Mitte der 2000er Jahre in öffentlichen Debatten über Afrika noch häufig vom „vergessenen Kontinent“ die Rede warFootnote 1, hat seitdem das öffentliche Interesse an verschiedenen Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent stark zugenommen. In den deutschen und europäischen Medien haben dazu vor allem transnationaler, islamischer Terrorismus sowie Fluchtbewegungen aus afrikanischen Ländern nach Europa beigetragen. Dieses wachsende Interesse hat sich auch in wissenschaftlichen Debatten niedergeschlagen, zu denen auch der vorliegende Sammelband von Dr. Hans-Georg Ehrhart und Prof. Dr. Michael Staack einen Beitrag leistet.

Der Band versammelt insgesamt elf Kapitel, sechs davon in deutscher, fünf in englischer Sprache, verfasst von ebenfalls elf Autor*innen (darunter zwei Frauen) vorwiegend aus der deutsch-sprachigen Forschungslandschaft (mit sicherheitspolitischem Schwerpunkt), ergänzt durch zwei Wissenschaftler der Universität Bahir Dar in Äthiopien (Wuhibegezer Ferede und Bewuketu Dires Gardachew). Behandelt werden verschiedene Themen, die mit Sicherheit und Frieden in Afrika in Zusammenhang gebracht werden. Insgesamt verfolgt der Sammelband das Ziel, auf die Pluralität und das Zusammen- oder Wechselspiel unterschiedlicher Sicherheits- und Friedensordnungen in Afrika aufmerksam zu machen (S. 7).

Schwerpunkte sind dabei insbesondere die Situation in Mali und dem Sahel sowie ferner Somalia und das Horn von Afrika. Vielen Beiträgen gemein ist darüber hinaus eine kritische Perspektive auf die Rolle und Interventionen externer Akteure, vor allem einflussreicher europäischer Staaten und der USA. Als Leitmotiv über mehrere Beiträge hinweg zieht sich ein von den Autor*innen identifizierter Interessenkonflikt zwischen europäischer Abschottung (Errichten undurchlässiger Grenzen) und afrikanischen Bemühungen regionaler Integration (Abbau von Mobilitätshindernissen).

Nicht ganz klar ist jedoch, wer genau das Zielpublikum dieses Sammelbandes sein soll. Viele Beiträge sind eher allgemein gehalten, überblicksartig und reflektieren nur Ausschnitte (insbesondere die deutschen Beiträge) einer umfangreichen wissenschaftlichen Literatur (auch im anglophonen und frankophonen Sprachraum). Es entsteht einerseits der Eindruck einer einfachen Einführung für ein deutschsprachiges Publikum. Nebst einfachen, teilweise stark vereinfachenden Erklärungen in Einleitung sowie einzelnen Beiträgen, bietet hierzu vor allem das Kapitel von Prof. Dr. Rainer Tetzlaff einen guten Überblick über einige der großen entwicklungspolitischen Themen, die derzeit in der wissenschaftlichen Literatur und öffentlichen Debatten mit Blick auf Afrika diskutiert werden (aufbauend auf seinem 2018 erschienenen Lehrbuch). Andererseits widersprechen diesem Eindruck die englischen Beiträge, die teilweise auch empirisch mehr in die Tiefe gehen (beispielsweise die Kapitel von Dr. Dominik Balthasar, Wuhibegezer Ferede und Dr. Armin Osmanovic).

Eine Forschungslücke wird nicht identifiziert; die Auswahl der Autor*innen und Fälle wird nicht erklärt. Das Ergebnis sind mehrere Kapitel, die zum Teil interessante Aspekte beleuchten, aber weder explizit zentrale Begriffe verwenden oder reflektieren – insbesondere der im Titel geführte Begriff Ordnung wird nirgends definiert und von den meisten Autor*innen nicht verwendet. Die meisten Beiträge formulieren keine klar erkennbare Forschungsfragen oder wie sie zu bestehenden wissenschaftlichen Debatten beitragen. Auch die Einleitung des Sammelbandes lässt diese Fragen offen; eine abschließende Zusammenfassung gibt es nicht. Hauptquellen der meisten Beiträge sind Sekundärliteratur und Medienberichte sowie offizielle Regierungsdokumente hinsichtlich vorwiegend deutscher Außenpolitik (Kapitel von Staack, Dr. Jan Grebe und Dr. Melanie Müller; im Beitrag von Ehrhart auch hinsichtlich französischer und US-amerikanischer Außenpolitik). Interviews wurden nur sehr vereinzelt verwendet. Folglich bleiben Darstellungen relativ allgemein und oberflächlich.

Ebenfalls etwas oberflächlich erscheint das Interesse an Afrika und insbesondere afrikanischer agency. Ein Großteil der Beiträge beschäftigt sich hauptsächlich mit deutschen oder europäischen Interessen und dem Handeln von (unitären) Staaten oder der Europäischen Union (ebenfalls als unitärer Akteur gedacht). Dadurch ergeben sich nicht nur einige inhaltliche Wiederholungen in den ersten fünf Kapiteln, es vernachlässigt auch unterschiedliche afrikanische Akteure, Handlungsweisen und vielfältige, komplex verflochtene Interessen und bleibt folglich auf Defizitanalysen beschränkt. Darüber hinaus werden teilweise dominante Narrative unkritisch wiederholt (z. B. „ungoverned spaces“ S. 21, S. 77).

Interessanterweise scheinen die letzten fünf Beiträge dem etwas zu widersprechen. So verweist z. B. Balthasar explizit auf die multiplen Formen politischer Ordnung im scheinbar gescheiterten Staat Somalia, die es unbedingt zu beachten gilt, um zu verstehen, wie state-building in Somalia und Somaliland (nicht) funktioniert (S. 187). Osmanovic berichtet über eine interessante Verflechtung zwischen der Zentralregierung Senegals in Dakar und einem alternativen Machtzentrum, religiöser Autoritäten in der Stadt Touba und weist dabei auf unterschiedliche Wahrnehmungen von Illegalität/Legalität bzw. der sozialen Eingebundenheit oder Akzeptanz von bestimmten wirtschaftlichen Aktivitäten hin, die offiziell als illegal gelten. Wie schon ersichtlich wird, bewegen sich diese Beiträge jedoch inhaltlich vorwiegend auf sub-nationaler Ebene (Sonja Nietz; Wuhibegezer), im Gegensatz zu der ersten Hälfte des Sammelbandes, die sich mit internationaler Politik beschäftigen. Eine Ausnahme hierbei bildet der Beitrag von Matthias Schwarz, der die nationalen Interessen der afrikanischen Staaten beleuchtet, die Truppen für die Mission der Afrikanischen Union in Somalia stellen – ohne jedoch genauer zu betrachten, wie und von wem diese Interessen verhandelt werden und wie sie sich zu Sicherheits- und Friedensordnungen in der Region bzw. in Afrika verhalten.

Insgesamt bietet dieser Sammelband daher wenig neue Erkenntnisse und ein nur unvollständiges Bild von Sicherheits- und Friedensordnungen in Afrika. Das selbstgesteckte Ziel des Bandes, diese Ordnungen in ihrer Vielzahl und deren Wechselspiel besser zu verstehen, bleibt aber höchst relevant und ließe sich darüber hinaus mit einem detaillierteren Fokus auf konkrete Akteure sowie deren Handeln und Praktiken verbinden, um verstärkt auch dominante Narrative und politische Rhetorik hinsichtlich afrikanischer Bemühungen regionaler Integration zu hinterfragen.