Liebe Leserinnen und Leser,

Marktdesign bezeichnet die Anwendung von spieltheoretischen Prinzipien auf konkrete, praktische Institutionen. Beispiele für erfolgreiches Marktdesign finden sich unter anderem bei der Gestaltung von Auktionen (z.B. Frequenzauktionen im Bereich der Telekommunikation). In diesem Sinne beschreibt Marktdesign eine Situation, in der ein Akteur, meist der Staat, die Regeln für eine spezifische Institution ausgestaltet. Unter den definierten Regeln treffen dann individuelle Akteure frei ihre Entscheidungen. Dennoch werden sie durch die vorab festgelegten Regeln - wie von einer "unsichtbaren Hand" - auf die vom Marktdesigner bevorzugte Lösung koordiniert. In der energiepolitischen Debatte hat der Begriff mittlerweile eine sinngemäße aber deutlich breitere Bedeutung angenommen, wie auch dieses Heft zeigt. Beispielsweise versteht der BDEW unter dem Begriff Marktdesign "die Gesamtheit aller Spielregeln, innerhalb derer sich die Energiemärkte frei entfalten können bzw. sich möglichst frei entfalten können" (BDEW, 2021). Die Anzahl der hierbei zu berücksichtigenden Spielregeln ist hoch und stetig wachsend. So beklagt Christian Pielow in diesem Heft nicht zu Unrecht einen "Flickenteppich aus nebeneinander zu beachtenden Gesetzen mit tendenziell gleichfalls zunehmenden und immer breiteren Rechtsverordnungen". Und auch die Ziele der Plattform Klimaneutrales Stromsystem beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, über die Frank Urbansky berichtet, deuten darauf hin, dass sich der Trend zur ständigen Ergänzung weiterer Regeln zum Marktdesign fortsetzen dürfte. Dieser Trend kann erklärt werden durch ein "doppeltes Spiel" des Staates: Einerseits sieht sich der Staat in der liberalisierten Energiewirtschaft als außenstehender Regelsetzer für freie, dezentrale Akteure. Andererseits formuliert der Staat im Zuge der Energiewende vielfältige Ziele für die materielle Entwicklung des Energiesystems, sowohl in der EU als auch in Deutschland. Damit engt er die Bewegungsfreiheit der unabhängig voneinander entscheidenden Marktakteure zunehmend ein. Die beobachtete Multiplizierung der Regeln kann aus diesem Spannungsfeld erklärt werden. Ob das zunehmend komplexe Zusammenspiel von Liberalisierung und Marktdesign tatsächlich eine rasche und sachgerechte Transformation des Energiesystems ins Werk setzen kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre,

Ihr

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Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge Wissenschaftlicher Beirat der ZfE und Direktor sowie Geschäftsführer des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln