Zusammenfassung
Ein wichtiges Instrument in der deutschen Anreizregulierung der Energienetzwirtschaft ist die Fortschreibung der Erlösobergrenze innerhalb einer Regulierungsperiode durch Verbraucherpreisindex und X‑Faktor. Hierbei wird die Erlösobergrenze entsprechend der Entwicklung der Produktivität und der Einstandspreise der jeweiligen Energienetzwirtschaft fortgeschrieben. Diese Art der Fortschreibung entstammt der klassischen regulierungsökonomischen Literatur zur Preisregulierung und soll das Regulierungsziel ökonomischer Nullgewinne von Monopolisten gewährleisten. In diesem Beitrag wird gezeigt, dass für eine Erlösobergrenze dieses Vorgehen jedoch das angestrebte Regulierungsziel nicht erfüllt. In der Folge ergeben sich Erlösobergrenzen und Netzentgelte, die gemessen am Regulierungsziel verzerrt sind. Im Falle eines positiven Trends im Output der jeweiligen Energienetzwirtschaft sind Erlösobergrenzen und Netzentgelte nach unten verzerrt, im Falle eines negativen Outputtrends sind sie nach oben verzerrt. Die im Kontext der klassischen regulierungsökonomischen Literatur zum X‑Faktors gemeinten Outputs sind dabei die durch die Erlösobergrenze regulierten Dienstleistungen der Netzbetreiber, also Arbeit und Leistung. Desweitern wird gezeigt, dass die korrekte Art der Fortschreibung einer Erlösobergrenze durch die Kostenentwicklung der jeweiligen Energienetzwirtschaft erfolgt. In diesem Fall ist nicht nur das Regulierungsziel ökonomischer Nullgewinne in der Erlösobergrenzenregulierung erfüllt, sondern auch die Netzentgeltentwicklung ist identisch mit der Netzentgeltentwicklung, die sich im Falle einer klassischen Preisregulierung ergeben würde.
Abstract
The revenue cap’s adjustment within regulatory periods via CPI and X‑factor is an important tool in the German incentive regulation regime. In the current regime the revenue cap is adjusted according to the growth trend of productivity and input prices of the respective energy network industry. This procedure originates from the economic regulatory literature concerning price regulation. The underlying regulatory objective is implementing a zero profit outcome for the monopolist. This article shows that this procedure does not fulfill its objective in the context of a revenue cap. In consequence, both revenue cap and network tariffs are biased: In case of a positive output trend in the network industry, both revenue cap and network tariffs are downwards biased. In case of a negative output trend they are upwards biased. The relevant output according to the economic regulatory literature on the X‑factor are the regulated services provided to customers: work and power. Furthermore, it is shown that the correct way to adjust the revenue cap is according to the growth trend in cost of the respective network industry. In that case both the regulatory objective of zero profits is fulfilled and the ensuing trend in network tariffs is identical to the one in a classic price cap regime.
Notes
Es sei darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise nichts mit einer Kostenregulierung gemein hat: In der Kostenregulierung werden die Kosten ex post gewährt. Die hier vorgebrachte Fortschreibung der Erlösobergrenze durch die Kostenentwicklung auf ex ante Basis ändert nichts am Budgetprinzip der deutschen Anreizregulierung.
In der ökonomischen Betrachtung ist die Eigenkapitalverzinsung Teil der Kostenseite, ökonomische Nullgewinne entsprechen also bilanziellen Gewinnen in Höhe der Eigenkapitalverzinsung.
Das Ergebnis in BS99 ist in der Sprache der sogenannten stetigen Wachstumsraten ausgedrückt. Man erhält jährliche Wachstumsfaktoren durch Anwendung der Exponentialfunktion auf stetige Wachstumsraten.
In einer Erlösobergrenzenregulierung muss also nur der Wachstumsfaktor der Kosten prognostiziert werden für die korrekte Fortschreibung der Netzentgelte – der Wachstumsfaktor des Outputs wird durch den direkten Einfluss des tatsächlichen Verlaufs des Outputs auf das Netzentgelt innerhalb der Regulierungsperiode direkt und ohne weiteres Zutun in der Netzentgeltentwicklung widergespiegelt.
Literatur
Bernstein JI, Sappington DEM (1999) Setting the X factor in price-cap regulation plans. J Regul Econ 16(1):5–26
Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (2016) Gutachten zur Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors
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Appendix
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1.1 Fortschreibung durch VPI und X-Faktor
1.1.1 In der Preisregulierung
Das zentrale Resultat in BS99 lautet, dass unter der Prämisse ökonomischer Nullgewinne die stetige Preiswachstumssrate gleich stetiger Inputpreiswachstumsrate weniger stetiger Produktivitätswachstumsrate ist:
In BS99 wird die stetige Preisänderungsrate alternativ als Abweichung zur stetigen Preisänderungsrate der Gesamtwirtschaft, also der Inflation, \(\dot{P}_{\textit{GW}}\) ausgedrückt. Die gesamtwirtschaftliche Entsprechung zu Gl. 17 lautet
Subtrahieren der beiden Gleichungen ergibt
mit
Durch Anwendung der Exponentialfunktion erhält man folgenden Ausdruck:
Es werden sowohl \(\dot{X}_{\textit{gen}}\) als auch \(\textit{WF}_{X_{\textit{gen}}}\) als X‑Faktor bezeichnet. Der Ausdruck für die Fortschreibung der Preise ist dann
Laut Definition ist der X‑Faktor die Differenz zwischen Preiswachstum der Gesamtwirtschaft und Preiswachstum der Netzwirtschaft. Der X‑Faktor beschreibt also das Negative des realen Preiswachstums in der Netzwirtschaft. Folgerichtig ergibt der Wachstumsfaktor des VPI (also die Inflation) geteilt durch den Wachstumsfaktor des X‑Faktors wieder den Wachstumsfaktor des nominalen Preiswachstums in der Netzwirtschaft. Gl. 22 und Gl. 1 haben also den selben Inhalt.
1.1.2 In der deutschen Erlösobergrenzenregulierung
In §9 der Anreizregulierungsverordnung ist Gl. 20 festgeschrieben. Hieraus ergibt sich zur Fortschreibung der Erlösobergrenze in Analogie zur Preisregulierung:
Wiederum in Analogie zur Preisregulierung haben Gl. 23 und Gl. 2 den selben Inhalt.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Umsetzung in der Regulierungsformel der Anreizregulierungsverordnung hiervon leicht abweicht:
wobei der sogenannte PF in der Praxis von der Bundesnetzagentur als
festgesetzt wird. Es liegt Nahe zu vermuten, dass die Verwendung der Subtraktion anstatt der Division (und der daraus entstehenden Notwendigkeit Eins in Gl. 25 zu subtrahieren) einer Verwechslung von stetigen Wachstumsraten und jährlichen Wachstumsfaktoren entspringt. Die numerischen Auswirkungen dieser Ungenauigkeit sind jedoch relativ gering, weshalb in diesem Beitrag nicht weiter auf diesen Umstand eingegangen wird.
1.2 Rechenschritte zur Herleitung für die Erlösobergrenzenregulierung
Ausgangspunkt ist Gl. 13. Diese wird nach der Zeit abgeleitet:
Die Definition der logarithmischen Ableitung bringt hervor (z. B. \(\frac{d\Pi}{dt}=\frac{d\Pi/dt}{\Pi}\cdot\Pi=\dot{\Pi}\cdot{\Pi}\)):
Durch \(\Pi+C\) bzw. \(R\) teilen und die letzten zwei Terme mit \(C\) erweitern:
Einsetzen der Definitionen von \(\dot{W}\) und \(\dot{V}\):
Ausklammern:
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Pfrommer, T. Die Fortschreibung der Erlösobergrenze durch Verbraucherpreisindex und X-Faktor. Z Energiewirtsch 46, 121–129 (2022). https://doi.org/10.1007/s12398-022-00323-6
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