Zusammenfassung
Angesichts der wachsenden klimapolitischen Herausforderungen streben viele Länder Europas bis zum Jahr 2050 eine Dekarbonisierung an, das heißt den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger. Vor diesem Hintergrund präsentiert dieser Beitrag Prognosen des Energiebedarfs und der Energiemixe für Deutschland, Österreich und die Schweiz für das Jahr 2030 sowie einen Ausblick auf das Jahr 2050. Der Vergleich der Energiepolitiken dieser Länder offenbart gravierende Unterschiede: Während Deutschland bislang vorwiegend auf die massive Subventionierung alternativer Stromerzeugungstechnologien gesetzt hat, war der bisherige Ansatz Österreichs eher, Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere Ge- und Verboten, aber auch Subventionen, senken zu wollen. Die Schweiz hingegen setzt bereits seit dem Jahr 2008 auf das marktwirtschaftliche Instrument der CO2-Abgabe. Die hier präsentierten Prognosen des Energiebedarfs der drei Länder deuten darauf hin, dass Deutschland und Österreich bei einer Fortführung der bisherigen Politik das langfristige Ziel einer weitgehenden Dekarbonisierung nicht erreichen dürften, während es in der Schweiz bereits zu einem spürbaren Rückgang des Primärenergieverbrauchs gekommen ist. Vor diesem Hintergrund gewinnt die jüngst in Deutschland beschlossene CO2-Bepreisung der Emissionen in den Bereichen Verkehr und Wärme besondere Bedeutung. Auch Österreich möchte in diesen Sektoren eine CO2-Bepreisung einführen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie konsequent das Instrument der CO2-Bepreisung umgesetzt werden wird.
Abstract
Many European countries aim at decarbonizing their economy until 2050, thereby striving to entirely abstain from using fossil fuels. Against this background, this paper presents forecasts on the energy demand and energy mixes of Germany, Austria, and Switzerland for 2030, as well as outlooks for 2050. Comparing the energy policies of these countries reveals grave differences: While Germany massively subsidized renewable energy technologies for electricity production, to reduce both its energy consumption and emissions, Austria’s approach heavily relied on regulatory policies, such as command and control measures, accompanied by compensations and subsidies. In contrast, Switzerland established a carbon tax already in 2008. Our forecasts on the energy demand of these countries indicate that Germany and Austria may miss their long-term goal of decarbonization, whereas Switzerland substantially diminished its primary energy consumption in the aftermath of the introduction of its carbon tax. These facts highlight the importance of Germany’s decision to establish a carbon price in its road transport and housing sectors in 2021. Austria now considers introducing a carbon pricing scheme in these sectors as well. It remains an open question, however, whether carbon pricing helps to achieve these countries’ long-term decarbonization goals.
Notes
Darüber hinaus gibt es weitere Kohlekraftwerke, die nicht mehr am Markt aktiv sind. Dies umfasst Steinkohlekraftwerke in der Netzreserve (2,3 GW Ende 2018) und Braunkohlekraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft (2,0 GW Ende 2018). Die Braunkohlekraftwerke in der Sicherheitsreserve können nicht mehr in den Markt zurückkehren und werden nach vier Jahren endgültig stillgelegt. Insgesamt befinden sich in der Netzreserve 6,9 GW, davon 3 GW an Erdgaskraftwerken und 1,6 GW Kraftwerke auf Basis von Mineralöl (BNetzA 2019).
Sofern die energiewirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen, kann andererseits das Datum des Kohleausstiegs in Verhandlungen mit den Betreibern auf 2035 vorgezogen werden. Die Überprüfung, ob dies möglich ist, ist für das Jahr 2032 geplant („Öffnungsklausel“).
Damit ein Kohleausausstieg Deutschlands angesichts der Existenz des EU-weiten Emissionshandels überhaupt klimawirksam wird, müssen die durch die Kraftwerksstilllegungen freiwerdende CO2-Zertifikate im Umfang der dadurch eingesparten Emissionen aus dem nationalen Versteigerungsbudget gelöscht werden. Gemäß der Reform des Europäischen Emissionshandels aus dem Jahr 2018 wird dies den Mitgliedstaaten zukünftig ab dem Jahr 2021 möglich sein. Hierauf weist die Kohlekommission (2019, S. 65) explizit hin. Andernfalls hätte der deutsche Kohleausstieg keinerlei Treibhausgasminderungseffekt.
Tatsächlich wurde in der Bund-Länder-Verhandlung zum deutschen Klimapaket festgelegt, dass für die Bereiche Verkehr und Wärme ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt werden soll, bei dem der CO2-Zertifikatepreis von 25 € im Jahr 2021 bis 55 € im Jahr 2025 staatlich festgelegt ist. Danach sieht das Klimapaket Höchst- und Mindestpreise von 55 bis 65 € vor.
Am 31. März 2020 wurde das letzte Kohlekraftwerk in Mellach in der Steiermark vom Netz genommen. Die Kohleverstromung in Österreich ist damit Geschichte. Die Aufgaben des Kohlekraftwerks, u. a. die Fernwärmeversorgung und die Netzstabilisierung, wurden zu großen Teilen vom ebenfalls in Mellach befindlichen Erdgaskraftwerk übernommen.
Der Prozess zur Festlegung der Wärmestrategie soll in einen Aktionsplan „Nachhaltige Wärme“ münden, der 2020 fertiggestellt werden soll.
Das über die CO2-Abgabe finanzierte Gebäudeprogramm läuft 2025 aus. Sinken die CO2-Emissionen aus dem Gebäudebereich nicht um mindestens 50 % bis 2026 und 2027, werden ab 2029 landesweit einheitliche Grenzwerte für Gebäude eingeführt.
Unternehmen erhalten die Abgabe proportional zu ihrer Lohnsumme zurückerstattet. Energieintensive Unternehmen aus bestimmten Wirtschaftszweigen können sich aus Wettbewerbsgründen von der CO2-Abgabe befreien lassen, wenn sie sich zu freiwilligen CO2-Emissionsminderungen verpflichten (BAFU 2019a, WD 2018, S. 9). Befreit sind auch die am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen.
Heruntergebrochen auf die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie wird vom Gebäudesektor bis 2020 eine Reduktion um 40 % erwartet, vom Verkehrssektor um 10 % und vom Industriesektor um 15 % (siehe revidiertes CO2-Gesetz vom 1. Januar 2013).
Bedauerlicherweise bietet die Studie „Energiezukunft Schweiz“ keine Vergleichsmöglichkeiten für Prognosen des Primärenergieverbrauchs, da sich diese Studie vor allem auf die Stromerzeugung kapriziert, der Primärenergieverbrauch steht weniger in deren Fokus.
48,3 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen (BAFU 2018) ergeben bei einem Primärenergieverbrauch von 1081 PJ im Jahr 2016 eine Treibhausgasintensität von 0,045 Mio. Tonnen je PJ.
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Danksagung
Für wertvolle Kommentare und Anmerkungen möchten wir uns bei Christoph M. Schmidt und Ludwig Strohner sehr herzlich bedanken. Für wertvolle wissenschaftliche Vorarbeiten möchten wir Tobias Larysch und Nico Schwarzer großen Dank aussprechen. Dieser Beitrag wurde unterstützt vom Sonderforschungsbereich 823 „Statistische Modellierung Nichtlinearer Dynamischer Prozesse“, im Rahmen des Projekts A3, „Dynamische Technologiemodellierung“.
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Frondel, M., Thomas, T. Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050? Klimapolitische Maßnahmen und Energieprognosen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Z Energiewirtsch 44, 195–221 (2020). https://doi.org/10.1007/s12398-020-00283-9
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