Zusammenfassung
Dieser Aufsatz befasst sich mit der Frage, ob die Marktintegration von Erneuerbaren Energien (EE), bei der gewünschten Geschwindigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren, gelingen kann. Hierfür müssten EE langfristig ohne staatliche Eingriffe ihre Vollkosten decken können. Im ersten Teil des Beitrags werden daher die langfristigen Erlöspotentiale von dargebotsabhängigen EE am wettbewerblich organisierten Strommarkt mithilfe eines hochaufgelösten, europäischen Strommarktmodells quantifiziert. Für die politisch gesetzten EE-Ausbauziele, der BMU-Leitstudie 2010, zeigen die Berechnungen, dass dargebotsabhängige EE wie Wind oder Photovoltaik sich aufgrund des Merit-Order-Effekts langfristig auch dann nicht an den existierenden Strombörsen finanzieren können, wenn ihre Vollkosten durch technologischen Fortschritt unter jene der fossilen Erzeugungsanlagen fallen. Dies gilt auch bei sehr hohen CO2-Preisen und steigendem Strompreisniveau aufgrund steigender Brennstoffpreise. Der zweite Teil des Aufsatzes diskutiert daher, inwieweit langfristig eine Ergänzung des Strommarktdesigns durch Instrumente wie dem Handel mit Grünstromzertifikaten oder Kapazitätsmärkte für EE die wettbewerbliche Finanzierung der EE ermöglicht. Im Fokus steht dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Instrumente eine Zunahme wettbewerblicher Preisbildung und dezentraler Marktentscheidungen darstellen.
Abstract
In this paper we address the issue of whether renewable energy sources can be integrated into power markets if the use of renewable energies is extended at the desired speed. Market integration means that renewable energy sources have to cover their full costs from revenues on competitive markets.
In the first part of this paper, we evaluate the long-term revenues of intermittent renewable energy sources using a high resolution power market model. Considering the renewable targets of the German lead study of 2010, we show that due to the merit order effect, intermittent renewable energy sources, such as wind power and photovoltaic, cannot be financed through power markets alone, even if their full costs fall below those of conventional power plants. This is also true for scenarios with high CO2-prices and increasing spot market prices. In the second part of this paper, we discuss whether in the long run additional instruments such as green certificates or capacity markets would allow for a more competitive financing of renewable energy sources. Center stage in the discussion is the question under which circumstances these instruments increase competitive pricing and decentralised market decisions.
Notes
Die Schwankungen in den historischen Marktwertfaktoren, insbesondere der Anstieg im Jahr 2010, sind Ergebnis der Schwankungen in den Einspeisemengen von Windenergie.
Da die Erzeugungsprognosen fluktuierender Energieträger mit der tatsächlichen Erzeugung nicht übereinstimmen, müssen die Vermarkter Ausgleichsenergiekosten bezahlen, welche den Marktwert fluktuierender EE weiter senken. In der hier vorgestellten Berechnung wurden Transaktionskosten i. H. v. 5 % am durchschnittlichen Großhandelspreis angenommen – folglich liegen die tatsächlich erzielbaren Marktwerte bei 46 % bis 63 % im Jahr 2050.
Allerdings erhalten die Anlagen nicht die Differenz zwischen ihren tatsächlichen Spotmarkterlösen und dem EEG; vielmehr wird ein ex post festgelegter Benchmarkt (EEX Baseload Kontrakt) in Ansatz gebracht.
Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob auf den existierenden Energy Only Märkten, bei sehr hoher Residuallast Preisspitzen auftreten können, die deutlich über den variablen Kosten der Grenzkraftwerke liegen und damit sichergestellt ist, dass die Grenzkraftwerke trotz weniger Einsatzstunden ihre Vollkosten erwirtschaften können. Grundsätzlich ist eine Finanzierung im Rahmen des aktuellen Marktdesigns zumindest denkbar, da regelbare Erzeugungsanlagen bei hoher Residuallast Preise über ihren Grenzkosten am Markt durchsetzen können. Nach eigenen Berechnungen auf Basis der in Abschn. 1 skizzierten Modellannahmen wären hierfür Preisspitzen von über tausend Euro pro MWh erforderlich, die die Politik zulassen müsste. Ferner müssten Investoren heute in diese zukünftigen – in der Historie äußerst selten beobachteten – Preisspitzen bei Milliardeninvestitionen in Kraftwerke vertrauen.
Dies erfolgt z. B. durch Call-Optionen auf die Kapazität und einem Nettobarausgleich, wobei der Halter der Option stets den Differenzbetrag zwischen dem Ausübungspreis und dem Spotmarktpreis bezahlen muss. Somit hat der Anlagenbetreiber stets den Anreiz, seine Anlage in Knappheitsituationen zur Verfügung zu stellen.
Zwar ist dieses Ergebnis nicht für alle denkbaren, extremen Entwicklungen von Brennstoffkosten, Kostendegressionen, Windprofilen und anderen maßgeblichen Ergebnistreiber gültig, doch sind die für diese Analyse unterstellten Preise öffentlich zugänglich, so dass wir mit diesem Beitrag die Diskussion stärken möchten.
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Kopp, O., Eßer-Frey, A. & Engelhorn, T. Können sich erneuerbare Energien langfristig auf wettbewerblich organisierten Strommärkten finanzieren?. Z Energiewirtsch 36, 243–255 (2012). https://doi.org/10.1007/s12398-012-0088-y
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