Im §1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes wird als Ziel eine „qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern“ genannt. Dieses Ziel ist bisher nicht überall erreicht. Infolgedessen wurde die Regierungskommission beauftragt, Vorschläge für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zu erarbeiten. In ihrer Stellungnahme für eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung schlägt sie drei Kernbestandteile vor [1]:

  1. 1.

    die Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level 1 bis 3),

  2. 2.

    ein System von Leistungsgruppen, die den Leveln zugeordnet werden, sowie

  3. 3.

    eine bedarfsgerechte und qualitätsorientierte Vorhaltefinanzierung.

Die onkologische Versorgung wird bislang in den Versorgungsleveln 2 und 3 verortet und soll in zertifizierten Zentren erfolgen.

Die explizite Ausweisung der Onkologie ist ein sehr zu begrüßender und zugleich notwendiger Ansatz in der Stellungnahme der Regierungskommission. Onkologische Erkrankungen sind häufig, sind für annähernd alle medizinischen Fachdisziplinen relevant und haben darüber hinaus weitere Besonderheiten, die sie von anderen Erkrankungen unterscheiden. Unter anderem erfordert die Behandlung der Betroffenen immer eine langfristige Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachdisziplinen und Berufsgruppen entlang des tumorspezifischen Patientenpfades: Von der Früherkennung, über Diagnostik und Therapie bis hin zur Nachsorge und Palliation. Die Behandlung erfolgt dabei stationär, auch in Kooperation zwischen Krankenhäusern, klinisch-ambulant oder ambulant. Entscheidend für gute Behandlungsergebnisse und Wirtschaftlichkeit sind die Qualifikation und Expertise der Behandelnden sowie die Qualität der Leistungserbringung in dem Netzwerk.

Aufgrund dieser Herausforderungen einerseits und der Chancen der Reform andererseits möchte die Arbeitsgruppe Onkologie der Ad hoc Kommission Versorgungsstrukturen in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) einen Umsetzungsvorschlag für die Onkologie vorlegen. Dieser soll – ganz im Sinne des Konzepts der Regierungskommission – die notwendige Qualität der onkologischen Behandlung sicherstellen und gleichzeitig die Komplexität und Dynamik der diagnostischen und therapeutischen Interventionen für die onkologischen Versorgungsstrukturen berücksichtigen.

Der Umsetzungsvorschlag der Arbeitsgruppe Onkologie der Ad hoc Kommission Versorgungsstrukturen, bestehend aus Vertretenden aller onkologisch tätigen Fachdisziplinen, geht von den Empfehlungen der Expertenkommission und dem Konzept der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus und fügt zu diesen die bisher fehlenden onkologischen Inhalte hinzu. Grundelemente des Vorschlages sind:

  • Weitere onkologische Leistungsgruppen (LG) für die medizinischen Fachdisziplinen werden den bestehenden Leistungsgruppen der Tabelle A1 in der 3. Stellungnahme der Regierungskommission zugeordnet, entsprechend den bereits enthaltenen Leistungsgruppen Dermato-Onkologie (LG 6.3) und Mamma-Ca (LG 3.1.2) (Abb. 1).

  • Leistungsbereiche (LB) für medizinische Querschnittdisziplinen werden neu in die Tabelle A1 der Stellungnahme aufgenommen, entsprechend dem bereits enthaltenen Leistungsbereich Palliativmedizin (LB 16.1–16.3) (Abb. 1).

  • Onkologische Leistungen sollen, wie bereits in der Stellungnahme vorgesehen, in Krankenhäusern ab Level 2 erbracht werden.

  • Die Leistungen sollen stationär, klinisch-ambulant und in Kooperation mit anderen Krankenhäusern und niedergelassenen Fachdisziplinen durchgeführt werden können.

  • Grundlage für die Definition der Leistungen und Mindestvorhaltungen in der Onkologie sind die Anforderungen, die den Zertifikaten der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. bzw. der Deutschen Krebshilfe zugrunde liegen, entsprechend der LG Senologie in der Krankenhausplanung NRW und dem Vorgehen für die Spitalplanung in der Schweiz.

Abb. 1
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a und b Auszug der onkologisch tätigen Leistungsgruppen (LG) aus Tabelle A1 aus der dritten Stellungnahme der Regierungskommission (S. 34 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/3te_Stellungnahme_Regierungskommission_Grundlegende_Reform_KH-Verguetung_6_Dez_2022_mit_Tab-anhang.pdf). Zu den bereits in der Tabelle enthaltenen onkologischen LG (weiß) wurden die fehlenden onkologischen LG und die fehlenden Leistungsbereiche (LB; 18–21) (rosa) hinzugefügt. Die Tabelle enthält aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die nicht-onkologischen LG, an die die onkologische LG angebunden ist. Es ist möglich, dass LB (gelb) weitere LG haben, die nicht in der Tabelle genannt sind

Der Umsetzungsvorschlag ist für die Beispielentitäten Lungen‑, Brust- und Darmkrebs in einer Matrix ausdifferenziert, die als Supplement dem Artikel hinzugefügt ist. Die Tabelle in Abb. 1 und die Matrix geben den derzeitigen Diskussionsstand wieder. Sie sind kein finales Produkt. Sie haben das Ziel zu zeigen, dass es möglich ist, die onkologische Versorgung über eine Kombination von Leistungsgruppen, -bereichen, Leveln und damit verbundenen Mindestvorhaltungen zu erfassen und eine Krankenhausreform zu gestalten.

Sowohl in der Stellungnahme der Regierungskommission als auch in der Krankenhausplanung in NRW wurden bereits vereinzelt onkologische Themen adressiert. Dieser Ansatz wurde in dem Vorschlag der AG Onkologie für alle Fachdisziplinen vervollständigt, so dass die Onkologie entsprechend ihrer quantitativen und ökonomischen Bedeutung vollständig abgebildet ist. Der Umsetzungsvorschlag fokussiert entlang des Patientenpfades auf die Kooperationen zwischen Fachdisziplinen, Berufsgruppen und Krankenhäusern bzw. Niedergelassenen.

Die Definition der Leistungen und Mindestvorhaltungen in den onkologischen Leistungsgruppen und -bereichen entspricht dabei den Anforderungen, die für eine erfolgreiche Zertifizierung als Zentrum der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. bzw. der Deutschen Krebshilfe erfüllt werden müssen. Damit wird eine effiziente und qualitätsgesicherte Versorgung der onkologischen Patientinnen und Patienten erreicht.

Ausgangspunkt für diese Vorschläge sind die Ergebnisse des Nationalen Krebsplanes der ein 3‑Stufen-Modell der onkologischen Versorgung in zertifizierten Zentren (Organkrebszentren, Onkologischen Zentren und Onkologischen Spitzenzentren) etabliert [2]. Das System wird von allen onkologisch tätigen Fachgesellschaften getragen und – vermittelt über die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe – kontinuierlich weiterentwickelt. Ein von allen Mitgliedern der sogenannten Zertifizierungskommissionen erstellter, leitlinienbasierter Anforderungskatalog und dazugehörige Qualitätsindikatoren bilden die Grundlage für die jährlichen Audits vor Ort, in denen fachkundige und speziell geschulte Fachärztinnen und Fachärzte die Versorgungsqualität beurteilen [3].

Die Wirksamkeit des Konzepts wurde unter anderem in der durch den Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Studie „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) nachgewiesen [4]. Bei 10 von 11 untersuchten Tumorentitäten zeigten sich dabei signifikante Überlebensvorteile, wenn die Patientinnen und Patienten in zertifizierten Zentren behandelt wurden. Die Ergebnisse bestätigen, was auch in anderen Studien bereits festgestellt wurde: In zertifizierten Zentren sind Mortalität und Morbidität (u. a. Komplikationsraten, R1-Resektionen) reduziert und das funktionelle Outcome der Patienten verbessert [5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15]. Folgerichtig hat der Innovationsausschuss eine Überführung der Ergebnisse in die Regelversorgung empfohlen [16]. Zudem konnte in einer Kosten-Effektivitäts-Analyse nachgewiesen werden, dass die Behandlung in einem zertifizierten Zentrum (hier: Darmkrebszentrum) mit niedrigeren Behandlungskosten einhergeht (−38.858 €/gewonnenem Lebensjahr/Pat.) [17].

In den zertifizierten Zentren werden mittlerweile jährlich ca. 60 % der Patientinnen und Patienten mit Erstdiagnose einer onkologischen Erkrankung behandelt. Mit Stand 12/2022 gab es 1685 Zentren in Deutschland, die an 436 Krankenhäusern angesiedelt waren [18]. Diese Zahl hat sich im Gegensatz zu der Anzahl der zertifizierten Zentren in den letzten Jahren nur geringfügig verändert (+10 Krankenhäuser seit 2017). Wir sehen also eine Konzentration der onkologischen Versorgungsstrukturen an Krankenhäusern, die eine umfassende onkologische Kompetenz haben.

Zudem zeigen die Auswertungen der Krankenhausstatistik für viele Tumorentitäten, dass die Krankenhäuser, die die quantitativen Vorgaben für die Anzahl an operativen Resektionen erfüllen und sich somit für eine Zertifizierung anmelden könnten, auch zertifiziert sind. Gleichzeitig gibt es bei den meisten Tumorentitäten die gleiche Anzahl und häufig sehr viel mehr Krankenhäuser, die die Vorgabe nicht erreichen und somit vor allem eine Gelegenheitsonkologie durchführen. Eine Herausforderung, die nicht nur in der Krankenhausreform, sondern auch in der Fortschreibung der Weiterbildungsordnung adressiert werden muss.

Am Beispiel der Pankreaskrebszentren stellt es sich wie folgt dar: Im Behandlungsjahr 2021 waren annähernd alle Krankenhäuser, die sich zertifizieren lassen können, auch zertifiziert, weil sie die quantitativen Vorgaben (20 Pankreasresektionen/Jahr, davon ≥ 12 bei PankreasCa) erfüllen (133 von 146 Krankenhäusern (Institutskennzeichen, IK), 91 %). Gleichzeitig gibt es 285 Krankenhäuser, die im Mittel 6 Pankreasresektionen bei PankreasCa/Jahr durchführen [19]. Diese Einrichtungen sind über die Zertifizierung nicht zu erreichen, weil sie (nicht einmal) die quantitativen Vorgaben erfüllen. Dies bedeutet, dass es neben der Konzentration der onkologischen Versorgung auf Krankenhäuser mit breiter onkologischer Kompetenz gleichzeitig an weiteren Standorten eine Gelegenheitsonkologie gibt, die in weiten Teilen mit schlechteren patientenrelevanten Outcomes und höheren Kosten verbunden sein dürfte. Die Umsetzung der dargelegten Vorschläge wird zu einer Abnahme der Gelegenheitsonkologie und einer weiteren Konzentration der onkologischen Versorgung auf Strukturen mit höherer Versorgungsqualität führen.

Ausgehend von der überzeugenden Stellungnahme der Regierungskommission für die Krankenhausvergütung und den Vorarbeiten aus NRW für die Krankenhausplanung stellen die onkologisch tätigen Fachgesellschaften mit diesem Positionspapier einen Umsetzungsvorschlag für die Onkologie vor. Dieser baut auf den flächendeckend implementierten Versorgungsstrukturen der zertifizierten Zentren auf, deren Wirksamkeit in verschiedenen Studien bestätigt wurde. Die in dem Vorschlag aufgeführten Mindestvorhaltungen, Leistungsgruppen und -bereiche haben ihre Umsetzbarkeit in der Praxis somit bereits nachgewiesen. Sie können im Sinne eines „Use case Onkologie“ für eine erfolgreiche Krankenhausreform genutzt werden und damit eine „qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig[en] […] Krankenhäusern“ (§1 KHG) ermöglichen.