Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

alle möchten gesünder leben, aber niemand möchte sich verändern. So in etwa könnte man eine der häufigsten Barrieren für eine gelungene Prävention zusammenfassen – unabhängig davon, ob es sich um Primärprävention, Sekundärprävention oder Tertiärprävention handelt. Langfristige Verhaltensänderungen stellen für die meisten Menschen eine große Herausforderung dar. Warum aber ist es so schwer, sein Gesundheitsverhalten wirklich zu verändern, obwohl die Vorteile auf der Hand liegen?

Es ist wirksamer, zunächst eine Verhaltensweise zu verändern als viele gleichzeitig

Für eine Verhaltensänderung benötigen wir zunächst viele psychische Ressourcen, die über das alleinige Problembewusstsein, „eigentlich etwas tun zu müssen“, hinausgehen. Motivation, Aufmerksamkeit und ein gewisses Maß an Selbstkontrolle beispielsweise, aber auch Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, unsere guten Intentionen in die Tat umzusetzen. Und: Unser Alltag geht weiter, wir können viele Bereiche unseres Lebens nicht einfach ignorieren, wie es vielleicht über einen kurzen Zeitraum möglich ist, z. B. in den Sommerferien. Die meisten Menschen nehmen sich zu viel auf einmal vor, aber unsere Ressourcen, auf die wir angewiesen sind, um uns zu verändern, sind begrenzt. Deshalb ist es wirksamer, zunächst eine Verhaltensweise zu verändern als viele gleichzeitig.

Für eine längerfristige Verhaltensänderung ist es wichtig, den Prozess der Verhaltensänderung im Alltag über einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen. Dysfunktionale Kognitionen, d. h. „Denkfehler“ wie ein Alles-oder-Nichts-Denken, führen dazu, unsere guten Vorsätze schon bei kleineren Abweichungen über Bord zu werfen und aufgrund des vermeintlichen Scheiterns und unserer Frustration darüber in unsere alten Gewohnheiten zurückzufallen. Es wird immer Tage, Aufgaben und Anlässe geben, bei denen wir unsere guten Vorsätze in den Hintergrund schieben müssen. Dies sollte uns aber nicht davon abhalten, unsere längerfristig gesteckten gesundheitlichen Ziele im Auge zu behalten und weiter „dranzubleiben“. Und zwar am besten mit konkreten, messbaren und realistischen Maßnahmen, ganz gleich, ob es um mehr Bewegung, gesündere Ernährung, Entspannung und Stressbewältigung oder um Gewohnheiten wie das Rauchen geht.

Zum Prozess der Verhaltensänderung gehört auch, sich zu informieren und kompetent zu werden sowie bei Bedarf Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Gemeinsam lässt sich vieles leichter umsetzen als allein. Und last but not least: Unangenehme Emotionen wie Angst oder Schuldgefühle sind ein schlechter Motivator für dauerhafte Veränderungen. Schlüssige Beweggründe, mit denen der Einzelne sich identifizieren kann, und der Fokus auf positive, angenehme Emotionen, die mit dem neuen Verhalten verbunden sind, werden sich längerfristig positiv auf das Gesundheitsverhalten auswirken.

Vorbeugen ist besser als heilen! Obwohl dieser Gedanke allgemein akzeptiert ist, hat er noch zu wenig Eingang in unser praktisches Handeln in unserem Gesundheitssystem gefunden.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und neue Erkenntnisse beim Lesen der interessanten und anregenden Beiträge dieses Heftes zum Thema Prävention.

Ihre

Anja Mehnert-Theuerkauf