Wenn dieses Heft erscheint, ist der neue Bundestag gewählt und die Koalitionsverhandlungen haben vermutlich begonnen. Zu den Topgesundheitsthemen der neuen Legislaturperiode wird noch immer die COVID-19-Pandemie zählen. Dazu kommen neue Fragen, etwa die nach den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, die auch bei uns inzwischen unmittelbar spürbar sind. Darüber hinaus blieb in der letzten Legislaturperiode vieles liegen. Vor allem im Bereich der Digitalisierung hinken wir im internationalen Vergleich hinterher. Das liegt u. a. am Investitionsstau, der sich über lange Zeit aufgebaut hat, weil Länder und Kommunen den Krankenhäusern jedes Jahr mehrere Milliarden Euro schuldig bleiben. Im stationären Bereich leidet die Krankenversorgung außerdem an einem Überangebot an Häusern in Ballungszentren, einer Versorgungslücke auf dem Land und einem nach wie vor großen Mangel an Pflegekräften.

Der finanzielle Druck, der allein durch die COVID-19-Pandemie für Staat, Bürger*innen und unser Gesundheitssystem entsteht, ist noch nicht in allen Einzelheiten absehbar. De facto verschlechtert sich aber derzeit die Lage der gesetzlichen Krankenkassen. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen melden für das erste Halbjahr ein Defizit von 1,6 Mrd. €. Da sich laut AOK-Gemeinschaft für die zweite Jahreshälfte eine weitere Kostensteigerung abzeichnet, rechnet sie bis Jahresende mit einem Defizit von weit mehr als 4 Mrd. €.

Für die Krebsmedizin hat es in der vergangenen Legislaturperiode durchaus positive Entwicklungen gegeben: 2019 fiel der Startschuss für die vom Bundesministerium für Forschung und Bildung sowie vom Bundesgesundheitsministerium initiierte Nationale Dekade gegen Krebs mit dem Ziel, die Krebsforschung zu stärken. Das Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten soll künftig dafür sorgen, dass Informationen aus den Landeskrebsregistern zentral gebündelt und damit auch für die Versorgungsforschung besser zugänglich werden. Mit den Zentrumsregelungen des Gemeinen Bundesausschusses und den Verträgen für die integrierte Versorgung nach § 140 SGB V wurden Finanzierungsmöglichkeiten für den zusätzlichen Aufwand bei einer qualitativ hochwertigen Krebsversorgung an den von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Zentren geschaffen.

Auch bei der bereits im Nationalen Krebsplan geforderte Regelfinanzierung der ambulanten Krebsberatungsstellen sind wir einen Schritt weitergekommen. Dank des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes erstatten Kassen rückwirkend zum Januar 2021 80 % der Kosten für psychosoziale Beratungen; 15 % der Kosten sollen über die Länder gedeckt und 5 % durch Eigenmittel der Beratungsstellen getragen werden. Ein Schritt in die richtige Richtung, der jetzt allerdings durch die Qualitätskriterien, die der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen für die Förderung voraussetzt, möglicherweise an Wirkung verliert. Denn die Fördergrundsätze gehen nur auf einen Teil des Leistungsspektrums von Krebsberatungsstellen als niederschwellige regionale Anlaufstelle für Ratsuchende ein. Dabei sollen künftig auch Klinikbetreiber als Träger der ambulanten Krebsberatung infrage kommen. Das ist sicher nur dann sinnvoll, wenn sie ihre Beratungsstellen im Arbeitsablauf klar strukturell und räumlich von stationären Diensten trennen und für alle potenziell Ratsuchenden einer Region offenhalten. Ohne solche klaren Regelungen stellt sich die Frage, ob das neue Gesetz wirklich eine bessere Beratungssituation für die Betroffenen schafft – oder vielmehr (Fehl)-Anreize setzt, um die Krebsberatung zur besseren Bindung der Patient*innen an das eigene Krankenhaus zu nutzen.

Ich wünsche mir von der Politik in der kommenden Legislaturperiode den Mut, Versorgungsthemen grundsätzlich anzugehen und dabei die Qualität und den Patientennutzen im Blick zu haben. 500.000 Krebsneuerkrankungen jährlich sind keine Kleinigkeit für ein Gesundheitswesen. Wir brauchen auch weiterhin die Förderung der Krebsforschung und Maßnahmen zur Wissen generierenden onkologischen Versorgung, wie sie gerade in Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs angedacht und entwickelt werden. Die begonnenen Ansätze sollten keinem Sparzwang zum Opfer fallen.