Wer würde sich heute auf Flugreise begeben ohne die Sicherheit digitaler Systeme, welche die Arbeit der Piloten und Fluglosten unterstützen? Und wer nutzt noch heute den „Brockhaus – Enzyklopädie in 30 Bänden“, um seinen Wissendurst im Alltag zu stillen? Der Alltag ist längst durchdrungen von digitaler Steuerung und Unterstützung. So auch die Medizin. Viele Prozesse und Technologien sind weitverbreitet, täglich genutzt und gesellschaftlich akzeptiert. Beispiele sind die Computertomographie und lebensunterstützende Technologien in der Intensivmedizin.

Studierende der Autumn School für Medizin-Studierende der Deutschen Krebsgesellschaft äußerten, dass eine Motivation, eine Tätigkeit im Ausland der Berufsausübung in Deutschland vorzuziehen die unzureichende Ausstattung deutscher Krankenhäuser mit leistungsfähigen digitalen Unterstützungssystemen sei. Dies führe zu umständlichen Arbeitsprozessen, vermehrtem administrativem Aufwand für Ärzte und Pflegende und zu schlechterer Patientensicherheit.

Künstliche Intelligenz (KI), zu der u. a. das Analysieren großer Datensätze, Mustererkennung, maschinelles Lernen, Robotik und Modellierung zählen, ist zu einer treibenden Technologie des 21. Jahrhunderts geworden. Thomas Neumuth führt in diesem FORUM aus, dass KI-Anwendungen mittlerweile für nahezu alle Abschnitte des onkologischen Workflows, von der translationalen Forschung über die Diagnostik bis hin zur Therapieunterstützung, entwickelt wurden. Einer der vielversprechendsten Bereiche ist die computergestützte Analyse von Bildgebung. Dies illustrieren Anwendungsbeispiele aus der klinischen Medizin wie die KI-gestützte Diagnosefindung bei malignen Hautläsionen. Dermatoskopische Aufnahme können mit entsprechenden Malignitätsscores versehen werden, welche durch in Europa bereits zugelassene neuronale Netzwerk errechnet werden (Beitrag Holger Haenssle). Desgleichen finden intelligente Befundungssysteme Eingang in die radiologische Forschung und Diagnostik (dazu Karl Hahn: Radiomics & Deep Learning: Quo Vadis?).

Alle Autoren betonen die technologischen, regulatorischen und ethischen Herausforderungen der KI in der Medizin. Konsens besteht darüber, dass nicht alle computergenerierten Arbeitsergebnisse noch für den Menschen nachvollziehbar sein werden. Auch scheint derzeit ein Konsens darüber zu bestehen, dass für endgültige Diagnose- und Therapieentscheidungen das menschliche Urteilsvermögen bislang unverzichtbar ist. Nicht zuletzt müssen wir auch anerkennen, so K Hahn, dass wir oftmals Computersystemen deutlich kritischer gegenüberstehen als menschlichen Fehlerquellen. Es ist festzustellen, dass wir noch keine klare Haltung zu den Fehlern der künstlichen Intelligenz erlangt haben, während der Umgang mit menschlichen Fehlern zu unserem Alltag gehört.

Zurück in die klinische Praxis: Friedrich Overkamp erläutert, wo schon heute digitale Systeme die Gesundheit von Patienten fördern und die Arbeit von Ärzten und Pflegenden unterstützen. Telemedizinische Verfahren wie Videosprechstunden, Teletumorboards und digitales Follow-Up sind technisch problemlos realisierbar: Es scheint mancherorts ausschließlich der Insuffizienz von Krankenhaus-IT-Abteilungen geschuldet, flankiert von Datenschutzbedenkenträgern, dass diese Prozesse nicht längst zum flächendeckend gelebten Alltag gehören. Dabei hat das digitale Monitoring von Patient-reported outcomes in großen Forschungsprojekten sogar zu verbesserten Überlebenschancen von krebskranken Menschen beigetragen. Auch digitalisierte Therapieprotokolle (Beitrag Hartmut Link) können die Fehlerrate von Therapieverordnungen und damit die Patientensicherheit wirksam verbessern.

Wir stehen in Verantwortung für eine gute Medizin in Deutschland. Der internationale Wettbewerb um die besten Ärzte und Pflegenden, sowie unsere Mission, Krebs wirksam vorzubeugen und Patienten effizient und sicher zu diagnostizieren und zu behandeln, erfordern ein pro-aktives und kritisches Mitwirken an der digitalen Revolution in der Onkologie.

Ihr

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Florian Lordick