Das Thema Cancer Survivorship – Leben mit und nach einer Krebserkrankung – ist hochaktuell. Krebs ist für viele Patientinnen und Patienten zu einer chronischen Erkrankung geworden. Trotz dieser hoffnungsvoll stimmenden Entwicklung bedeutet Leben mit und nach einer Krebserkrankung aber auch ein Leben mit vielfältigen körperlichen und psychosozialen Folgestörungen und Problemlagen. Diese Entwicklungen und Herausforderungen werden im Nationalen Krebsplan aufgegriffen, wie zum Beispiel durch die Implementierung der Arbeitsgruppe „Langzeitüberleben nach Krebs“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Die Handlungsfelder der wissenschaftlichen, klinischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen im Rahmen des Cancer Survivorship-Paradigmas sind groß und konzentrieren sich im Sinne eines biopsychosozialen Modells auf die Sekundär- und Tertiärprävention sowie das Management neuer, wiederkehrender oder anhaltender Folgestörungen und Problemlagen. Einige davon möchten wir in diesem Heft näher beleuchten.

Wer ist ein Krebsüberlebender? Volker Arndt vom Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg gibt einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der Prävalenzraten in Deutschland und fasst die international etablierten Definitionen von Cancer Survivorship sowie die unterschiedlichen Konzepte, auf denen sie basieren, zusammen.

Dass die Rückkehr in den Alltag nach Therapieende für viele Krebsüberlebenden eine große Herausforderung darstellt, zeigt eindrücklich der Beitrag von Sabine Schreiber und Susannah Goss von der Interessenvertretung und Selbsthilfe für Krebsüberlebende im erwerbsfähigen Alter „Leben nach Krebs!“. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf die psychosozialen, medizinischen und systembedingten Herausforderungen nach einer Krebserkrankung aus der Perspektive der Patienten unter dem Titel „Geheilt doch nicht gesund“. Die Erfahrungen der Betroffenen zeigt auch der Beitrag von Katrin Mugele und Iris Meumann, die über den Umgang mit Cancer Survivorship in der Öffentlichkeit am Beispiel des German Cancer Survivors Day der Deutsche Krebsstiftung berichten.

Oliver Rick und Kolleginnen beschreiben in ihrem Beitrag ausgewählte körperliche Langzeitfolgen und Funktionsstörungen, die die Lebensqualität der Betroffenen einschränken und die Alltagsbewältigung, einschließlich der Rückkehr an den Arbeitsplatz, erschweren. Dazu zählen vor allem strahlentherapeutische Folgen, die zytostatikainduzierte Polyneuropathie sowie kognitive Dysfunktionen. Der Beitrag zeigt wichtige rehabilitative Bedarfe in diesem Bereich auf.

Krebsüberlebende sind aber nicht nur mit körperlichen, sondern auch mit vielfältigen psychosozialen Problembereichen konfrontiert. Peter Esser und Katharina Kuba identifizieren typische und häufige Belastungen wie die psychische Komorbidität und hier insbesondere Ängste vor einem Wiederauftreten oder Fortschreiten der Erkrankung (Progredienzangst) und depressive Störungen, soziale Herausforderungen wie ein Verlust sozialer und beruflicher Rollen und finanzielle Sorgen sowie existenzielle Belange wie Fragen nach dem Lebenssinn.

Die Forschung und Versorgung Krebsüberlebender fokussiert sich aber auch auf spezifische Survivorship-Gruppen wie z. B. die CAYAs, d. h. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs, die spezifische Problemlagen und Versorgungsbedürfnisse haben. Die Arbeitsgruppe um Judith Gebauer und Thorsten Langer beleuchtet die Langzeit-Nebenwirkungen und Spätfolgen bei Überlebenden kindlicher Krebserkrankungen und stellt in ihrem Beitrag darüber hinaus den Bedarf an multidisziplinären Versorgungsstrukturen für die Transition und Langzeitnachsorge der Betroffenen dar.

Der Beitrag zu Forschungsperspektiven bei Langzeitüberlebenden nach Krebs illustriert das breite Spektrum an Themen und Herausforderungen der nächsten Jahre, die eine hohe interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Alle Beiträge zeigen zum einen, dass die körperlichen und psychosozialen Probleme und Funktionsstörungen nicht isoliert voneinander betrachtet werden sollten, sondern eng verknüpft sind und einander bedingen. Zum anderen verdeutlichen sie den hohen Forschungsbedarf auf diesem Gebiet: Neue Erkenntnisse über das Krebsüberleben und die damit verbundenen bio-psycho-sozialen Folgen, die Entwicklung und Implementierung von risikoadaptierten multidisziplinären Survivorship-Care-Plänen und die Stärkung der Patienten- wie Gesundheitskompetenz sind wesentliche Voraussetzungen für die Verbesserung der Versorgung und der Lebensqualität für Betroffene und ihre Angehörigen.

Ich wünsche Ihnen neue Erkenntnisse und Inspiration beim Lesen!

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Anja Mehnert-Theuerkauf