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Feintuning im Recht der Lebensversicherung zu § 169 Abs. 5 VVG – Neues zum Stornoabzug bei Einmalbeiträgen sowie zu separaten Abschlusskostenvereinbarungen

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Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

Zusammenfassung

Der erste Teil des Beitrags gilt dem sog. Stornoabzug. Das schon totgesagte Instrument ist wegen des explosionsartigen Anstiegs von Lebensversicherungen gegen Einmalbeiträge erneut in die Diskussion geraten. Dieser Anstieg wird getrieben von den verglichen mit den Zinseinkünften für sichere Anlagen hohen Erträgen in der Lebensversicherung. Da auch bei Einmalbeitragsversicherungen das Recht des Versicherungsnehmers nach § 168 VVG zur jederzeitigen Kündigung der Lebensversicherung unabdingbar ist, wird eine Spekulation gegen das Versichertenkollektiv möglich. Hiervon alarmiert hat die BaFin „angemessene Stornoabschläge“ im Einmalbeitragsgeschäft gefordert. In der Literatur wird ein pauschalierter kapitalmarktinduzierter Stornoabzug in Höhe von 0,2 Prozentpunkten von der Gesamtverzinsung für jedes Jahr, welches der Einmalbeitragsvertrag vor Ablauf von 10 Jahren gekündigt wird, favorisiert. Dem kann man grundsätzlich folgen. Der Abzug ist freilich aus prinzipiellen Erwägungen deutlich geringer anzusetzen als vorgeschlagen, nämlich mit 0,1 Prozentpunkten je Jahr. De lege ferenda kommt als Alternative eine Einschränkung des Kündigungsrechts für Einmalbeitragsversicherungen in Betracht.

Der zweite Teil des Beitrags betrifft die Abschlusskosten. Das LG Rostock hat entschieden, eine separate Kostenausgleichsvereinbarung, nach der der Versicherungsnehmer die Raten für die Abschlusskosten auch nach einer Kündigung der Lebensversicherung weiterzahlen muss, sei ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 S. 2 VVG und daher unwirksam. Dem ist nicht zu folgen. Eine sorgfältige Auslegung der Vorschrift ergibt nämlich, dass das Gesetz nicht generell ein Ergebnis verbietet, hier also die Absenkung des Rückkaufswertes unter den von § 169 Abs. 3 VVG vorgegebenen Wert. Vielmehr ist das Ergebnis nur dann verboten, wenn es auf dem intransparenten Weg über eine Verrechnung der Kosten mit den gezahlten Versicherungsprämien erzielt wird. Der Standpunkt des LG Rostock ist damit contra legem. Eine Änderung ist allein dem Gesetzgeber vorbehalten, der aber gut beraten ist, die tatsächliche Entwicklung eine gewisse Zeit lang zu beobachten. Der Versicherungsnehmer wird durch dieses Ergebnis nicht schutzlos gestellt. Häufig wird die Beratungshaftung des Versicherers und seiner Vermittler zu seinen Gunsten eingreifen.

Abstract

The first part of this article deals with surrender charges. Due to the incredible increase of single premium life assurances this already written off instrument came back to discussion. The increase is based on the high income within the range of life assurances compared to interest income for safe investments. Speculations against to the collective of insured become possible as the right of the policyholder to notice a life assurance at any time, § 168 VVG, is inalienable, even concerning single premium assurances. Alerted by that, the Federal Financial Supervisory Authority (“BaFin”) demands appropriate surrender charges within the single premium matters. However, literature prefers a surrender charge caused by capital market which is consolidated into a lump sum to the amount of 0,2 per cent regarding the total payment of interest, for each year by which the single premium contract is going to be terminated before expiring after 10 years. This point of view can basically be followed. For reasons of principle consideration, the surrender charge must certainly be determined significantly lower than proposed, namely with 0,1 per cent each year. De lege ferenda, the alternative to make restrictions to the right to give notice for single premium assurances may be taken into consideration.

The second part of this article deals with acquisition costs. The regional court of Rostock considers a separate agreement relating to cost averaging—whereby the policyholder must continue to pay the instalments for the acquisition costs even after the termination of the life assurance—to be a “Umgehungsgeschäft” (evasive transaction) to § 169 V 2 VVG and is for that reason void. This cannot be followed. A thoroughly interpretation of the provision shows that it does not prohibit the result, namely the deduction of the surrender value below the value which is determined by § 169 III VVG. The result is rather then prohibited when it is achieved by the non-transparent way of a set off of the costs with the paid assurance premium. That point of view of the regional court of Rostock is therefore contra legem. As the right to modify law is reserved to the legislative authority, it is well advised to observe the actual development for a certain period of time. In regard to that result the policyholder is not made vulnerable. Oftentimes, the liability for consulting activities of the insurer and his intermediaries will interfere in his favour.

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Notes

  1. BT-Drs. 16/3945 S. 104.

  2. Jaeger, VersR 2002, 133, 141; Versicherungsrechts-Handbuch/Brömmelmeyer, 2. Aufl. 2009, § 42 Rn. 177.

  3. Prölss/Martin/Reiff, VVG, 28. Aufl. 2010, § 169 Rn. 60.

  4. Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1127 f.

  5. So der Titel des Beitrags von Hanus, ZfV 2010, 532: Der Stornoabschlag – Wiederauferstehung eines Totgeglaubten.

  6. Siehe erneut den Titel des Beitrags von Hanus, ZfV 2010, 532.

  7. Sinß, VW 2010, 1656; Zimmerer, VW 2012, 12. Im Jahre 2011 sank das Einmalbeitragsgeschäft leicht um 17,5 % auf 22 Mrd. Euro; Brüss, VW 2012, 246.

  8. So der Titel des Beitrags von Surminski, ZfV 2010, 204.

  9. Hierzu und zum Folgenden Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1128 f.

  10. Rundschreiben der BaFin 08/2010 (VA) – Hinweise zu Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag und zu Kapitalisierungsgeschäften (VA 21-I4209-2010/0002) vom 7.9.2010.

  11. Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zu § 153 VVG BT-Drs. 16/3945 S. 97; vgl. ferner BVerfG VersR 2005, 1127, 1134; BGH VersR 2005, 1565, 1571 Rn. 60.

  12. Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1128 bei Fn. 22; Hanus, ZfV 2010, 532; MünchKomm VVG/Mönnich § 169 Rn. 119.

  13. MünchKomm VVG/Mönnich, § 169 Rn. 119; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann, VVG, 2. Aufl. 2010, § 169 Rn. 91; Versicherungsrechts-Handbuch/Brömmelmeyer a.a.O. (Fn. 2) § 42 Rn. 177.

  14. Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1128 ff.

  15. Hierzu und zum Folgenden Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1131 f.

  16. Rundschreiben der BaFin vom 7.9.2010 a.a.O. (Fn. 10).

  17. Zu ihnen Schwintowski, VersR 2010, 1126, 1128 f.

  18. So die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/3945 S. 103.

  19. Prölss/Martin/Reiff a.a.O. (Fn. 3) § 169 Rn. 58; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann a.a.O. (Fn. 13) § 169 Rn. 89.

  20. LG Rostock, Urt. v. 6.8.2010 BeckRS 2010, 19448 = NJW-RR 2010, 1694 = r+s 2011, 170. Ähnlich jetzt AG Lahr, Urt. v. 5.1.2012 BeckRS 2012, 3076.

  21. Schwintowski, ZfV 2011, 96 ff. und 134 ff.; Frohnecke, VW 2011, 268 f. und r+s 2011, 171; Leithoff, VW 2011, 654 und ZfV 2011, 235, 237 f.; zum Urteil auch MünchKomm VVG/Mönnich § 169 Rn. 90 und Looschelders/Pohlmann/Krause, VVG, 2. Aufl. 2011, § 169 Rn. 51.

  22. So die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/3945 S. 53 und 102.

  23. LG Rostock a.a.O. (Fn. 20).

  24. Der Wortlaut der Vereinbarung ist im Tatbestand nicht wiedergegeben, wohl aber bei Schwintowski, ZfV 2011, 96.

  25. Auch die Zahlungsausfallversicherung ist nicht im Tatbestand des Urteils erwähnt, sondern nur bei Schwintowski, ZfV 2011, 96.

  26. Nachweise bei Schwintowski, ZfV 2011, 96 in Fn. 6 ff.

  27. AG Köln, Urt. v. 3.11.2010, 118 C 186/10, zitiert nach juris; hierzu Schubach, jurisPR-VersR 5/2011 Anm. 5.

  28. Schwintowski, ZfV 2011, 96 ff. und 134 ff.; ebenfalls kritisch Frohnecke, VW 2011, 268 und r+s 2011, 171; Looschelders/Pohlmann/Krause a.a.O. (Fn. 21) § 169 Rn. 51.

  29. Leithoff, ZfV 2011, 235, 237 f. und VW 2011, 654; dem LG Rostock folgen auch MünchKomm VVG/Mönnich, § 169 Rn. 90 und Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 169 Rn. 36.

  30. Vgl. jetzt aber Schumacher, Der Rückkaufswert in der Lebensversicherung, 2012, S. 223.

  31. Vgl. zum ähnlich gelagerten Fall der Vermittlung einer Nettopolice durch einen Versicherungsmakler die Argumentation des BGH zu § 134 BGB in BGHZ 162, 67, 73 f. unter II 4 = VersR 2005, 406, 407.

  32. MünchKomm BGB/Armbrüster, 6. Aufl. 2012, § 134 Rn. 11.

  33. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 40 Rn. 31; Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, § 17, 5; S. 350 f.

  34. MünchKomm BGB/Armbrüster a.a.O. (Fn. 32) § 134 Rn. 17; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 134 Rn. 28.

  35. Schwintowski, ZfV 2011, 134 f. und Frohnecke, VW 2011, 268 einerseits sowie Leithoff, ZfV 2011, 235, 237 andererseits.

  36. BT-Drs. 16/3945 S. 104.

  37. BT-Drs. 16/3945 S. 53.

  38. BT-Drs. 16/3945 S. 102.

  39. Leithoff, ZfV 2011, 235, 237.

  40. Abschlussbericht der VVG-Kommission vom 19.4.2004, Heft 25 der VersR-Schriftenreihe, S. 114, wonach der einzelne Versicherer nicht gehindert ist, zusätzlich zu den Prämien eine offen ausgewiesene Abschlussgebühr einzuführen, die dann im Fall der Kündigung verloren wäre.

  41. Römer/Langheid a.a.O. (Fn. 29) § 169 Rn. 36.

  42. MünchKomm BGB/Schürnbrand, 6. Aufl. 2012 § 491a Rn. 1.

  43. LG Rostock a.a.O. (Fn. 20). Zu Recht kritisch hierzu Schumacher a.a.O. (Fn. 30) S. 223.

  44. Prölss/Martin/Reiff a.a.O. (Fn. 3) § 166 Rn. 1.

  45. LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 5.4.2011, 1 T 71/11, BeckRS 2011, 12746.

  46. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann a.a.O. (Fn. 13) § 169 Rn. 62, wo ausgeführt wird: „Der Gesetzgeber geht von der Zulässigkeit einer separaten Vergütung der Abschlusskosten aus.“

  47. Leithoff, ZfV 2011, 235, 239.

  48. Zu diesem Problemkreis, der manche Parallelen aufweist, eingehend Reiff, VersR 2012, 645.

  49. Schwintowski, ZfV 2011, 134, 137 plädiert für ein Nachdenken des Gesetzgebers, wenn in Zukunft der Marktanteil von Nettopolicen stark wächst und ebenso die Stornoquoten.

  50. Hierzu MünchKomm VVG/Armbrüster Vor §§ 6, 7 Rn. 9.

  51. So Schubach jurisPR-VersR 5/2011 Anm. 5.

  52. Hierzu und zum Folgenden Versicherungsrechts-Handbuch/Reiff a.a.O. (Fn. 2) § 5 Rn. 129 ff.

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Reiff, P. Feintuning im Recht der Lebensversicherung zu § 169 Abs. 5 VVG – Neues zum Stornoabzug bei Einmalbeiträgen sowie zu separaten Abschlusskostenvereinbarungen. ZVersWiss 101, 477–491 (2012). https://doi.org/10.1007/s12297-012-0206-2

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