Fragen rund um die Befugnisse und Einflussmöglichkeiten von politischen Akteuren in Spitzenpositionen der Exekutive zählen in der politikwissenschaftlichen Forschung seit jeher zu den zentralen Untersuchungsgegenständen im Kontext der Analyse unterschiedlicher politischer Systeme. Zentral ist dabei die Frage, was letzten Endes über politische Ergebnisse entscheidet: Sind es zum einen die institutionellen Strukturen, die den Handlungsrahmen für die politischen Akteure vorgeben? Sind es zum anderen diese Akteure selbst, die am Ende verbindlich entscheiden, aber dies in einem spezifischen institutionellen Kontext tun? Oder müsste man nicht beide Perspektiven miteinander verbinden? Genau hier setzt der Politikwissenschaftler Carsten Anckar mit seinem jüngsten Buch „Presidents, Monarchs and Prime Ministers. Executive Power Sharing in the World“ an. Er konzentriert sich in seiner Untersuchung auf die institutionelle Seite dieses Themas, indem er unter Berücksichtigung einer globalen Perspektive unterschiedliche Systemtypen, und hier insbesondere diejenigen mit einer doppelten Exekutive, in den Blick nimmt.

In seiner Einführung stellt Anckar heraus, dass es seit jeher zu den besonderen Interessen vieler politikwissenschaftlicher Autoren wie etwa Linz, Lijphart und Sartori, aber auch Shugart und Carey zählt, politische Systeme zu analysieren, die sich zwischen den binär angelegten Polen parlamentarischer und präsidentieller Systeme befinden. Häufig wird in diesem Kontext in Anlehnung an Maurice Duverger von semi-präsidentiellen Systemen gesprochen (vgl. S. 1). Gerade außerhalb der englischsprachigen Welt stieß dies auf Interesse, vor allem, so vermutet der Autor, weil dieser Regierungsformtyp vor allem abseits der angelsächsischen Welt anzutreffen war und ist (vgl. ebd.). Neuerliches Interesse wurde diesem Forschungszweig entgegengebracht, als in den 1990er-Jahren vor allem Länder in Mittel- und Osteuropa, aber auch in den sich transformierenden Staaten in Afrika und Asien diesen Systemtyp implementierten.

Nach Duverger werden semi-präsidentielle Systeme von den folgenden Faktoren geprägt: 1. Der Präsident ist direkt gewählt. 2. Er besitzt beträchtliche Befugnisse („quite considerable powers“) und 3. ihm steht ein Premierminister entgegen, der vom Vertrauen des Parlaments abhängig ist, sprich: von diesem abgesetzt werden kann. Und hier setzt die Kritik Anckars an: Was genau ist unter dem recht unspezifischen Begriff der „quite considerable powers“ zu verstehen, denn er „could mean more or less anything“ (S. 2)? Und sollten diese Befugnisse an der verfassungsrechtlichen Grundlage oder an der politischen Praxis festgemacht werden? Die Lösung von Shugart und Carey war, sich vom Begriff des Semi-Präsidentialismus komplett zu verabschieden und stattdessen auf „premier-presidentialism“ und „president-parliamentarism“ zu setzen (in letzterem Fall ist es dem Präsidenten möglich, die Regierung abzusetzen, in ersterem nicht). Die beiden genannten Autoren offerierten aber eine weitere Innovation: aus der Sicht der Prinzipal-Agent-Theorie setzten sie eine Direktwahl des Präsidenten voraus. Elgies Definition griff diesen Aspekt auf und vernachlässigte die Power-Dimension komplett. Dies ging aus der Sicht Anckars auch mit Nachteilen einher: „A country with a non-popularly elected, but very powerful president is automatically classified as parliamentary whereas a country with a popularly elected president. Holding ceremonial powers only, is regarded as semi-presidential“ (S. 3).

Diese Überlegungen dienen Anckar als Ausgangspunkt für seine Studie, doch er betont zugleich, dass das dem Buch zugrundeliegende Konzept der doppelten Exekutive deutlich weiter angelegt ist als das des Semi-Präsidentialismus. Viele hybride Systeme können laut Siaroff – unabhängig von einer engen oder weiten Definition des Semi-Präsidentialismus – von diesem analytisch nicht erfasst werden.

In diesem Kontext erläutert Anckar drei zentrale Aspekte, die seine Untersuchung kennzeichnen: Erstens geht das Buch im Sinne breiterer Sets an „Powersharing“ über das Konzept des Semi-Präsidentialismus hinaus. Zweitens greift es einen sehr umfangreichen Untersuchungszeitraum auf, indem es alle demokratischen Doppel-Exekutiven von 1850 bis 2019 berücksichtigt. Und drittens liegt der Fokus auf einer großen Bandbreite von tatsächlichen Befugnissen des Staatspräsidenten statt auf den verfassungsmäßigen Grundlagen (vgl. ebd.). Damit versucht Anckar vier Ziele zu erreichen: Zunächst sollen die Fallbeispiele aufgrund ihrer Direktwahl und ihrer Zuständigkeiten klassifiziert werden. Dann soll erklärt werden, wie unterschiedliche Typen von Doppel-Exekutiven entstehen konnten. Schließlich sollen Transformationsmuster entlang der Dimensionen Amtsübernahme (Direktwahl oder nicht) und Machtbefugnisse des Staatspräsidenten zusammengetragen werden. Und schließlich soll am Ende erklärt werden, wie (und woran) doppelte Exekutiven „sterben“ können (vgl. S. 3f.).

Im zweiten Kapitel klassifiziert der Autor unterschiedliche politische Regime. Dies erfolgt zunächst mit Blick auf autoritäre Regime, bei denen er vor allem auf institutionelle Charakteristika abhebt (vgl. S. 23), um sich anschließend demokratischen Regimen zuzuwenden. In einer finalen Passage dieses Kapitels erörtert Anckar die spezifischen Schwierigkeiten, Regime auch wirklich zu klassifizieren. Bezüglich demokratischer Regime knüpft der Autor insbesondere an Shugart und Carey, Sartori und Lijphart an (vgl. S. 32ff.). Besonderes Augenmerk legt der Autor hier auf diejenigen Systeme, die sich nicht eindeutig einem parlamentarischen oder einem präsidentiellen Typ zuordnen lassen (vgl. S. 22). Gerade in der Gegenüberstellung dieser Regimetypen mit autoritären Regimen verweist Anckar darauf, dass man in methodologischer Hinsicht auf zwei Arten vorgehen könne: zum einen könnten alle Regime auf einer Achse vom perfekten autoritären bis hin zu einem vollends ausgebildeten demokratischen Regime positioniert werden. Hier wird nach Nuancen unterschieden. Zum anderen könnte man im Rahmen einer qualitativ orientierten Unterscheidung die beiden Typen direkt gegenüber stellen (vgl. S. 21). Anckar orientiert sich in seiner Studie am zweiten Modell, identifiziert jedoch in jeder der beiden Hauptkategorie weitere Subkategorien. Gerade weil es viele Fallbeispiele gibt, in denen sich ausgewählte politische Systeme direkt an der Unterscheidungslinie befinden, ist dies ein schwieriges Unterfangen. Gleichwohl ist eine analytische Unterscheidung zentral; nicht zuletzt deshalb, weil der Autor in späteren Kapiteln auf die Transformation von Regimen eingeht. In souveräner Manier greift Anckar in diesen Passagen die Befunde aus der Wissenschaft auf und prüft anhand zahlreicher Aspekte, ob und inwiefern sie seine eigene Untersuchung befruchten können.

Im dritten Kapitel stellt Anckar seine Fallbeispiele in den Mittelpunkt. Neben der Unterscheidung von autoritären und demokratischen Regimen unterscheidet er zusätzlich zwischen einköpfigen und dualen Exekutiven. Weitere Untersuchungskriterien sind die unterschiedlichen Arten, wie diese Exekutivspitzen ins Amt kommen und über welche Befugnisse sie verfügen. Er stützt sich dabei auf Datensätze von Boix, Miller und Rosato, aber auch auf Ergebnisse von FreedomHouse (vgl. S. 52). Als Untersuchungszeitraum dienen ihm, wie erwähnt, die Jahre zwischen 1850 und 2019.

In Kapitel vier wird darauf geschaut, wie duale Exekutiven entstehen. Gerade in soeben unabhängig gewordenen Ländern spielt das politische System des „mother country“ oder auch die geografische Nähe zu bestimmten Systemtypen laut Anckar eine wichtige Rolle (vgl. S. 72). Unter dem Stichwort der Pfadabhängigkeit kommt auch früheren Systemausprägungen eines Landes große Bedeutung für die Ausgestaltung des aktuellen politischen Systems zu.

Transformationsmuster mit Blick auf duale Exekutiven stehen im fünften Kapitel im Fokus. Hier rekurriert Anckar vor allem auf die Frage, warum bestimmte Formen der doppelten Exekutive stabiler erscheinen als andere (vgl. S. 121). Der Autor greift an dieser Stelle weiter oben vorgestellte Systemtypen auf und macht diese für die aktuelle Argumentation fruchtbar, etwa mit Blick auf parlamentarische und präsidentielle politische Systeme oder indem er zentrale Aspekte des Prinzipal-Agent-Ansatzes berücksichtigt (vgl. S. 122). Als ein ganz entscheidender Aspekt erweist sich hier – ein weiteres Mal – die Direktwahl der Exekutive samt der damit einhergehenden direkten Legitimität.

Nach einer Analyse von dualen Exekutiven mit den wichtigen Fragen, wie diese ins Amt kommen und wie sie sich transformieren, blickt Anckar im sechsten Kapitel konsequenterweise auf Möglichkeiten und Wege, wie duale Exekutiven auch enden können. Hier stellt der Autor zwei unterschiedliche Möglichkeiten vor: entweder duale Exekutiven entwickeln sich zu einem autoritären System oder zu einem demokratischen System mit einer einzigen Exekutivposition an der Spitze. Dies kann etwa in Form eines präsidentiellen Systems erfolgen. Ein Sonderfall stellt aber zum Beispiel Südafrika dar, wo das Staatsoberhaupt gleichzeitig als Regierungschef agieren kann und aus beiden Positionen durch ein Misstrauensvotum durch das Parlament entfernt werden kann (vgl. S. 163). Der Weg von einer dualen Exekutive hin zu einem autoritären System ist laut Anckar bislang in der Wissenschaft noch nicht ausreichend aufgegriffen worden (vgl. S. 166). Aktuelle Entwicklungen in gleich einer ganzen Reihe von Ländern dürften in der Politikwissenschaft als einer reflexiven Wissenschaft, die aktuelle Prozesse und Entwicklungen aufgreift, um sie aus wissenschaftlich-systematischer Perspektive zu untersuchen, darauf schließen lassen, dass dieses Forschungsdesiderat in naher Zukunft behoben werden dürfte.

Im siebten Kapitel fasst der Autor seine zentralen Erkenntnisse zusammen. In einem Ausblick schaut er über seine eigenen Untersuchungen hinaus und stellt neue bzw. weiterführende Forschungsfragen vor. Auf diese Art und Weise verortet er zugleich seine eigene Studie in einem größeren systematisch-wissenschaftlichen Kontext. Ein gewichtiges Argument, das Anckar vorträgt, ist etwa der vernachlässigte Fokus auf die eingangs erwähnten akteurstheoretischen Perspektiven (vgl. S. 214). Gerade in der Diskussion, welche Rolle bestimmte exekutive Führer für spezifische institutionelle Arrangements spiel(t)en, besteht die Möglichkeit, so Anckar, qualitative und quantitative Aspekte wissenschaftlicher Forschung zusammenzubringen (vgl. ebd.). Auch eine vertiefte Analyse ausgewählter Subzeiträume oder bestimmter geografischer Regionen, in denen jeweils ein Systemtyp vorzuherrschen scheint, böten sich für weiterführende Untersuchungen an. Schließlich gälte es auch jene Länder in den Blick zu nehmen, die immer noch nicht in eine der in dieser Studie berücksichtigten Systemkategorien passen.

Ergänzt werden die Ausführungen Anckars durch eine ganze Reihe von Tabellen und Schaubildern. Als sehr hilfreich erweist sich etwa – um nur ein Beispiel herauszugreifen – die Tab. 3.1 auf den Seiten 62f., in der für alle berücksichtigten Fallbeispiele mit dualen Exekutiven die (Aus‑)Wahl von Staatsoberhäuptern zusammengetragen worden ist.

So sehr Anckar auch den umfangreichen Zeitraum von 1850 bis 2019 in den Blick nimmt und zahlreiche empirische Befunde präsentiert: Das große Verdienst Anckars besteht darin, mit seinem analytischen Konzept einen Analyserahmen zu bieten, mit dem auch in Zukunft entsprechende politische Systeme differenziert analysiert werden können. Gerade weil er in der historischen Dimension weit ausholt, ist seine Analyse auch für die Nachbardisziplinen über die Politikwissenschaft hinaus von Interesse. Zugleich aber befördert er auch die systematisch-konzeptionelle Auseinandersetzung mit einem zentralen Gegenstand der vergleichenden Politikwissenschaft. Und schließlich besticht sein Werk dadurch, dass er den Blick nicht nur – wie so viele andere Studien – auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen von Exekutivpositionen richtet, sondern explizit auch die informelle Dimension des Politischen mit einbezieht, indem er auch – oder besser: vor allem – auf die tatsächlichen Befugnisse von Exekutivakteuren schaut.

Hilfreich ist zudem, dass der Autor nicht nur seine umfangreichen empirischen Ergebnisse präsentiert, sondern diese am Ende eines jeden Kapitels auch diskutiert. Dabei gelingt ihm eine differenzierte Argumentation, indem er die einzelnen Argumente einzelner Autorinnen und Autoren gegeneinander abwägt und sie darauf hin überprüft, inwiefern sie bei der Erklärung seiner zentralen Forschungsfragen hilfreich sein können (vgl. etwa beispielsweise zu Kapitel fünf die Seiten 149 bis 159). Durch den langen Untersuchungszeitraum und die vielen berücksichtigten Beispiele erweist sich das vorliegende Werk gleichsam als eine tour d’horizon durch politische Systemlandschaften, und zwar in einer Längs- wie in einer Querschnittsdimension.

Anckar weist selbst daraufhin (zum Beispiel auf S. 44), dass vermutlich nicht alle Kolleginnen und Kollegen der politikwissenschaftlichen Disziplin mit ihm in seiner Schwerpunktsetzung übereinstimmen werden, aber gerade das eröffnet in der Regel spannende Anknüpfungspunkte und ermöglicht eine weitergehende Beschäftigung mit den grundlegenden Thesen des vorliegenden Werkes.

Auf jeden Fall ist das Buch von Anckar eine bedeutsame inhaltliche wie konzeptionelle Erweiterung der aktuellen Diskussion um Regimetypen im Allgemeinen wie einzelnen Systemtypen zwischen Präsidentialismus und Parlamentarismus im Speziellen. Auch die Anknüpfungspunkte Anckars, etwa an den Prinzipal-Agent-Ansatz oder an Duvergers Ansatz des Semipräsidentialismus, sind gut begründet. Zugleich kann man ob der umfangreichen Quellenbasis, die nahezu alle einschlägigen Autorinnen und Autoren zum Thema einschließt, das Werk auch als eine Art Kompendium lesen, das einen vorzüglichen Überblick über die „State of the art“-Diskussion der Politikwissenschaft zum Thema bietet, andererseits aber auch die Befassung mit ausgesuchten Fallbeispielen erlaubt, ja: sogar genau dazu einlädt. Und sehr viel besser kann ein derartiges Werk vermutlich nicht geschrieben werden.