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Sozialkapitalwelten in Deutschland

Soziale Netzwerke, Vertrauen und Reziprozitätsnormen im subnationalen Vergleich

German Worlds of Social Capital

Social Networks, Trust, and Norms of Reciprocity in Subnational Comparative Perspective

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Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag verfolgt zwei Ziele. Im Vordergrund des analytischen Interesses steht zunächst die kontrovers debattierte Frage nach der adäquaten Konzeptualisierung und Messung des Sozialkapitalkonzepts. Zum zweiten wird die erste systematisch vergleichende und empirisch fundierte Inventur des Sozialkapitalbestands in den deutschen Regionen vorgelegt. Auf der Datengrundlage des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) werden dabei zahlreiche Indikatoren zu strukturellen und kulturellen Aspekten sozialen Kapitals, namentlich soziale Netzwerke, Vertrauen sowie – erstmals in der vergleichenden Sozialkapitalforschung – Reziprozitätsnormen berücksichtigt. Die Analysen zeigen, dass es sich bei Sozialkapital nicht um ein einheitliches soziokulturelles Syndrom handelt, welches anhand eines einzigen Indexes abgebildet werden könnte, sondern dass verschiedene und weitgehend voneinander unabhängige Phänomene unter dem Begriff subsumiert werden. Die für die ermittelten Formen sozialen Kapitals getrennt erfolgende Bestandsaufnahme fördert erhebliche regionale Unterschiede zutage. Während soziale Netzwerke besonders in nördlichen, mitteldeutschen sowie süddeutschen Regionen gut entwickelt sind, mangelt es in Ostdeutschland an dieser spezifischen Form des Sozialkapitals. Ähnliche Muster lassen sich für die regionalen Vertrauensniveaus aufdecken. Reziprozitätsnormen sind dagegen besonders in den ostdeutschen Regionen weit verbreitet und dafür im Süden weniger stark ausgeprägt. Die ermittelten Sozialkapitalmuster lassen sich jeweils auf unterschiedliche kulturelle und strukturelle Bedingungen zurückführen und gehen auch mit unterschiedlichen Wirkungen für die politische, ökonomische und soziale Performanz in den Regionen einher.

Abstract

This article has two aims. First, we address the debated question of adequate conceptualization and measurement of social capital. Second, we present the first comparative analysis of social capital stocks in the German regions. Drawing on data from the German Socio-Economic Panel (GSOEP) we consider a vast array of structural and cultural social capital indicators, i.e. social networks, trust, and – for the very first time in comparative social capital research – norms of reciprocity. Empirical evidence shows that social capital is not a coherent socio-cultural syndrome easily captured by a single measure. Rather, the concept comprises several distinct phenomena that are largely independent from each other. A separate inventory of different forms of social capital yields great regional variation with regards to social networks, trust, and norms of reciprocity. These patterns are explained by differences in cultural and structural conditions in the German regions. Last, social networks, trust, and norms of reciprocity show distinct consequences for regional political, economic, and social performance.

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Notes

  1. Dieser Beitrag ist im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) innerhalb des Exzellenzclusters 16 „Kulturelle Grundlagen von Integration“ und des Forschungszentrums „Bürgerschaftliches Engagement und Sozialkapital“ unterstützten Projektes zu den Sozialkapitalwelten im interkulturellen Vergleich entstanden. Wir danken Gert Pickel und den beiden anonymen Gutachtern für ihre kritischen und hilfreichen Anmerkungen sowie David Fritz und Birgit Jacob für die Hilfe bei der Endredaktion des Manuskriptes.

  2. Diekmann (2007: 48) zufolge ist es „ein wenig so, als würde man die Temperatur an einem Ort in Celsius und Fahrenheit messen, nur dass es in Celsius warm und in Fahrenheit kalt wäre. Das kann natürlich nicht passieren, denn ‚Celsius‘ ist linear transformierbar zu ‚Fahrenheit‘, was bei den verschiedenen Verfahren zur Messung von Sozialkapital leider nicht möglich ist.“

  3. Für die westdeutschen Regionen siehe allerdings Blume und Sack (2008).

  4. Siehe dazu auch Coleman (1988: 98): “Unlike other forms of capital, social capital inheres in the structure of relations between actors and among actors. It is not lodged either in the actors themselves or in physical implements of production.”

  5. Natürlich verbergen sich hinter solchen Prozentsätzen erhebliche Unterschiede zwischen den Individuen innerhalb derselben Region. Nichtsdestotrotz sind die errechneten regionalen Verteilungsschwerpunkte von einer nicht unerheblichen Aussagekraft. So liegt die Verlässlichkeit von Umfragedaten eher auf der Aggregat- als auf der Individualebene, da erstere die teilweise erratischen und zufälligen individuellen Abweichungen aufrechnen und damit stabile Verteilungsschwerpunkte im Aggregat generiert werden (vgl. Welzel 2003).

  6. Eine detaillierte Beschreibung aller verwendeten Variablen befindet sich in Tabelle 6 im Anhang.

  7. Der überwiegende Teil der empirischen Vertrauensforschung beruht auf einem einzigen Indikator, dem klassischen Vertrauensitem: „Allgemein gesprochen, würden Sie sagen man kann den Menschen vertrauen oder kann man im Umgang mit anderen nicht vorsichtig genug sein?“.

  8. Die oblique Rotation anhand der Promax-Methode wurde gewählt, da theoretisch von der Möglichkeit ausgegangen wird, dass einzelne Dimensionen sozialen Kapitals nicht unabhängig voneinander sind, sondern vielmehr zusammenhängen. Die verbreitetere Praxis der orthogonalen Rotation würde diese Möglichkeit dagegen a priori ausschließen.

  9. Eine ausführliche Tabelle mit Faktorscores und Rangplätzen für alle 97 Raumordnungsregionen findet sich im Anhang (Tabelle 7).

  10. Bei der Interpretation der Faktorwerte ist darauf zu achten, dass es sich dabei um standardisierte Größen handelt, welche einen Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1 besitzen. Es handelt sich dementsprechend um relative Werte für die Grundgesamtheit der deutschen Raumordnungsregionen und nicht um absolute Größenangaben. Inhaltlich sind negative Werte folglich als unterdurchschnittliche Ausprägung, positive Werte als überdurchschnittliche Ausprägung zu betrachten.

  11. Eine detaillierte Beschreibung der verwendeten Variablen findet sich in Tabelle 8 im Anhang.

  12. Darüber hinaus werden in der Literatur gegenwärtig noch die Wirkungen politischer Institutionen (Freitag 2006; Stolle und Rothstein 2007) sowie ethnischer Heterogenität (Putnam 2007) auf die Entstehung von Sozialkapital diskutiert. Beide Aspekte müssen jedoch aus der Analyse ausgespart bleiben, da es sich einerseits bei den betrachteten Regionen nicht um politisch-administrative Einheiten handelt und andererseits regionale Ausländeranteile so hoch mit der regionalen Wirtschaftsstärke korrelieren (r = 0.814, p < 0.0001), dass beide Aspekte nicht sinnvoll in ein und dieselbe Analyse einbezogen werden können.

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Tabelle 6 : Detaillierte Beschreibung der Sozialkapitalindikatoren
Tabelle 7 : Aspekte des Sozialkapitals im Vergleich der deutschen Raumordnungsregionen
Tabelle 8 : Beschreibung der zusätzlich verwendeten Variablen

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Freitag, M., Traunmüller, R. Sozialkapitalwelten in Deutschland. Z Vgl Polit Wiss 2, 221–256 (2008). https://doi.org/10.1007/s12286-008-0012-3

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