Sehr verehrte Kolleginnen,

sehr geehrte Kollegen,

eine Zeit, in der die Patientenbehandlung individuell und völlig frei von übergeordneten Vorgaben, seien es wie früher fachliche Autoritäten und gesellschaftliche Gepflogenheiten oder wie heute wirtschaftliche und politische Reglementierungen, stattgefunden hat, hat es in unserem Kulturkreis nie gegeben. Schon immer war die medizinische Versorgung auch ein Spiegelbild der Gesellschaft, aus deren Bedürfnissen, aber auch ethischen Grundsätzen heraus sie ihre Aufgaben definierte.

Wenn uns heute abverlangt wird, dass wir in unseren Betrachtungen nicht nur den individuellen und unmittelbaren Nutzen für den einzelnen unserer Patienten berücksichtigen, sondern auch übergeordnete Aufgaben der „Ressourcen-Allokation“ in konkrete Einzelfallentscheidungen umsetzen müssen, so mag man dies beklagen, es ist aber letztlich nicht zu ändern.

Gleichzeitig haben Forschungsergebnisse – richtigerweise – immer schneller Einzug in die Behandlung unserer Patienten gehalten. Im Spannungsfeld wachsender diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten einerseits und begrenzender ökonomischer Rahmenbedingungen andererseits ist es naheliegend, ja fast zwangsläufig, Festlegungen zu treffen, welche unserer Maßnahmen in welcher Qualität unabdingbar zum Wohle unserer Patienten notwendig sind.

Können die heutigen Leitlinien zum Wohle unserer Patienten beitragen?

Ob unsere heutigen Leitlinien auf diesem durch Demographie und gesellschaftliche Entwicklung vorgegebenen Weg hilfreich sein werden und damit letztlich auch und gerade zum Wohle unserer Patienten beitragen können, wird in den kommenden Jahren beispielsweise durch eine intensive Versorgungsforschung geprüft werden müssen. Auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind wir alle gespannt.

Aber schon heute sehen wir uns als Herausgeber von Der MKG-Chirurg verpflichtet, uns mit dieser Problematik zu befassen. Ausgewählt haben wir deshalb ein Thema, das uns täglich beschäftigt und immer wieder kollegialen und forensischen Zündstoff birgt:

Die chirurgische Zahnerhaltung

Wir haben in der vorliegenden Ausgabe versucht, die Fragen der chirurgischen Zahnerhaltung einmal aus dem Blickwinkel der aktuellen Leitlinienentwicklungen zu beleuchten und auch über die Abgrenzung Endodontie/WSR hinaus die speziellen Indikationen von wissenschaftlicher Seite zu hinterfragen. Nicht zuletzt sollten auch juristische Aspekte und deren Auswirkungen differenziert betrachtet werden.

Diese Ausgabe ist vor allem ein Versuch, uns vonseiten einer Fortbildungszeitschrift dem zukünftig immer komplexeren Problem der leitliniengerechten Behandlung und evidenzbasierten Medizin zu nähern. Ob dies in einer Ex-post-Betrachtung in einigen Jahren als gelungen angesehen werden kann, wollen wir Ihnen und Ihrer geschätzten Meinung überlassen.

Wir hoffen sehr, dass Ihnen dieses vorliegende Heft in der täglichen Arbeit hilft und verbleiben wie immer

mit besten kollegialen Grüßen

Prof. Dr. Dr. M. Kunkel

Dr. Dr. H.-P. Ulrich