Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Bereits 2016 hat das Bundessozialgericht (BSG)Footnote 1 entschieden, dass ein Krankenhaus keinen Vergütungsanspruch hat, wenn die Leistung durch einen Arzt erbracht wird, der nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. Konkret fehlte dem leitenden Arzt der Intensivstation ein Leitungslehrgang, der in der Qualitätssicherungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‑BA) zum Bauchaortenaneurysma vom 13.08.2008 verlangt wurde. Die Krankenkasse zahlte daraufhin nur einen Teil der abgerechneten Leistung. Die Klage des Krankenhauses auf den Differenzbetrag war erfolglos. Das BSG entschied, dass das Krankenhaus bei einem Verstoß gegen die Personalvorgaben der G‑BA-Richtlinie weder berechtigt war, die Leistung (offen-chirurgische Versorgung eines Bauchaortenaneurysmas) zu erbringen, noch abzurechnen. In einem weiteren UrteilFootnote 2 hat das BSG entschieden, dass auch ohne konkrete Qualitätssicherungsrichtlinie das Krankenhaus auf Basis des allgemeinen Qualitätsgebotes aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V verpflichtet ist, den medizinischen Standard auch hinsichtlich Struktur- und Prozessqualität zu beachten. Konkret entschied das BSG, dass ein Krankenhaus ohne Herzchirurgie auch vor dem Inkrafttreten der MHI-Richtlinie keine TAVIs durchführen durfte, da dies gegen den auch ohne G‑BA-Richtlinie ermittelbaren allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse verstoßen hat. Erkenntnisquelle für diesen ist die Gesamtheit aller international zugänglichen Studien, wobei den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften, insbesondere, wenn diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen Niederschlag gefunden haben, besondere Bedeutung zukommt.Footnote 3 Mit dem aktuellen Urteil des BSG aus dem Jahr 2022Footnote 4 hat das BSG diese Rechtsprechung fortgeführt und entschieden, dass die gesamte Vergütung hinfällig ist, wenn das Krankenhaus auch nur in einem Teilbereich gegen die Vorgaben einer Qualitätssicherungsrichtlinie verstößt. Dies gilt selbst dann, wenn es in Unkenntnis des Verstoßes handelt. Konkret hatte das Krankenhaus einen Arzt beschäftigt, der seine Approbation durch die Vorlage falscher Urkunden bei der Approbationsbehörde erschlichen hatte. Unabhängig von der Bedeutung des Beitrags dieses Arztes an der Behandlung entfiel der Vergütungsanspruch für die gesamte Leistung, da nach Ansicht des BSG die Aufteilung der Vergütung in einzelne Leistungsbestandteile mit dem Grundgedanken des DRG-Systems, Komplexleistungen zu vergüten, nicht kompatibel sei. Irrelevant sei zudem, ob die konkrete Leistung dem medizinischen Standard entsprochen habe. Nur in engen Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn es ordnungsgemäß erbrachte, eigenständige Krankenhausleistungen gibt, die unabhängig von der unzulässigen Behandlung erfolgt sind, könnten diese vergütet werden. Faktisch kommt damit v. a. die Behandlung einer interkurrenten Erkrankung in Betracht, die ohne inneren Zusammenhang mit der fehlerhaften Behandlung steht und eine eigenständige stationäre Behandlungsbedürftigkeit zur Folge hat. Indiz hierfür ist nach dem BSG z. B. das Erfordernis einer weiteren eigenständigen Aufklärung und Einwilligung des Patienten. Sofern der Patient also nicht ausnahmsweise „Flöhe und Läuse hat“, gilt es, dass bei einem Verstoß gegen einzelne Vorgaben einer Qualitätssicherungsrichtlinie im Regelfall die gesamte Leistung unzulässig ist und der Vergütungsanspruch vollständig entfällt.

Bei einer Gesamtbetrachtung dieser und weiterer Rechtsprechung zu den Anforderungen des Qualitätsgebots wird deutlich, dass Leistungen nur dann erbracht und zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden dürfen, wenn die konkreten Struktur- und Prozessvorgaben erfüllt werden. Dies gilt auf Basis des allgemeinen Qualitätsgebots nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V sowohl für den Fall, dass der G‑BA konkrete Vorgaben in einer Qualitätssicherungsrichtlinie gemacht hat,Footnote 5 als auch, wenn sich diese Vorgaben allein aus dem medizinischen Standard ergeben.

Folgen für die Kardiologie – Personalvorgaben der MHI-Richtlinie des G-BA

Problemstellung

Kathetergestützte Eingriffe an den Herzklappen sind als Standardverfahren unverzichtbar in der modernen Herzmedizin. Bei der häufigsten behandlungsbedürftigen Herzklappenerkrankung, der senilen Aortenklappenstenose, stellt der Ersatz der Herzklappe die einzige Therapieoption dar.Footnote 6 Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) hat sich dabei unterdessen gegenüber dem chirurgischen Aortenklappenersatz (AKE) als Standardverfahren etabliert.Footnote 7 Das Verhältnis zwischen diesen Therapieoptionen betrug in Deutschland im Jahr 2019 ca. 3 zu 1Footnote 8 und im Jahr 2020 ca. 3,5 zu 1Footnote 9, wobei die letztgenannten (Verhältnis‑)Zahlen unter dem Eindruck der Corona-Pandemie entstanden sind. Während der chirurgische Aortenklappenersatz durch die Herzchirurgie unter Beteiligung der Perfusiologie (Kardiotechnik) erfolgt, wurde die TAVI sowohl durch die Herzchirurgie als auch durch die Kardiologie angeboten. Mit Inkrafttreten der MHI-Richtlinie des G‑BA gibt es seit 2015 die Vorgabe, entsprechende Eingriffe nur noch in Krankenhäusern mit beiden Fachgebieten durchzuführen. Die Richtlinie sieht detaillierte Vorgaben zur sachlichen und personellen Ausstattung der Krankenhäuser vor, die jedenfalls mittelbar dazu führen, dass Perfusionist:innen zur Verfügung stehen müssen. So verlangt § 4 Abs. 6 MHI-RL, dass bei definierten Eingriffen an der Aortenklappe eine Herz-Lungen-Maschine (HLM) einsatzbereit bereitstehen muss, während § 5 Abs. 12 MHI-RL einen perfusiologischen Rufdienst in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie vorschreibt.

Die MHI-Richtlinie des G-BA

Rechtsnatur und Struktur der MHI-RL

Seit 2015 gilt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu minimal-invasiven Herzklappeninterventionen (MHI-RL). Bei dieser Richtlinie handelt es sich um eine Maßnahme der Qualitätssicherung nach §§ 92 Abs. 1, 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Sie gilt demnach für alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser. Die Richtlinien des G‑BA sind untergesetzliche Normen, die nach § 92 Abs. 8 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge und nach § 91 Abs. 6 SGB V für die Leistungserbringer und damit für die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser verbindlich sind. Inhaltlich regelt die MHI-RL Vorgaben zur Struktur- und Prozessqualität bei der Indikationsstellung, Durchführung und stationären Versorgung von Patient:innen im Erwachsenenalter, bei denen eine kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) oder ein Clipverfahren an der Mitralklappe (transvenöse Clip-Rekonstruktion der Mitralklappe) oder beides zur Anwendung gelangt (§ 1 Abs. 1 MHI-RL). Krankenhäuser, die die Vorgaben der Richtlinie nicht erfüllen, dürfen die entsprechenden Leistungen nicht erbringen.

Die MHI-RL ist parallel zu anderen Qualitätssicherungsrichtlinien des G‑BA aufgebaut. Sie differenziert zwischen strukturellen Anforderungen, d. h. insbesondere vorzuhaltenden Fachabteilungen und Geräten, die in § 4 MHI-RL geregelt sind, und personellen und fachlichen Anforderungen, d. h. Quantität und Qualität des vorzuhaltenden Personals, die in § 5 MHI-RL normiert sind.

Bei welchen Eingriffen und in welchem Umfang Perfusionist:innen bei TAVIs anwesend sein müssen, ist in der MHI-RL nicht explizit geregelt, sondern ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Struktur- und Personalvorgaben der Richtlinie.

Strukturvorgaben der MHI-Richtlinie

a) Herz-Lungen-Maschine im Stand-by nur bei TAVIs erforderlich

Die MHI-RL verlangt bei allen TAVIs, unabhängig vom Zugangsweg, d. h. sowohl bei endovaskulären als auch bei transapikalen TAVIs, eine Herz-Lungen-Maschine (HLM) inklusive Hypothermiegerät im Stand-by, § 4 Abs. 6 MHI-RL. Bei transvenösen Clip-Rekonstruktionen der Mitralklappe (Mitraclip-Eingriffen, [MitraClip, Abbott Laboratories, Abbott Park, IL, USA]) hingegen wird eine HLM nicht verlangt.

Grund für diese Differenzierung war für den G‑BA das Risikoprofil der Eingriffe. Komplikationen, die einen Wechsel von der TAVI auf eine offene herzchirurgische Operation erforderlich machen, verlangen, dass die hierfür erforderlichen apparativen Voraussetzungen auch unmittelbar vor Ort verfügbar sein müssen.Footnote 10 § 4 Absatz 6 MHI-RL formuliert, dass „eine Herz-Lungen-Maschine inklusive Hypothermiegerät (…) im Eingriffsraum oder in dessen unmittelbarer Nähe kontinuierlich zur Verfügung stehen müssen, sodass der Einsatz dieser Geräte ohne den Transport der Patientin oder des Patienten und ohne zeitliche Verzögerung erfolgen kann“.

Ein Krankenhaus darf TAVIs damit nur anbieten und durchführen, wenn die genannten Geräte einsatzbereit und kontinuierlich im Sinne einer 24/7-Einsatzbereitschaft zur Verfügung stehen. Aus der Formulierung „bei Durchführung“ könnte zwar gelesen werden, dass zu Zeiten, zu denen keine TAVIs geplant sind, auch keine HLM vorgehalten werden muss. In den tragenden Gründen führt der G‑BA jedoch aus, dass einer „kontinuierliche[n] Gewährleistung der Struktur- und Prozessqualität über 24 h an sieben Tagen der Woche“ bei „hochkomplexen Eingriffen wie TAVI (…) grundlegende Bedeutung zu[komme]“.Footnote 11 Da Komplikationen, die einen herzchirurgischen Notfalleingriff erforderlich machen, auch noch Tage nach der TAVI auftreten können,Footnote 12 ist mit den Worten „bei Durchführung“ nicht der Zeitraum der konkreten Intervention gemeint. Vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass § 4 Abs. 6 MHI-RL für Krankenhäuser gilt, zu deren Leistungsspektrum die Durchführung von TAVIs zählt. Damit muss die Stand-by-Verfügbarkeit der HLM nicht nur während der Durchführung der konkreten TAVI, sondern ständig (24/7-Verfügbarkeit) gegeben sein.

Aus der Pflicht, eine HLM inklusive Hypothermiegerät einsatzbereit vorzuhalten, folgt, dass auch entsprechend qualifiziertes Bedienpersonal zur Steuerung dieser Geräte anwesend sein muss. Damit folgt aus der Verpflichtung, eine HLM einsatzbereit vorzuhalten, die Pflicht, Perfusionist:innen vorzuhalten. Nur diese sind fachlich zur Steuerung der HLM qualifiziert und damit legitimiert. Dies hat der G‑BA als Normgeber entschieden, indem er Perfusionist:innen unter dem damals noch gebräuchlichen Begriff „Kardiotechniker“ in § 5 Abs. 12 benennt.Footnote 13 Zudem handelt es sich bei der MHI-Richtlinie um eine Qualitätssicherungsrichtlinie. Entscheidend für die Frage, welches Personal vorgehalten werden muss, um die Geräte zu bedienen, ist daher insbesondere die tatsächliche Qualifikation. Ausweislich des Konsensuspapiers „Qualifikation, Kenntnisse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten des klinischen Perfusionisten Kardiotechnik (KPK)“Footnote 14 zählten die Bedienung und Überwachung der für die extrakorporale Zirkulation notwendigen Geräte (Herz-Lungen-Maschine) nebst Zubehör zu den Kernaufgaben der Perfusionist:innen, die diese eigenständig durchführen. Unterzeichnende Fachgesellschaften des Konsensuspapiers sind neben der Deutschen Gesellschaft für Kardiotechnik insbesondere die Deutsche Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die damit diese Qualifikation als beteiligte ärztliche Fachgesellschaften explizit anerkennen.

Ausweislich der tragenden Gründe geht der G‑BA wegen des Risikos jederzeit eintretender Notfallsituationen von einer ständigen 24/7-Einsatzbereitschaft der HLM aus.Footnote 15 Daraus folgt grundsätzlich die Pflicht, auch das erforderliche Personal in Form von Perfusionist:innen 24/7 vor Ort einsatzbereit vorzuhalten.

Diese Einsatzbereitschaft ist jedenfalls während der Durchführung einer TAVI arbeitsrechtlich nicht durch einen Rufdienst und auch nicht durch einen Bereitschaftsdienst, sondern vielmehr – wenn nicht durch Regelarbeitszeit – durch sog. Arbeitsbereitschaft sicherzustellen. Arbeitsbereitschaft zeichnet sich im Unterschied zum Bereitschaftsdienst dadurch aus, dass die Mitarbeiter:innen jederzeit unverzüglich die Arbeit aufnehmen können. Arbeitsbereitschaft wird definiert als Zeit wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung. Arbeitsbereitschaft liegt vor, wenn die Arbeitnehmer:innen am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und sich ständig bereithalten müssen, um im Bedarfsfall von sich aus tätig werden zu können.Footnote 16 Bereitschaftsdienst hingegen liegt vor, wenn die Arbeitnehmer:innen sich in einer vorgegebenen Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten haben, um, sobald es notwendig ist, ihre Arbeit aufzunehmen. Während des Bereitschaftsdiensts dürfen die Arbeitnehmer:innen ruhen oder sich anderweitig beschäftigen, solange ihre beruflichen Leistungen nicht erforderlich sind. In Zeiten, in denen keine TAVI durchgeführt wird und auch aus anderen Gründen kein erhöhtes Risiko für einen medizinischen Notfall besteht, bei dem die HLM zum Einsatz kommen könnte, dürfte damit ein Bereitschaftsdienst ausreichen.

Eine Definition der verwendeten arbeitszeitrechtlichen Begriffe finden Sie in der Infobox.

Infobox Definition der verwendeten arbeitszeitrechtlichen Begriffe (NB: Die Begriffe werden vergütungsrechtlich abweichend definiert.)

  • Vollarbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz): Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit ohne Ruhepausen;

  • Arbeitsbereitschaft (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und Nr. 4 lit a) Arbeitszeitgesetz): Zeiten wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung;

  • Bereitschaftsdienst (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und Nr. 4 lit a) Arbeitszeitgesetz): Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebes bereithält, um von dort aus, wenn erforderlich, die Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können;

  • Rufbereitschaft (§ 5 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz): Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer an einem von ihm selbst bestimmten Ort für Arbeitseinsätze bereithält, um von dort aus auf Abruf, wenn erforderlich, die Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können.

Im Arbeitszeitgesetz wird nur die Vollarbeitszeit legal definiert. Die Definition der übrigen Begriffe ergibt sich aus der gefestigten Rechtsprechung sowie den einschlägigen Tarifbestimmungen.

Vollarbeitszeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst gelten als „Arbeitszeit“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme während dieser Zeiten. Zeiten der reinen Rufbereitschaft zählen als Ruhezeit im Sinne des § 5 Arbeitszeitgesetz, nicht jedoch die Zeiten der Inanspruchnahme während des Rufdienstes. Jede „Aktivierung“, zu der auch die ggf. erforderlichen Wegezeiten zählen, gehören zur Arbeitszeit.

b) Fachabteilung für Kardiologie und Herzchirurgie bei TAVI erforderlich

Die Einschätzung des G‑BA zu den unterschiedlichen Risikoprofilen von TAVI und Mitraclip-Eingriffen zeigt sich auch an anderer Stelle der MHI-RL. Während für TAVIs im Krankenhaus nach § 4 Abs. 1 MHI-RL sowohl eine Fachabteilung für Kardiologie als auch für Herzchirurgie vorhanden sein müssen, reicht für Mitraclip-Eingriffe nach § 4 Abs. 2 MNI-RL eine von beiden Abteilungen aus. Dabei ist zu beachten, dass es auch bei TAVIs nicht erforderlich ist, dass das Krankenhaus mit beiden Abteilungen im Landeskrankenhausplan geführt wird – dies bereits aus krankenhausplanungsrechtlichen Gründen. In einigen Ländern werden in den Krankenhausplänen keine Teilgebiete wie Kardiologie oder Herzchirurgie ausgewiesen. Erforderlich ist aber, dass das Krankenhaus in diesem Fall über organisatorisch abgegrenzte, fachlich und strukturell entsprechend ausgestattete Abteilungen verfügt.

Ausnahmsweise darf auch ein Krankenhaus, das nur über eine der erforderlichen Abteilungen verfügt, TAVIs im Rahmen einer Kooperation mit einem anderen Krankenhaus, das über die andere Fachabteilung verfügt, durchführen. Dafür ist erforderlich, dass die beiden Krankenhäuser eine räumlich und organisatorisch gemeinsame, beide Fachabteilungen umfassende Einrichtung betreiben, die auf eine beide Fachgebiete umfassende Versorgung von Herzerkrankungen spezialisiert ist und eine einheitliche organisatorische Gesamtverantwortung gewährleistet. Entscheidend ist, dass die „organisatorische Einheit der Behandlung gewährleistet ist“.Footnote 17 Es reicht daher nicht aus, dass einzelne Ärzt:innen im Rahmen einer Rufbereitschaft das andere Krankenhaus aufsuchen können. Selbst die Anwesenheit eines Interventions- oder Operationsteams des jeweils anderen Fachgebietes reicht ausdrücklich nicht aus; verlangt werden die Möglichkeiten einer vollständigen Fachabteilung.Footnote 18 Der G‑BA verlangt „die Sicherstellung eines gemeinsamen Komplikationsmanagements, die Sicherstellung der gemeinsamen Nutzung von Räumen, der gemeinsamen Durchführung von Schulungen sowie die Regelung von Weisungsbefugnissen“.Footnote 19 Faktisch bedeutet dies, dass zwar die Rechtsträgerschaft der beiden Abteilungen bei verschiedenen Krankenhäusern liegen kann, die tatsächliche medizinische Zusammenarbeit aber auch in diesen Ausnahmefällen so erfolgen muss, als handele es sich um eine einheitliche Einrichtung. Denn, so der G‑BA: „Gerade bei hochkomplexen Eingriffen wie TAVI kommt der Struktur- und Prozessqualität in kardiologisch/internistischer wie herzchirurgischer Hinsicht und deren kontinuierlicher Gewährleistung über 24 h an sieben Tagen der Woche grundlegende Bedeutung zu.“Footnote 20

Personalvorgaben der MHI-Richtlinie

§ 5 MHI-RL bestimmt detaillierte Personalvorgaben. So muss eine permanente, d. h. 24/7, Arztpräsenz in den Fachabteilungen für Herzchirurgie (§ 5 Abs. 5 MHI-RL), Kardiologie (§ 5 Abs. 6 MHI-RL) und Anästhesiologie (§ 5 Abs. 7 MHI-RL) jedenfalls in Form eines Bereitschaftsdienstes sichergestellt werden. Die fachärztliche Versorgung ist jeweils jedenfalls über einen Rufdienst abzudecken.

Im Bereich des Pflegepersonals verlangt die Richtlinie im Herzkatheterlabor allein einen Rufbereitschaftsdienst, § 5 Abs. 9 MHI-RL, während herzchirurgisch die permanente Präsenz eines qualifizierten Operationsdienstes vorgeschrieben ist, § 5 Abs. 10 MHI-RL.

Nach § 5 Abs. 12 MHI-RL ist schließlich die Verfügbarkeit einer/s Perfusionist:in mit nachweisbarer Qualifikation im Bereich der Kardiotechnik (Perfusiologie) in einem Krankenhaus mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie über einen Rufbereitschaftsdienst sicherzustellen. Die „nachweisbare Qualifikation“ darf nach Veröffentlichung des KonsensuspapiersFootnote 21 nicht hinter den dort genannten Qualifikationsanforderungen zurückstehen. Tatsächlich hatte der Sachverständige der GKV im Rahmen seiner Stellungnahme bei Erlass der MHI-RL sogar gefordert, die Qualifikation konkret zu benennen. Empfohlen wurde, den Wortlaut des § 5 Abs. 12 MHI-RL um den folgenden Satz zu ergänzen: „Die Qualifikation des Kardiotechnikers [Perfusionisten] kann z. B. über das Zertifikat des European Board of Cardiovascular Perfusion (EBCP) nachgewiesen werden, um im Sinne der kontinuierlichen Fortbildung einen aktuellen Erkenntnisstand zu gewährleisten.“Footnote 22 Diese Forderung entspricht inhaltlich den im Konsensuspapier genannten und damit von allen beteiligten ärztlichen und nichtärztlichen Fachgesellschaftern geforderten Qualitätsansprüchen.Footnote 23

Vorgaben außerhalb der MHI-RL

Die Basisanforderungen an eine Fachabteilung für Herzchirurgie werden in dem jüngst veröffentlichten Beitrag von Gummert et al. dargelegt.Footnote 24 Daraus ergeben sich im Hinblick auf den Bereich Perfusiologie Anforderungen, die über die der MHI-RL noch hinausgehen. Die Autoren verlangen im Hinblick auf die Infrastruktur insbesondere gesonderte Räume, die in unmittelbarer Nähe zur Operationseinheit liegen und für die hygienisch einwandfreie Vor- und Nachbereitung der HLM-Einsätze geeignet sind. Zudem werden Lagermöglichkeiten und ein sofort einsatzbereites HLM-Backup als Mindeststandard definiert.

In personeller Hinsicht verlangen die Autoren eine nachweisliche Qualifikation und benennen beispielhaft ebenfalls das EBCPFootnote 25. Quantitativ postulieren sie als Mindeststandard bei Einsatz einer extrakorporalen Zirkulation ein Backup durch eine weitere qualifizierte Fachkraft, woraus sich eine Mindestanforderung für die Anzahl der zeitgleich anwesenden Perfusionist:innen bei n laufenden EKZ-Perfusionen von n + 1 ergibt.Footnote 26

Rechtliche Bewertung/Diskussion

Wie oben aufgezeigt, sind die Vorgaben der MHI-Richtlinie zur Struktur- und Prozessqualität in Bezug auf die Personalforderungen in der Perfusiologie (Kardiotechnik) nicht abgestimmt. Während sich aus der Strukturvorgabe des § 4 Abs. 6 MHI-RL unter Beachtung der tragenden GründeFootnote 27 eine Pflicht des Krankenhauses, das TAVI-Prozeduren durchführt, ergibt, jederzeit eine einsatzbereite HLM und damit auch jederzeit (24/7) eine/n Perfusionist:in präsent vorzuhalten, sieht § 5 Abs. 12 MHI-RL nur eine Rufbereitschaft vor.

Bei der systematischen Auslegung (d. h. Auslegung unter Beachtung des Regelungszusammenhangs) und einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck (Telos) dieser Vorgaben fällt auf, dass die Richtlinie im Bereich der Herzchirurgie von dem Risiko einer jederzeitigen Eskalation ausgeht, die eine sofortige Notfalloperation bedingt.Footnote 28 Daher verlangt die Richtlinie in § 4 Abs. 6 das Vorhalten der erforderlichen Geräte im Stand-by und in § 5 Abs. 5 und 10 die permanente Präsenz von Ärzt:innen und einem pflegerischen OP-Team. Zwar wird eine permanente Facharztpräsenz nicht verlangt, ein/e Facharzt/Fachärztin muss aber im Rufdienst zur Verfügung stehen. Nach der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung wird die Grenze zwischen Ruf- und Bereitschaftsdienst allgemein bei ca. 30 min gezogen. In der Gesamtschau wird deutlich, dass der G‑BA damit das klinische Szenario vor Augen hatte, dass das vor Ort befindliche Personal den Notfall registriert, den fachärztlichen Rufdienst alarmiert und in der Zeit bis zu dessen Eintreffen die Operation vorbereitet, sodass mit dem Eintreffen der/s Fachärztin/-arztes diese/r unverzüglich tätig werden kann.

Dieser Ablauf kann aber nur gewährleistet werden, wenn nicht nur das pflegerische OP-Team, sondern auch die Perfusiologie die Zeitspanne bis zum Eintreffen des fachärztlichen Rufdienstes zur patientenindividuellen Vorbereitung der HLM nutzen kann. Da es sich bei der fachärztlichen Rufbereitschaft nur um eine Mindestanforderung handelt und diese Anforderung auch durch einen fachärztlichen Bereitschaftsdienst erfüllt wird, wie er in größeren Herzzentren üblich ist, bedeutet die Regelung in § 5 Abs. 12 MHI-RL letztlich, dass allein der/die Perfusionist:in nicht vor Ort anwesend sein muss – mit entsprechenden Verzögerungen in der Patientenversorgung. Bei einer isolierten Betrachtung dieser Personalvorgabe besteht ein Widerspruch zur Strukturvorgabe der Richtlinie. Zudem konterkariert sie das Ziel der MHI-Richtlinie eine unverzügliche Patientenversorgung im Notfall zu gewährleisten. Die korrespondierende Strukturvorgabe in § 4 Abs. 6 MHI-RL verlangt die ständige Verfügbarkeit einer HLM in Krankenhäusern, die TAVIs durchführen. Eine HLM ist aber nicht schon dann verfügbar, wenn das Gerät vor Ort bereitsteht. Die Verfügbarkeit im Sinne einer allein relevanten medizinischen Einsatzfähigkeit ist nur dann gegeben, wenn auch perfusiologisches Personal vor Ort anwesend ist. Bei Auslegung der MHI-Richtlinie ergibt sich damit eine Pflicht des Krankenhauses zur Einrichtung eines perfusiologischen Bereitschaftsdienstes 24/7.

Fazit für die Praxis

  • In der Gesamtschau zeigt sich, dass nach § 108 SGB zugelassene Krankenhäuser nur dann TAVIs durchführen und abrechnen dürfen, wenn sie neben den sonstigen Voraussetzungen auch einen perfusiologischen Anwesenheitsdienst dauerhaft (24/7) vorhalten. Jedenfalls im Zusammenhang mit der Durchführung einer konkreten TAVI muss ein/e Perfusionist:in vor Ort bereitstehen, um jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können. Dies ist arbeitsrechtlich weder durch Rufbereitschaft noch Bereitschaftsdienst, sondern vielmehr – wenn nicht durch Regelarbeitszeit – durch sog. Arbeitsbereitschaft sicherzustellen. Zu Zeiten, zu denen keine TAVIs durchgeführt werden, dürfte ein perfusiologischer Bereitschaftsdienst hinreichen.

  • Für den Fall, dass die TAVI in einem „Kooperationsmodell“ nach § 4 Abs. 1 Satz 4 MHI-RL erbracht werden soll, muss das Krankenhaus, bei dem die Herzchirurgie formal angegliedert ist, die Verfügbarkeit der Perfusionist:innen arbeitsrechtlich sicherstellen.

  • Ohne ständige Verfügbarkeit von Perfusionist:innen erfüllt das Krankenhaus nicht die Mindestvorgaben der MHI-Richtlinie, was mit der aktuellen Rechtsprechung des BSG dazu führt, dass die gesamte Leistung (d. h. die gesamte DRG) nicht abgerechnet werden darf.