Fallbeschreibung

Eine 28-jährige Patientin stellte sich aufgrund einer seit dem Vortag bestehenden verwaschenen Sprache und eines hängenden Mundwinkel links vor. Darüber hinaus klagte die Patientin über eine seit mehreren Wochen bestehende Abgeschlagenheit.

Im weiteren Verlauf kam es am Aufnahmetag zu einer linksseitigen Armschwäche.

Klinischer Befund

Bei Aufnahme wurde in der klinischen Untersuchung eine kardiopulmonal stabile Patientin mit einer zentralen linksseitigen Fazialisparese, einer Dysarthrie und einer armbetonten Hemiparese links gesehen.

Diagnostik

Perfusions-CT-Schädel

Infarktdemarkation im vorderen Mediastromgebiet rechts. Proximaler M2-Abbruch. Kein Nachweis einer Penumbra in der Perfusion.

Aufnahmelabor

Im Aufnahmelabor zeigte sich eine Thrombozytopenie (51 × 109/l), sowie eine milde Anämie und eine Leukozytopenie (jeweils 10 g/dl und 4,0 × 109/l). Das CRP war leicht erhöht (35,3 mg/l).

Transösophageale Echokardiographie

Trikuspide Aortenklappe mit deutlich aufgetriebenen und verplumpten Taschenrändern sowie kleineren flottierenden Vegetationen an allen Taschen (maximale Länge ca. 7 mm) mit resultierendem zentralen Koaptationsdefekt. Hochgradige Insuffizienz, holodiastolischer Reflux in der Aorta descendens (Abb. 1). Linker Ventrikel normal dimensioniert mit guter systolischer Funktion. Keine Thromben im LA oder LAA.

Abb. 1
figure 1

Transösophageale Echokardiographie: a Nachweis mehrerer Vegetationen an der Aoertenklappe mit resultierendem zentralen Koaptationsdefekt, b Nachweis einer hochgradigen Insuffizienz im Farbdoppler. c Transthorakale Echokardiographie mit suprasternaler Anlotung der Aorta descendens mit Nachweis eines relevanten holodiastolischen Refluxes. (Aus [4]; mit freundl. Genehmigung von ©Oxford University Press 2020. All rights reserved)

Mikrobiologische Diagnostik

Bei allzeit afebriler Patientin blieben alle entnommenen Blutkulturen ohne Erregernachweis. Serologisch konnte kein H.a. das Vorliegen einer Infektion mit Bartonella spp., Brucella spp., Coxiella burnetii, Legionella pneumophila und Mycoplasma pneumonia gesehen werden.

Weitere Labordiagnostik

Normalbefunde für ANA, Anti-dsDNA, Anti-Sm, C3- und C4-Komplementfaktoren, Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper, Anti-Cardiolipin-Antikörper, aPTT.

Mikroskopisches Differenzialblutbild: vermehrter Nachweis stabkerniger neutrophiler Granulozyten (26 %) im Sinne einer Linksverschiebung bei Thrombo- und Lymphozytopenie.

Knochenmarkpunktion und Molekulargenetik

Infiltration von 70 % des Knochenmarks durch atypische Promyelozyten, Nachweis von Faggot-Zellen. Im weiteren Verlauf konnte mittels PCR eine hohe Expression eines PML/RARA-Fusionsgens nachgewiesen werden.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Therapie und Verlauf

Aufgrund der lang bestehenden Symptomatik und des fehlenden Nachweises einer Penumbra konnten bei gleichzeitig vorliegender Thrombozytopenie weder eine Lyse noch eine mechanische Thrombektomie durchgeführt werden. Unmittelbar nach Stellen der Verdachtsdiagnose APL erfolgte die notfallmäßige Einleitung einer Therapie mit All-trans-Retinoinsäure, Arsentrioxid und Prednisolon [5]. Darüber hinaus wurde eine therapeutische Antikoagulation durchgeführt.

Eine Verlaufs-cMRT (kraniale Magnetresonanztomographie) zeigte ein demarkiertes Infarktareal des rechtshemispherischen M2-Territorials sowie eine kleinere parietookzipitale Infarktdemarkation (Abb. 2) ohne Einblutung.

Aufgrund der fortbestehenden Emboliegefahr und der hochgradigen Aortenklappeninsuffizienz wurde ein operativer Klappenersatz interdisziplinär diskutiert. Doch aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos im Rahmen der Thrombozytopenie wurde bei hämodynamisch stabiler Patientin für die Fortführung eines konservativen Procedere entschieden.

Im Weiteren kam es unter der bestehenden Chemotherapie und Antikoagulation erfreulicherweise zu einer vollständigen Regredienz der Aortenklappenvegetationen mit einer funktional kompetenten Aortenklappe (Abb. 3). Es traten keine weiteren klinisch apparente Thrombembolien auf.

Abb. 2
figure 2

Axiale diffusionsgewichtete cMRT-Bildgebung mit Nachweis eines rechtshemispherischen Infarkts des M2-Stromgebiets und einem kleineren parietookzipitalen Infarkt. (Aus [4]; mit freundl. Genehmigung von ©Oxford University Press 2020. All rights reserved)

Abb. 3
figure 3

Transthorakale Echokardiographie mit a vollständiger Regredienz der Vegetationen an der Aortenklappe und normaler Koaptation der Taschen sowie b ohne Nachweis einer Insuffizienz im Farbdoppler. (Aus [4]; mit freundl. Genehmigung von ©Oxford University Press 2020. All rights reserved)

Definition

Die NBTE, oft auch als marantische Endokarditis oder Libman-Sacks-Endokarditis bezeichnet, stellt eine Krankheitsentität dar, bei der es zu sterilen Vegetationen an den Herzklappen kommt. Von diesen aus Fibrin und aggregierten Thrombozyten bestehenden Vegetationen geht, anders als bei der infektiösen Endokarditis, keine Destruktion des Klappenapparates aus, allerdings liegt jedoch ein erhöhtes thrombembolisches Risiko vor [6].

Die NBTE tritt vor allem – wie bei der hier vorgestellten Patientin – im Rahmen von malignen Erkrankungen und bei Patienten mit einem systemischem Lupus erythematodes oder einem Antiphospholipidsyndrom auf. Die Diagnosestellung ist oftmals nicht trivial, wobei hier insbesondere die Abgrenzung zur kulturnegativen infektiösen Endokarditis wichtig ist. Die häufigsten Ursachen für letztere stellen eine bereits bestehende antibiotische Therapie zum Zeitpunkt der Blutkulturentnahme und das Vorhandensein von nicht bzw. schwer anzüchtbaren Bakterien dar [2, 3].

Die Behandlung besteht grundsätzlich aus der Therapie der Grunderkrankung und einer Antikoagulation, wobei gerade letztere im klinischen Alltag aufgrund der Grund- und Nebenerkrankungen eine Herausforderung darstellen kann. So ist die bei der vorgestellten Patientin bestehende APL klassischerweise mit Blutungskomplikationen vergesellschaftet. Die Frage des optimalen Zeitpunkts für den Beginn einer oralen Antikoagulation nach stattgehabtem Schlaganfall im Hinblick auf sekundäre Hämorrhagien ist durch die aktuelle Datenlage noch nicht endgültig geklärt [1, 7]. Darüber hinaus liegt zum weiteren Vorgehen bei gleichzeitig vorliegenden hochgradigen Klappenvitien für den Sonderfall der NBTE keine robuste Evidenz vor. In der Literatur ist lediglich eine Reihe an Einzelfallberichten mit überwiegend operativen Therapien beschrieben. Der erfreuliche Verlauf mit kompletter Regredienz der Vegetationen und Erholung der Klappenfunktion bei der vorgestellten Patientin zeigt jedoch, dass ein konservatives Vorgehen eine durchaus zu diskutierende Therapieoption darstellt.

Diagnose: nichtbakterielle thrombotische Endokarditis (NBTE) bei akuter Promyelozytenleukämie (APL) mit thromboembolischem Schlaganfall

Dabei ist aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes sowie der aus verschiedenen Fachrichtungen zu beachtenden Aspekten sowohl für die Diagnosestellung als auch für die optimale Therapie von Patienten mit NBTE eine engmaschige interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend.

Fazit für die Praxis

  • Die NBTE (nichtbakterielle thrombotische Endokarditis) stellt eine seltene Ursache für Schlaganfälle und eine Differenzialdiagnose von Klappenvegetationen dar.

  • Eine konservative Therapie anstelle eines Klappenersatzes sollte auch bei hochgradigen Klappenvitien mit stattgehabten Embolien als Therapieoption diskutiert werden.

  • Ein interdisziplinäres Vorgehen mit Onkologen, Neurologen, Rheumatologen, Nephrologen und ggf. Mikrobiologen ist zur Diagnosesicherung und Therapie unabdingbar.