Vorgeschichte

Ein 45-jähriger Mann mit kurzer, jedoch komplexer kardiologischer Vorgeschichte stellte sich wegen zunehmender Dyspnoe erneut stationär in unserer Klinik vor. Erstmalig wurde der Patient 4 Monate zuvor wegen einer Synkope bei uns untersucht. Die transthorakale Echokardiographie (TTE) hatte damals ein mittelgradiges, kombiniertes Aortenklappenvitium ergeben mit normaler linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF). Mittels Koronar-CT wurde eine relevante koronare Herzerkrankung ausgeschlossen. Ein Hinweis auf eine kardiogene Synkope ergab sich insgesamt nicht. Drei Wochen später wurde der Patient mit Fieber und einem ST-Hebungsinfarkt erneut vorstellig. Zunächst bestand der Verdacht auf eine COVID-19-Infektion, es wurde jedoch umgehend eine Koronarangiographie durchgeführt. Der Ramus circumflexus (RCX) war peripher thrombotisch verschlossen bei Linksversorgungstyp und ansonsten unauffälligen Koronararterien. Es erfolgte eine PTCA mit 3,0/29 mm Drug-Eluting-Stent-Implantation. Die Door-to-Balloon-Zeit betrug 79 min. Die maximale Kreatinkinasekonzentration lag nach 24 h bei 2561 U/l und war stetig rückläufig. Bei persistierendem Fieber, steigenden Infektwerten und negativem COVID-19-Abstrich wurde eine erweiterte Fokussuche durchgeführt. Es stellte sich in der TTE eine jetzt hochgradige Aortenklappeninsuffizienz dar. Die LVEF war bei Hypokinesie inferior und inferoseptal mit 45–50 % nun leicht eingeschränkt. Bei Nachweis von Escherichia coli und Enterococcus faecalis in der Blutkultur erfolgte anschließend eine transösophageale Echokardiographie, in der sich die Verdachtsdiagnose Aortenklappenendokarditis mit beginnendem Aortenwurzelabszess bestätigte. Bei unauffälligem Koronar-CT wenige Wochen zuvor handelte es sich initial also mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine septische Embolie in den RCX. Der Patient wurde notfallmäßig zur Operation verlegt. Er erhielt einen mechanischen Aortenklappenersatz (21 mm) mit Patchplastik der Aortenwurzel. Postoperativ erfolgte eine zeitnahe Rückverlegung in unser Haus und nach Abschluss der antibiotischen Therapie die Verlegung zur Anschlussheilbehandlung.

Aktueller Aufnahmebefund

Bei der aktuellen Wiedervorstellung insgesamt 10 Wochen nach der Operation gab der Patient seit einiger Zeit eine zunehmende Belastungsdyspnoe und Orthopnoe, jetzt NYHA IV, und thorakale Schmerzen an. Insgesamt habe er sich nach der Anschlussheilbehandlung nicht wesentlich gestärkt gefühlt. Der Patient befand sich klinisch in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand. Der Auskultationsbefund war unauffällig. Die Vitalparameter waren ebenso unauffällig mit einem Blutdruck von 120/90 mm Hg, Herzfrequenz 99/min, Temperatur 36,2 °C.

Untersuchungen.

Pathologische Werte: Natrium 131 mmol/l, GOT 153 U/l, GPT 134 U/l, LDH 423 U/l, CRP 1,6 mg/dl, Hs-Troponin 57 pg/ml. Procalcitonin normwertig. Im EKG fand sich eine Sinustachykardie bei Steiltyp, T‑Negativierungen in II, III, aVF und V4–6 bei normalem R‑Progress mit Zeichen der LV-Hypertrophie ohne ST-Streckenveränderungen. Die Thoraxröntgenaufnahme zeigte einen zunehmenden, rechtsseitigen Pleuraerguss, keine pulmonale Stauung, aber im Vergleich zur postoperativen Voraufnahme eine zunehmende Herzverbreiterung (Abb. 1). Eine TTE ergab folgende Befunde (Abb. 2 und 3).

Abb. 1
figure 1

a Röntgen postoperativ nach Aortenklappenersatz und b bei der letzten Vorstellung. Neu ist die Dilatation des LV (Asterisk), der Pleuraerguss rechts bleibt bestehen, links hat sich dieser in b zurückgebildet. Des Weiteren ist der Aortenklappenersatz in beiden Bildern zu erkennen

Abb. 2
figure 2

TTE, parasternal kurze Achse des linken Ventrikels (LV) auf Höhe der Mitralklappe. Es zeigt sich ein großer Defekt mit echoarmer Höhle inferoseptal und inferior (Asterisk)

Abb. 3
figure 3

TTE, 2‑Kammer-Blick. Darstellung von linkem Ventrikel (LV) und linkem Vorhof (LA). Das Aneurysma (Asterisk) wurde maximal mit 78 × 67 mm vermessen, der Defekt der basal- bis mitinferioren Wand misst 31 mm

Wie lautet Ihre Diagnose?

Weitere Untersuchungen

Die TTE ergab zusätzlich eine jetzt hochgradig reduzierte LVEF des verbliebenen Ventrikels um 30 % und eine begleitende mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz. Die Aortenklappenprothese war unauffällig. Die kardiale CT-Untersuchung bestätigte den Befund eines Hinterwandaneurysmas von 78 × 62 mm im Kurzachsenschnitt und 86 mm in der langen Achse (Abb. 4 und 5).

Abb. 4
figure 4

Kardio-CT, 3‑Kammer-Blick. Abgebildet sind hier unter anderem das Aneurysma (Asterisk), linker Ventrikel (LV) und gut erkennbar der mechanische Aortenklappenersatz (AKE)

Abb. 5
figure 5

Kardio-CT kurze Achse des LV. Abgebildet sind hier unter anderem das Aneurysma (Asterisk), linker Ventrikel (LV) und ein Anschnitt des rechten Ventrikels bzw. des rechtsventrikulären Ausflusstraktes (RV)

Diagnose: Großes Ventrikelaneurysma der linksventrikulären Hinterwand

Koronarangiographisch fand sich der dazu passende, ältere Verschluss des RCX im Stent. Ursache und Zeitpunkt des Stentverschlusses bleiben letztlich unklar. Der Patient war mit Phenprocoumon und Clopidogrel nach der Operation zurückübernommen worden.

Aufgrund der akuten Symptomatik mit kardialer Dekompensation, Ruhedyspnoe, sowie der Größe des Aneurysmas stellten wir den Patienten umgehend zur chirurgischen Aneurysmaresektion vor.

Definition und Hintergrund

Die Ausbildung eines Ventrikelaneurysmas ist in Zeiten der frühen Revaskularisierung mittels PTCA eine seltene Komplikation des akuten Myokardinfarktes geworden [1, 4]. Zu unterscheiden sind 2 Entitäten. Die häufigere Variante ist das echte Aneurysma, das durch einen transmuralen Myokardinfarkt und konsekutive Fibrosierung und Ausdünnung der gesamten Wanddicke auf < 5 mm entsteht und häufig mit einem muralen Thrombus sowie im Verlauf entstehenden Verkalkungen vergesellschaftet ist. Prädilektionsstelle ist die Vorderwand und das vorderwandnahe Septum beim klassischen Verschluss des Ramus interventricularis anterior [2, 4]. Echte Aneurysmen entwickeln sich in der Regel innerhalb der ersten 8 Wochen nach Myokardinfarkt [4]. Die zweite seltenere, aber auch gefährlichere Entität ist das Pseudoaneurysma. Dieses entsteht durch eine Ruptur des LV, allerdings wird die Blutung durch das Perikard oder Verwachsungen gedeckt gehalten. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen ist wichtig, da die Rupturgefahr von Pseudoaneurysmen deutlich höher eingeschätzt wird, aber die Differenzierung klinisch trotz Bildgebung nicht immer möglich ist [1,2,3]. Inferiore Infarkte resultieren doppelt so häufig in Pseudoaneurysmabildung verglichen mit anterioren Infarkten. Pseudoaneurysmen sind entsprechend häufiger posterior, lateral, apikal oder inferior zu finden [2]. Das Symptomspektrum reicht von asymptomatisch bis zu einer schweren Herzinsuffizienz, thrombembolischen Komplikationen oder ventrikulären Tachykardien. Als Maximalvariante besteht insbesondere bei Pseudoaneurysmen die Gefahr des plötzlichen Herztodes durch Ruptur [4]. Grundlegende Hinweise, dass es zu einer Aneurysmabildung gekommen ist, können typische EKG-Veränderungen wie nach Myokardinfarkt persistierende ST-Hebungen über der Vorderwand geben, jedoch gibt es keine sicher spezifischen Symptome oder Zeichen zur Erkennung eines Aneurysmas oder Pseudoaneurysmas [1,2,3]. EKG und Thoraxröntgenaufnahme sind aber in einer Mehrzahl der Fälle zumindest auffällig [2]. Die TTE ist aufgrund der breiten Verfügbarkeit in der Regel die erste diagnostische Methode, die primär zum Einsatz kommt. Danach sollten kardiale CT- oder MRT-Untersuchungen und ggf. eine LV-Angiographie erfolgen. Die Therapie kann von konservativ medikamentös bei apikalen Vorderwandaneurysmen bis zum chirurgischen oder interventionellen Verschluss reichen, abhängig unter anderem von Aneurysmagröße, Entwicklung der LVEF und Ausprägung der Herzinsuffizienzsymptomatik [1,2,3,4]. Pseudoaneurysmen sollten in der Regel wegen der Gefahr einer Ruptur zeitnah operativ saniert werden, unbehandelt haben diese eine Mortalität bis 50 % im Gegensatz zu asymptomatischen echten Aneurysmen mit einer 5‑Jahres-Überlebensrate um 90 %. Die perioperative Mortalität wird inzwischen mit < 10 % angegeben [4].

Therapie und Verlauf

Im vorliegenden Fall wurde der Patient zeitnah reoperiert. Intraoperativ fand sich ein sehr großes, echtes Aneurysma mit ausgedehnter Thrombosierung. Nach Aneurysmaresektion wurde der sehr große Defekt durch ein Rinderperikardpatch verschlossen und nochmals gerafft, um die LV-Größe und Mitralinsuffizienz zu reduzieren. Die TTE vor Verlegung ergab eine noch normale enddiastolische LV-Weite, aber eine weiter höhergradig reduzierte LV-EF um 35 % mit einem verbliebenen Restaneurysma von 18 mm Tiefe. Je nach weiterer Entwicklung der LVEF wird ggf. eine ICD-Implantation in Betracht gezogen werden müssen.

Fazit für die Praxis

Auch wenn durch die frühen Revaskularisationsstrategien mechanische Komplikationen nach Myokardinfarkten deutlich seltener geworden sind, sollte man diese nicht außer Acht lassen und routinemäßig die Patienten kurzfristig echokardiographisch nachuntersuchen, insbesondere wenn Risikofaktoren für eine Aneurysmabildung vorliegen. Herzinsuffizienz, embolische Schlaganfälle oder ventrikuläre Tachykardien nach Myokardinfarkt können durch Aneurysmabildung verursacht werden. Die TTE bleibt hier die erste Methode zur Diagnostik, hochauflösende Bildgebungen wie MRT und CT können dann zur Differenzialdiagnose zwischen Pseudoaneurysma und echtem Aneurysma beitragen, um die passende Therapiestrategie für den Patienten festzulegen.