Es ist uns eine vornehme Pflicht, der Kollegen zu gedenken, die zu uns gehörten und die von uns gegangen sind. Wenn wir im Tod auch alle gleich sind, ist es doch gestattet, verdienten verstorbenen Kollegen einige Worte des Gedenkens und des Danks zu widmen, insbesondere wenn sie unsere Lehrer waren. Ganz im Sinne des Dichterworts „Was man ist, das bleibt man anderen schuldig“. In diesem Sinne gedenken wir Franz Gross, der am 14. Februar 2013 hundert Jahre alt geworden wäre.

Geboren am 14. Februar 1913 in Leipzig als Sohn von Dr. phil. Otto Gross, Schauspieler, Leipzig (Schweizer) und Stella Gross-David, Schauspielerin, Dresden (Österreicherin). Staatsangehörigkeit von Franz Gross: Schweiz, Deutschland.

Kindheit und Schule verbrachte er in Leipzig und Dresden, das Studium der Medizin absolvierte er in Leipzig und Berlin – 1937 Medizinisches Staatsexamen, 1938 Promotion in Leipzig bei Prof. Karl Mathes (Über die Reduktionszeit des Blutes; Z Ges Exp Med 102:766, 1938).

Damals begann er mit Untersuchungen an Freiwilligen und in Selbstversuchen über den Einfluss von Pharmaka auf den arteriellen Blutdruck und dessen Regulation. Die Behandlung der arteriellen Hypertonie stand bald für immer im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit.

Erste Stationen seines ärztlichen Wirkens waren von Oktober 1937 bis April 1939 die Zeiten als Medizinalpraktikant in Innerer Medizin und Pathologie in Leipzig und Dresden. Vom 15.01.1940 bis 08.05.1945 erhielt er im Kriegsdienst als Stabsarzt der Luftwaffe eine internistische Ausbildung an der Medizinischen Universitätsklinik in Leipzig. Nach Kriegsende fuhr Franz Gross mit einem Pkw der Luftwaffe nach Bern, wo er am Institut für Physiologie der Universität bei dem bekannten Physiologen Alexander von Muralt arbeitete. Dort stand die Nebenniere im Mittelpunkt seiner Arbeit, sie bildete seitdem einen Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Interessen.

Von Bern wechselte Franz Gross im September 1946 nach Basel, wo er als Direktor der Ciba AG Leiter der klinischen Prüfung war. Dort standen ihm und seinem wissenschaftlichen Team vor Ort auch sämtliche Voraussetzungen für wissenschaftliche experimentelle Untersuchungen zur Klärung von Fragen bei der Regulation des Blutdrucks zur Verfügung.

Hervorzuheben ist dabei die Beteiligung von Franz Gross bei der Entwicklung der bekannten Antihypertensiva Hydralazin, Hydrochlorothiazid, Reserpin und Guanethidin. Mit seinen Untersuchungen hat er fundamentale Ergebnisse über die natriumkonservierende Bedeutung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und Hinweise auf die Bedeutung dieses Systems bei der Genese der renovaskulären Hypertonie erhalten. In einem weltweit beachteten Übersichtsartikel hat er die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu diesem Thema zusammengefasst (Gross F [1958] Renin und Hypertensin, physiologische oder pathologische Wirkstoffe? Klin Wschr·36:693). Dieser Artikel bildete nicht nur weltweit den Stimulus für viele Untersuchungen zur Blutdruckregulation und zur Pathogenese der renovaskulären Hypertonie sowie der Natriumkonservierung, letztendlich konnte das Team von Franz Gross auch die Frage einer physiologischen Bedeutung des Renin-Angiotensin-Systems positiv beantworten.Voraussetzung für Franz Gross war dabei ein wissenschaftliches Konzept, das korrekt und trotzdem zügig zu absolvieren war. So gelang der Nachweis, dass das Glomerulusfiltrat der Niere über Widerstandsänderungen des Vas efferens durch Angiotensin gesteuert wird (Ziegler M, Janzik W [1968] Renin-Angiotensin-System und intrarenaler Gefaßwiderstand. Der Urologe 115).

Nachdem sich Franz Gross 1958 am Institut für Physiologie in Bern habilitiert hatte, erfolgte dort 1965 seine Ernennung zum Honorarprofessor. Die weltweite Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung fand 1967 ihren Ausdruck in Rufe an das Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen und auf den Lehrstuhl für Pharmakologie an der Universität Heidelberg.

Mit der Annahme des Rufs nach Heidelberg begann 1968 ein dritter Abschnitt seines Lebens. Nach Jugend und Studentenzeit sowie internistischer Ausbildung in Sachsen absolvierte er eine glänzende Industriezeit in Basel mit wissenschaftlichen Schwerpunkten. Bereits damals war die Liste seiner Ehrungen und Auszeichnungen sehr·lang. 1964 hielt er jedoch bereits Ausschau nach einer rein wissenschaftlichen Tätigkeit. Die materielle Ausstattung der Max-Planck-Institute ist zwar ungleich günstiger als die der Universitätsinstitute, andererseits aber ist der Kontakt mit den Studenten interessant und die Chance reizvoll, eventuell Pharmakologennachwuchs zu gewinnen. So hat er Heidelberg Göttingen vorgezogen und wechselte mit 55 Jahren nach Heidelberg zur Übernahme eines musealen Instituts, das 1890 gegründet, sich baulich noch weitgehend in seinem Urzustand befand.

Franz Gross war der 8. Direktor, der von Oskar Eichler am 1. April 1968 das schlecht ausgestattete Institut übernahm. „Ein wichtiger Aspekt der Amtsübergabe von Oskar Eichler an Franz Gross bestand in der Übergabe des Schlüssels der Direktorentoilette, die im Treppenhaus gelegen war.“

Die Medizinische Fakultät Heidelberg gewann einen Wissenschaftler, der nach 20 Jahren Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie zur freien Stätte der Forschung und Lehre zurückkehrte. Dabei war ihm seine langjährige Erfahrung in Forschung und Organisation sehr hilfreich. Neuzeitliche Organisationskultur beherrschte sein Wissensmanagement, das ihn seine neue Aufgaben angehen ließ. Entscheidend war für ihn, einen flexiblen Forschungsprozess zu organisieren, möglichst wenig Standardisierung. Dazu zählten der Aufbau einer flexiblen Projektorganisation und die jeweils von der Aufgabe bestimmte Zusammensetzung, hierarchiefreie Teams. Darin sah er die Basis für sein Wirken in Heidelberg, für das ihm zunächst renovierte und seit 1974 Räumlichkeiten im neu errichteten Theoretikum der Universität im Neuenheimer Feld zur Verfügung standen. Hervorragendes Wissensmanagement und angemessene Strukturen sowie fachlich kompetente Mitarbeiter führten über eine spezifische Organisationskultur zu seinem erfolgreichen Wirken in Heidelberg.

Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Wirkens von Franz Gross stand auch weiterhin die Therapie der arteriellen Hypertonie. Dieser Schwerpunkt fand seinen Niederschlag in der Gründung der „Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes“, einem Leiden, an dem 20% der erwachsenen Bevölkerung erkrankt sind, das aber medikamentös gut zu beherrschen ist. Darüber hinaus hat er sich mit allgemein pharmakologischen Fragen beschäftigt wie Themen über Nutzen und Zwecklosigkeit der Kombination von Pharmaka. Seine Erfahrung bei der klinischen Beurteilung der Wirksamkeit von Pharmaka war von unmittelbarem Wert für die Klinik und international anerkannt.

Die internationale Bedeutung von Franz Gross geht auch aus seiner Mitgliedschaft im Executive Council der CIBA-Foundation in London hervor. In diesem unabhängigen Gremium hat er über viele Jahre das Schicksal der CIBA-Foundation wesentlich mitbestimmen können. Eine Reihe internationaler Symposien wurde von ihm ins Leben gerufen.

Die Liste seiner internationalen wissenschaftlichen Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften als Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen ist sehr lang. Eine hohe Auszeichnung wäre für ihn als Krönung seiner Hochdruckforschung die Etablierung eines Instituts für die Forschung des hohen Blutdrucks gewesen, wie Franz Gross dies bereits lange für Deutschland gefordert hat. Die große Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen Verdienste erfuhr Franz Gross mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland im April 1978 durch den Bundespräsidenten.

Entscheidende Entwicklungen, die wir nur teilweise dankbar miterleben durften, hat er mitgeprägt. Er hatte noch viel vor, das Ende kam für ihn und seine Ehemaligen 1984 viel zu früh (Abb. 1, Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Prof. Dr. Franz Gross

Abb. 2
figure 2

Publikation von Prof. Gross in der Zeitschrift „Klinische Wochenschrift“ aus dem Jahr 1958