Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

das Schwerpunktthema der diesjährigen Jahrestagung ist die Interventionelle Kardiovaskuläre Therapie. Hier wurden in den vergangenen Jahren sowohl durch die Optimierung etablierter Therapieverfahren, aber insbesondere auch durch die Entwicklung neuer Therapieoptionen wegweisende Fortschritte erzielt. Diese neuen Verfahren ermöglichen es, bisher nicht ausreichend therapierbaren Patienten eine Perspektive zu geben.

FormalPara Neue interventionelle Verfahren

Ganz besonders ältere Menschen mit schweren kardialen Vitien und multiplen Komorbiditäten können von den neuen Techniken profitieren, an deren Spitze der transfemorale Aortenklappenersatz steht. Patienten, die wegen eines zu hohen Operationsrisikos keine Behandlungsperspektive mehr hatten, verbunden mit einer entsprechend schlechten Prognose, kann durch eine Katheterintervention wieder eine gute Lebensqualität und verlängerte Lebenszeit gegeben werden. Bisher wurde bei bis zu einem Drittel der älteren Patienten mit relevanter Aortenklappenstenose a priori wegen eines hohen Operationsrisikos auf eine entsprechende chirurgische Behandlung verzichtet. Erfolgversprechende Erfahrungen liegen auch für die interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz und für den Verschluss des linken Vorhofohrs mittels Okkludersystem vor.

Unter einem besonders hohen Leidensdruck stehen oft Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern. Hier waren und sind den Behandelnden angesichts der Limitationen der medikamentösen antiarrhythmischen Therapie trotz Entwicklung neuer Substanzen oft die Hände gebunden, wobei der Patient häufig mit dem nur wenig tröstlichen Hinweis zurückbleibt, dass seine Prognose durch das Vorhofflimmern nicht belastet sei. Allerdings gerät diese Schlussfolgerung aus den früheren Studien zur rhythmus- vs. frequenzkontrollierenden Therapie zunehmend ins Wanken. In der interventionellen Therapie des Vorhofflimmerns hat die Katheterablation auch durch die kontinuierliche Einführung neuer Technologien immer mehr an Vertrauen gewonnen, was an einer starken Zunahme entsprechend behandelter Patienten abzulesen ist. Im Gegensatz zur Klappentherapie ist die Katheterablation das Verfahren, das v. a. bei jüngeren, ansonsten meist herzgesunden Patienten zum Einsatz kommt und mit einer Erfolgsrate um 70% zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität führt.

Beim medikamentös therapierefraktären arteriellen Hypertonus haben die Patienten mit einer Vielzahl von Antihypertensiva zu kämpfen und erfahren bei nicht ausreichend einstellbarem Hypertonus chronische Gefäßschäden und rezidivierende hypertensive Entgleisungen, häufig mit wiederholter stationärer Krankenhausbehandlung. Hier steht uns heute mit der kathetergeführten renalen Sympathikusdenervation eine viel versprechende additive Therapieoption zur Verfügung.

Aber auch bestehende interventionelle Verfahren wie die Koronarintervention mit ihrer begleitenden differenzierten antithrombozytären Therapie sind einem rasanten Wandel unterworfen, wobei sich der spezifische Medikamenteneinsatz und die Therapiedauer in Abhängigkeit von multiplen Faktoren in nur kurzen Zeitabständen wandelt. Der Vorteil einer weiter wachsenden Individualisierung im differenzialtherapeutischen Einsatz erfordert aber die Etablierung von transparenten Standards für alle Ärzte in der Betreuungskette der Patientenversorgung.

FormalPara Indikationsstellung

Die eigentliche Durchführung der interventionellen Therapien steht aber nicht für sich allein im Raum. Sie können nur sinnvoll angewendet werden und zu guten Resultaten führen im enger Zusammenarbeit mit den zuweisenden Kollegen. Deshalb richtet sich das Schwerpunktthema dieses Kongresses gerade nicht nur an die interventionell tätigen Kardiologen, sondern insbesondere auch an die Kollegen in der ambulanten Versorgung, um einen möglichst klaren, aber auch kritischen Blick auf den aktuellen Stand der interventionellen Therapieoptionen zu bieten. Denn ihnen obliegt in der Regel die Entscheidung, ob ein Patient für ein neues Verfahren vorgestellt wird oder nicht. Die genauen Indikationskriterien, die sich mit der Weiterentwicklung der interventionellen Verfahren schnell wandeln bzw. erweitern können, stellen dabei einen zentralen Aspekt dar. Diese laufend zu aktualisieren und zu kommunizieren ist eine wichtige Aufgabe für die interventionell tätigen Kardiologen. Wegen der zunehmenden Komplexität der Interventionen und der häufig sehr variablen Einschlusskriterien der Patienten in die entsprechenden Therapiestudien können die Kriterien und die Ergebnisse großer Studien nicht immer 1:1 auf die „Real-world“-Bedingungen übertragen werden. Gerade deshalb ist für die Festlegung der Therapiestrategie in der Regel aber auch ein genauer Einblick in die Begleiterkrankungen und Lebensumstände des Patienten durch den langjährig betreuenden Kollegen von Bedeutung, was die Voraussetzung für eine individualisierte Therapieplanung darstellt. Viele Patienten möchten vor einer Entscheidung über die Durchführung invasiver Maßnahmen auch nicht auf die Beurteilung und Beratung durch den vertrauten niedergelassenen Kollegen verzichten. Eine gemeinsame Abstimmung über die optimale Strategie für den einzelnen Patienten sollte daher gepflegt und weiter intensiviert werden. Denn sie stellt die beste Versicherung dar, eine Über- oder Untertherapie im Sinne des Patienten und angesichts limitierter Ressourcen zu vermeiden.

FormalPara Sicherung und Überprüfung des Therapieerfolgs

Therapieerfolg und Sicherheit des Verfahrens hängen ganz wesentlich von der richtigen Indikationsstellung und der Erfahrung bei der Durchführung der Technik ab. Neben der Expertise des Untersuchers sind die entsprechende Infrastruktur und die erforderliche interdisziplinäre Zusammenarbeit im Hause unverzichtbar. Beispielhaft ist hier sicherlich die gemeinsame Abstimmung zwischen Kardiologen und Herzchirurgen bei der Entscheidung zum operativen oder interventionellen Klappenersatz zu nennen. Im Entscheidungsprozess nimmt dabei der Einsatz verschiedener neuer kardialer Bildgebungsverfahren eine zentrale Rolle ein. Die Therapie ist mit der Entlassung des Patienten jedoch noch nicht abgeschlossen. Die in der Regel medikamentöse Nachbehandlung ist meist integraler Bestandteil der Sicherung des Therapieerfolgs, häufig als antikoagulatorische bzw. thrombozytenaggregationshemmende Ein- oder Mehrfachtherapie. Der Sicherstellung der richtigen Durchführung und der Compliance des Patienten, z. B. bzgl. der Antikoagulationstherapie in der ambulanten Versorgung kommt eine entscheidende Bedeutung zu.

Die Entscheidung über die Zuweisung zu neuen interventionellen Therapieverfahren wird häufig von einer Unsicherheit über die Erfolgs- und Komplikationsrate, insbesondere auch im längerfristigen Verlauf über die stationäre Versorgung hinaus, beeinflusst. Für die Kliniken, die neue Therapien einsetzen, ist es daher zunächst unverzichtbar, ihre Patienten konsekutiv in verfügbare qualitätssichernde Register einzuschließen. Hier sei nur beispielhaft das Aortenklappen- und Ablationsregister genannt. Die Ergebnisse müssen nicht nur für die Untersucher selbst, sondern insbesondere auch für die ambulant Betreuenden transparent sein und klar kommuniziert werden. Hier können in naher Zukunft umfassende Daten aus den entsprechenden „All-Comers“-Registern ohne vorselektionierende Einschlusskriterien erwartet werden.

Die Beurteilung des Therapieverfahrens hängt jedoch ganz wesentlich vom weiteren klinischen Verlauf nach Krankenhausentlassung ab. Entsprechende Daten sind oft nicht in ausreichender Menge verfügbar. Hier kommt den ambulant tätigen Kollegen eine zentrale Rolle zu. Die Erfassung von Therapieerfolg und Komplikationen ist sowohl für den Arzt und Patienten wie auch für die durchführende Klinik und insbesondere für die Beurteilung des Therapieverfahrens an sich von entscheidender Bedeutung. Die systematische Abfrage und Erfassung der Befunde im Verlauf und deren Einarbeitung in die Register ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Informationskette im Sinne der Qualitätssicherung und kontinuierlichen Weiterentwicklung moderner Therapieverfahren.

Auch decken sich objektivierbare Erfolgsparameter nicht immer mit dem subjektiven klinischen Nutzen des Patienten. Ein entsprechendes Feedback ist daher wichtig für eine ständige Modifikation und Optimierung des Vorgehens und stellt einen unabdingbaren Bestandteil der Qualitätssicherung dar. Angesichts komplexer werdender Therapien brauchen wir kürzere Kommunikationswege zwischen den Durchführenden im Krankenhaus und den vor- und nachbetreuenden Kollegen im niedergelassenen Bereich. In der Klinik ist ein definierter, jederzeit gut erreichbarer Ansprechpartner für das jeweilige Verfahren ein wichtiger Eckpfeiler.

Die interventionelle Therapie hat gerade auch in der jüngeren Vergangenheit durch die Neuentwicklung und die Weiterentwicklung bestehender Verfahren beeindruckende Fortschritte in nahezu allen Bereichen kardiovaskulärer Erkrankungen erreichen können. Diese immer komplexer werdenden Verfahren erfordern jedoch einen hohen Einsatz sowohl für den interventionellen Kardiologen wie auch für den vor- und nachbehandelnden ambulant tätigen Kollegen. Dabei ist die Kommunikation und Abstimmung über die individuell optimierte Therapieplanung und ihre Vor-/Nachsorge im Sinne der gemeinsamen Verantwortung gegenüber dem Patienten von zentraler Bedeutung. Hierauf beruhen letztlich der gemeinsame Erfolg und die Sicherheit bei der Behandlung des einzelnen Patienten.

Ihre

Prof. Dr. Ellen Hoffmann