Dashboards erfordern Überlegungen, die weit über visuelles Design hinausgehen und sich auf den gesamten Entwicklungs- und Implementierungsprozess erstrecken. Insbesondere die klare Vermittlung von Zweck und Relevanz, eine Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie, die kontinuierliche Befähigung zur optimalen Nutzung sowie eine kompromisslose Priorisierung technischer Leistungsfähigkeit entscheiden über den Erfolg und die Nutzung von Dashboards. Allerdings glauben wir, dass diese Empfehlungen allein nicht ausreichen, um langfristig die Effektivität von Dashboards zu sichern. Vielmehr muss sich das Verständnis von Dashboards selbst weiterentwickeln. Dashboards werden noch zu häufig statisch als Produkt verstanden. Bleibt es dabei, besteht angesichts des stetigen Wandels technologischer Infrastrukturen, organisationaler Steuerungskontexte, des ständigen Wettbewerbs mit anderen Tools sowie veränderlicher Nutzerpopulationen die Gefahr, dass einmal implementierte Dashboards ihre Relevanz verlieren.
Wir fordern daher, über prozessbezogene Empfehlungen hinauszugehen und Dashboards selbst als Prozess zu verstehen - und damit eine Verschiebung der Diskussion von Dashboards zu "Dashboarding". Mit diesem Begriff wollen wir die Prozesshaftigkeit von Dashboards unterstreichen, wonach Dashboards als kontinuierlich produziert zu verstehen sind. Erstens schafft Dashboarding als Begriff ein Bewusstsein dafür, dass Nutzer ständig neu überzeugt, Funktionen hinterfragt und die Verbindung zur Strategie immer wieder neu ausgelotet werden müssen. Zweitens vermeidet Dashboarding eine Überfokussierung auf das sichtbare, greifbare Frontend und die damit oft einhergehende Vernachlässigung wichtiger prozessualer Gestaltungsvariablen. Drittens schließlich kann Dashboarding auch eine kritische Analyse der Notwendigkeit zusätzlicher Tools begünstigen: Die "kontinuierliche Produktion" von Dashboards kann, ernsthaft betrieben, mit einem nicht zu unterschätzenden Wartungs- und Entwicklungsaufwand einhergehen. Dies ermutigt dazu, lieber einige wenige, aber sorgfältig durchdachte und tatsächlich wirksame Dashboards zu entwickeln und langfristig zu pflegen, statt Unternehmen und Mitarbeiter mit "einfach bloß schönen Charts" zu überfluten.
"Wir fordern, Dashboards selbst als Prozess zu verstehen."
Die von uns formulierten Empfehlungen sind nicht als Patentrezept für erfolgreiches Dashboarding zu verstehen. Vielmehr müssen Entscheider ihre Sinnhaftigkeit, Machbarkeit und konkrete Operationalisierung stets im spezifischen Unternehmenskontext betrachten. Einige wichtige Kontextelemente sind hier die Technologie, die Unternehmensstrategie und die Besonderheiten lokaler Nutzergruppen. Gerade mit Blick auf den anhaltend euphorischen Diskurs um Technologie gilt, dass Dashboarding von kritischer, informierter Reflexion begleitet sein sollte. Gutes Dashboarding ist Maßfertigung, nicht Fließbandarbeit. Eine gründliche Reflexion setzt auch ein Bewusstsein dafür voraus, dass Dashboards allein noch keine Strategie darstellen (vergleiche Weber/Schäffer 1998, S. 361). Vielmehr müssen sie immer wieder neu im strategischen Steuerungskontext der Organisation verankert werden. Eine solche Verankerung erfordert konzeptionelle Überlegungen, die eine Fixierung auf Dashboards als statisches Produkt überwinden müssen. Unser Aufruf zum Dashboarding und unsere Empfehlungen können dazu beitragen.
Die Autoren danken insbesondere Utz Schäffer, Lukas Löhlein, Jürgen Habermeier und Rouven Morato für ihre wertvollen Hinweise und engagierte Unterstützung der Studie. Besonderer Dank gilt auch allen Studienteilnehmern, außerdem Lars Brückner, Matthias Laupichler und Oguzhan Yilmaz für ihre Anmerkungen zu früheren Versionen des Artikels.
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