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Diese Rezension gibt einen groben Überblick zum Inhalt und zur Konzeption des Schwarzbuches und zeigt somit dessen Wert für (sozial-)pädagogisch Tätig im Themenfeld Rechtsextremismus/Antisemitismus. Das Anliegen des vorliegenden Schwarzbuches ist ein Update der Erziehung nach Auschwitz und richtet sich dieses somit an bildnerisch Tätige. Das Buch, dessen Herausgeber der Sozialpädagoge Christian Niemeyer ist, ist in Reaktion auf den erstarkenden Rechtspopulismus (und -extremismus) zu sehen, der eine Überarbeitung Adornos Erziehung nach Ausschwitz erfordert. Der Schreiber konstatiert zudem ein Desiderat im Bereich der historischen Forschung zur Alten Rechten, die den Bezug zur Neuen Rechten vermissen lässt (vgl. ebd. S. 150). Folglich soll diese Lücke mit dem Schwarzbuch geschlossen werden, das u. a. „den Anspruch einer kritischen Personen- und Dogmengeschichte erhebt“ (ebd., S. 152). Der zeitliche Rahmen, der hier dargelegt wird, umfasst die Zeitspanne ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins Jahr 2029. Die zahlreichen Einzelbeiträge des knapp 800seitigen Werkes werden als „literarische [n] Stolpersteine“ (ebd., S. 16) präsentiert, die sich nach einem ausführlichen Prolog (S. 25–180) in Teil I: Essays (S. 181–649) und Teil II: Glossen (S. 651–783) gliedern, denen ein kleiner Epilog (S. 784–790) folgt. Zusätzlich wird ein umfangreiches kostenloses Onlinematerial (200 S.) zur Verfügung gestellt, das aus Aufgabenmaterial (S. 4–20), einem Lexikon (S. 21–106) und einer umfangreichen Literaturliste (S. 106–153) besteht. Die einzelnen Kapitel bzw. Essays und Glossen können (da in sich geschlossen) in beliebiger Reihenfolge gelesen werden, was den Umgang mit dem Buch erheblich erleichtert. Dennoch beziehen sich die einzelnen Kapitel aufeinander und stehen keinesfalls zufällig nebeneinander. Das Buch erscheint als Erste von mehreren geplanten Publikationen der Reihe „Bildung nach Auschwitz“, das für die antisemitismuskritische Bildung relevante Herausgeber_innen verschiedener Forschungsdisziplinen vereint: Neben Niemeyer sind das Micha Brumlik, Hajo Funke, Viola B. Georgi, Franz-Michael Konrad und Stefanie Schüler-Springorum „literarische [n] Stolpersteine“ (ebd., S. 16).

Es geht dem Autor des Schwarzbuches darum, ein neues bildnerisches Format zu schaffen, mit dem man auch Personen erreicht, „die vor der Lektüre im Begriff standen, der Neuen Rechten Herz und Stimme zu geben“ (ebd., S. 17). Es geht weniger darum, ein weiteres trockenes Sachbuch zum Thema Rechts zu publizieren, als eine Antwort auf die Frage zu finden, wie bildnerisch dem ansteigenden Rechtspopulismus begegnet werden kann. Dem Autor gelingt vermutlich auf diesem Weg über einzelne Rechte Anekdoten die Leserschaft auch außerhalb rein sachlicher Wissensvermittlung zu erreichen und ergänzt somit die bestehende antisemitismuskritische Bildung, mit Bezug auf Nietzsche, um eine ‚fröhliche Wissenschaft‘ (ebd., S. 16) zu einem sonst schwierigen Thema, wenngleich einzelne Essays einen gewissen Wissensvorrat zu deren Verständnis erfordern. Dennoch muss gesagt werden: Dieses Buch ist nicht für Laien geeignet, da das Thema hierfür viel zu komplex ist. Auch sind Schachtelätze in manchen Abschnitten nicht ganz so flüssig zu lesen. Es wird zwar auf den Nationalismus und Geschichtsrevisionismus der Neuen/Alten Rechte eingegangen, die neueren Formen des Antisemitismus werden jedoch (noch) nicht thematisiert. Auch findet die/der Leser_in am Ende keine Handlungsempfehlungen im Umgang mit rechten (AfD-) Narrativen und Parolen.

Außerhalb dieser Kritikpunkte lässt sich sagen, dass es sich bei diesem Buch aufgrund seiner speziellen Konzeption um eine – mit Foucault gesprochene – Werkzeugkiste handelt, aus der sich bedient werden kann und sich das Schwarzbuch deshalb gut für ein Selbststudium und/oder für die Bildungsarbeit gleichermaßen eignet. Der Schreibstil ist dabei flott, ironisch bis (zum Teil) provozierend, was als belebend empfunden werden kann zu einem sonst sehr ernsten Thema. Dieses Buch stellt keine Theoriebildung zum Rechtspopulismus/Rechtsextremismus dar, sondern liegt der besondere Wert im speziellen Format sowie in der Tatsache, dass es sich um ein Update der Erziehung nach Ausschwitz handelt. Hervorzuheben ist auch die gelungene historische Darlegung der Entwicklung von der Alten zur Neuen Rechten (Jugendbewegung) aus Sicht eines Sozialpädagogen. (Sozial‑) Pädagoginnen erhalten mit diesem Material neuartige Anregungen zum pädagogischen Umgang mit Rechtspopulismus, völkischem Nationalismus und Antisemitismus im Kontext der Jugendbewegung: Sei es in der direkten Arbeit mit Klient_innen und/oder für Themenveranstaltungen/Vorträge und Workshops sowie Lehrveranstaltungen für Studierende.