Digitale Medien werden zunehmend Bestandteil von Kindheiten. Aus diesem Grund wird der Einsatz digitaler Medien verstärkt auch für das Feld der Kindertageseinrichtungen als relevant diskutiert. Empirisch lässt sich jedoch zeigen, dass pädagogische Fachkräfte häufig Beharrungs- und Bewahrtendenzen zum Thema Digitalisierung und digitaler Mediennutzung aufweisen. Digitalisierung ist zudem in der Ausbildung von Erzieher_innen aus Sicht von Fachschullehrkräften bisher nur wenig implementiert.

Laut Friedrichs-Liesenkötter (2020) zeigt sich bis heute für das Praxisfeld der Kindertageseinrichtungen, dass digitale Technologien primär „in der Administration, der Dokumentation der kindlichen Entwicklung und dem Austausch mit Eltern“ (Friedrichs-Liesenkötter 2020, S. 442) verwendet werden. Des Weiteren verweist Friedrichs-Liesenkötter (2016, 2018) im Hinblick auf eine Medienerziehung in Kindertageseinrichtungen darauf, dass der überwiegende Anteil der von ihr interviewten zukünftigen Erzieher_innen den Einsatz digitaler Medien in Kindertageseinrichtungen als nicht pädagogisch wertvoll einschätzt, was u. a. dadurch erklärt wird, dass ihre eigenen Kindheiten ohne Medien ruhiger verlaufen seien und sie ihre eigene Kindheit somit als medienfreie Räume romantisieren (vgl. Friedrichs-Liesenkötter 2018, S. 64 ff.). In diesem Zusammengang spricht sie von zwei verschiedenen Typen zukünftiger Erzieher_innen: Die Mehrheit der Auszubildenden gehört dem Typ 1 an, der „Kita als Schutzraum vor ‚schlechten‘ elektronischen Medien“ (Friedrichs-Liesenkötter 2018, S. 69) ansieht. Daneben gibt es einige wenige Auszubildende des Typs 2, die „Medienerziehung auch mit Einsatz digitaler Medien […] als Aufgabe der Kita“ (ebd.) verknüpfen. Interessant ist hierbei, dass auch die zukünftigen Erzieher_innen, die digitale Bildung als eine Aufgabe in Kindertageseinrichtungen ansehen, in der eigenen pädagogischen Praxis jedoch selbst kaum bis gar nicht medienpädagogisch tätig werden.

Demnach scheint eine fachliche Offenheit dem Thema Digitalisierung gegenüber noch kein Garant dafür, dass Digitalisierungsprozesse in der konkreten Kitapraxis fachlich aufgegriffen bzw. aktiv integriert werden (vgl. Friedrichs-Liesenkötter 2018, S. 70). Eine bewahrpädagogische Haltung bzw. fachliche Zurückhaltung auf professioneller Seite steht im Kontrast zu Studienerkenntnissen – hier seien exemplarisch die Studien „Kleinkinder und Medien 2014“ und „Familie, Interaktion, Medien 2016“ benannt – die darauf verweisen, dass Kinder von frühester Kindheit an mit Medien konfrontiert werden und zum Teil bereits selbst Besitzer_innen digitaler Medien und Endgeräte sind (vgl. mpfs 2015, 2017). Folglich stehen die rekonstruierte Abwehrhaltung bzw. fehlende fachliche Berücksichtigung seitens pädagogischer Fachkräfte im Kontext Kita wachsenden Anforderungen entgegen, digitale Bildung nicht mehr nur ausschließlich in und für Schulen zu fordern, sondern das Thema Digitalisierung auch in Kindertageseinrichtungen aufzugreifen (vgl. u. a. Eder und Roboom 2016; Kutscher und Schäfer-Biermann 2018; Lepold und Ullmann 2018).

Digitalisierung und Lebensweltorientierung

Argument für eine fachliche Berücksichtigung digitaler Bildung im pädagogischen Kita-Alltag ist u. a. eine Orientierung am lebensweltorientierten Ansatz. In diesem Zusammenhang sind laut Lepold und Ullmann (2018) vor allem pädagogische Fachkräfte, die motiviert und kompetent sind, Kindern den Umgang mit einem digitalen Medium spielerisch zu erklären, und nicht in erster Linie finanzielle Mittel notwendig, um das Thema Digitalisierung im pädagogischen Alltag zu integrieren. Ziel ist es, dass Kinder einen bewussten Umgang mit Medien erlernen und sowohl die positiven als auch die herausfordernden Seiten kennenlernen, um ihren digitalen Lebensraum konstruktiv mitgestalten zu können (vgl. Lepold und Ullmann 2018, S. 12). Dabei ist es nicht zwangsläufig stets erforderlich, als pädagogische Fachkraft wiederholt selbst digitale Angebote in den Alltag zu implementieren, sondern insbesondere auch mediale Erlebnisse und Erfahrungen der Kinder aufzugreifen und im Sinne einer medienreflexiven und mediensensiblen Bildung und Erziehung kindgerecht zu thematisieren.

Medienkompetenz ist nicht nur Medieneinsatz

Gapski (2001) verweist darauf, dass ein Verständnis von Medienkompetenz dann verkürzt gesehen wird, wenn lediglich technische Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien verstanden werden, was zu einer Reduktion der Vielfalt dieses Begriffes führt. In diesem Zusammenhang plädiert Baacke für eine vierdimensionale Betrachtungsweise von Medienkompetenz und unterscheidet dabei Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung (vgl. Baacke 2007, S. 98). Während Medienkritik und Medienkunde eher die Haltung und das Wissen um Medien beinhalten, geht es bei der letzteren beiden um den konkreten Einsatz und die didaktische Gestaltung. Laut von Wensierski (2018) zielt Medienpädagogik dementsprechend „auf die Entwicklung, den Ausbau und die Sicherung der Medienkompetenzen von Kindern und Jugendlichen, um diese in die Lage zu versetzen, in ihrem Medienalltag zu selbstbestimmten, kritischen, aktiven und kreativen Mitgestaltern ihrer mediatisierten Lebenswelt zu werden“ (Wensierski, von 2018, S. 984). Da neben Familien insbesondere Kindertageseinrichtungen ein geeigneter Ort sind, einem unreflektierten Konsumieren präventiv zu begegnen und einen kritisch-reflexiven Umgang zu unterstützen, ist es laut Eder und Roboom (2016) fachlich wenig sinnvoll, sich im Sinne einer bewahrpädagogischen Haltung dem Thema Digitalisierung im Kontext Kita zu verschließen.

Digitalisierung nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung

Einigkeit im frühpädagogischen Diskurs um Digitalisierung in der Kita besteht dahingehend, dass digitale Geräte, wie bspw. Tablets, weder persönliche Beziehungen, das Lernen in der Natur noch analoge Lebenserfahrungen ersetzen (vgl. u. a. Eder und Roboom 2016; Lepold und Ullmann 2018). Das bedeutet beispielsweise, dass ein Tablet nur dann genutzt wird, wenn es einen pädagogischen Zweck erfüllt und die Nutzung zeitlich begrenzt ist. Dabei sollte stets das Primat der Pädagogik beachtet werden. Die Nutzung digitaler Medien sollte folglich immer in Ergänzung zu anderen Tätigkeiten sowie im Rahmen pädagogischer Ziele erfolgen. Auf diese Weise kann ein bewusster Umgang erfahrbar und einem passiven Konsumieren präventiv begegnen werden (vgl. Eder und Roboom 2016). Anfang et al. (2015) fordern daher mit Nachdruck eine adäquate Begleitung durch medienkompetente pädagogische Fachkräfte. Um dies leisten zu können, sind jedoch eine fachliche Auseinandersetzung und Identifikation mit der Thematik der Digitalisierung seitens pädagogischer Fachkräfte von Nöten. Entsprechende Erfahrungen und Kompetenzen müssten zudem bereits im Rahmen der Ausbildung aufgegriffen und entwickelt werden. In diesem Zusammenhang ist daher auch eine fachliche Identifikation und Expertise seitens Fachschullehrer_innen eine wesentliche Voraussetzung, um das Thema Digitalisierung in die Erzieher_innenausbildung zu implementieren.

Perspektiven aus Sicht von Fachschullehrkräften: zwischen Reden und Tun

Nachfolgend werden Befunde einer qualitativen Promotionsstudie (Laufzeit 2018 bis 2021) präsentiert, die die Relevanz von Digitalisierungsprozessen in Kindertagesstätten aus Sicht von pädagogischen Fachkräften und (Berufs‑)Fachschullehrer_innen der Fachrichtung Sozialpädagogik untersucht. Mit Blick auf die Forschungsfrage, wie und mit welchen Relevanzen pädagogische Fachkräfte und (Berufs‑)Fachschullehrer_innen Digitalisierung und digitalen Wandel in sozialpädagogischer Praxis von Kindertagesstätten und in der Ausbildung von Erzieher_innen verknüpfen, wurden in den Jahren 2019 und 2020 leitfadengestützte Interviews mit Erzieher_innen in Bayern und Lehrkräften an (Berufs‑)Fachschulen in Niedersachsen und Hamburg geführt. Die empirischen Daten wurden mithilfe der Grounded Theory (vgl. Strauss und Corbin 1996) und in Anlehnung an Prinzipien der Sequenzanalyse nach Behrend und Ludwig-Mayerhofer (2006) ausgewertet. Bezüglich der folgend vorgestellten Perspektiven und O‑Töne, die (Berufs‑)Fachschullehrer_innen für Sozialpädagogik zu Digitalisierung in Kindertagesstätten und in der Ausbildung von Erzieher_innen einnehmen, wird deutlich, dass die interviewten Lehrkräfte die Relevanz sehen, digitalen Wandel als integrale Komponente früher Kindheit in ihre sozialpädagogischen Lehr-Lern-Arrangements aufzunehmen.

Die Digitalisierung wird von den interviewten Lehrer_innen durchgehend als Teil der kindlichen Lebenswelten ausgewiesen, wie eine Lehrkraft in ihrer Aussage verdeutlicht: „Diese Generation, die jetzt aufwächst, die wächst mit diesen Dingen AUF, die HAT keine Wahl mehr“ (I1, Z. 765 f.). Was die Fachschullehrer_innen jedoch an der Thematisierung von Digitalisierung in ihrem eigenen Unterricht zurückhält, ist die mangelhafte Implementierung des Themas in Rahmenlehrplänen und Curricula. So ist es für die Interviewten wichtig, dass Digitalisierung „erst mal Bestandteil der Module sein muss, um sich überhaupt damit auseinanderzusetzen“ (I5, Z. 330 f). Zudem wird kritisiert, dass Digitalisierung in Form von Medienkompetenz ausschließlich als „Querschnittsaufgabe“ in Rahmenrichtlinien integriert ist. Dies empfinden die Lehrkräfte als unzureichend, da „Digitalisierung […] heutzutage kein Randthema mehr [ist]“ (I2, Z. 302). Die Analysen der Interviews zeigen, dass zwar von den interviewten Fachschullehrkräften die Notwendigkeit einer Thematisierung und Problematisierung digitalen Wandels für die Ausbildung von Erzieher_innen befürwortet wird, dies in eigenen Unterrichtssettings jedoch nur in geringem Umfang bzw. gar nicht realisiert wird. Dies wird damit begründet, dass in den Curricula keine oder nur wenig Unterrichtszeiten durch spezifische Module bzw. Lernfelder eingeräumt werden. Dies ist insofern interessant, da in der Regel Freiheiten in der Ausgestaltung der Module bzw. Lernfelder bestehen und Medien und Digitalisierung auch modul-/lernfeldübergreifend thematisiert werden könnten.

Die Auswertung der Interviews zeigt zudem die hohe Bedeutung, die Lehrkräfte der pädagogischen Begleitung der kindlichen digitalen Mediennutzung durch Erzieher_innen in Kindertagesstätten zuschreiben. Demnach spielt die Begleitung durch die Fachkräfte „eine extrem große Rolle“ (I5, Z. 179). Eine weitere Lehrkraft betont: „Eine sehr sehr sehr sehr sehr große Rolle. Die pädagogischen Fachkräfte sind ja im Prinzip dafür verantwortlich, dass altersgemäße und auch bedürfnisorientierte Medien eingesetzt werden und diese auch vor allem adäquat begleitet werden.“ (I7, Z. 103 ff.).

Dass Digitalisierung seitens der Schüler_innen jedoch wenig thematisiert wird, zeigt sich mehrfach in den Interviews. Beispielhaft antwortet eine Lehrkraft auf die Frage nach der fachlichen Relevanz des Themas der Digitalisierung für die Schüler_innen: „da müsste ich jetzt spekulieren oder mir irgendwelche Sachen aus den Fingern saugen“ (I8, Z. 247 f). Sofern das Thema der Digitalisierung in der Kindheit in Lehr-Lern-Settings besprochen wird, nehmen die Lehrkräfte bei ihren Schüler_innen mehrheitlich eine ambivalente Haltung zu Digitalisierung in der Kindheit wahr: „Die sind auf der einen Seite privat persönlich sehr weit fortgeschritten, die können das ziemlich gut, die erklären mir dann auch, wenn ich mit irgendeiner Sache nicht klarkomme, aber die sehen das so aus professioneller Sicht oder in ihrer Ausbildung, wenn ich jetzt von der Erzieherausbildung ausgehe, doch sehr gemischt. Da kommen doch so Argumente ‚Kinder sollen mehr praktische Erfahrungen machen und die sitzen zu Hause schon genug vor der Glotze.‘“ (I8, Z. 24–29).

Deutlich wird, dass aus Sicht der Lehrkräfte Schüler_innen Privates und Berufliches „mit unterschiedlichen Augen“ (I8., Z. 35) sehen. Digitale Geräte werden im eigenen Leben intensiv genutzt, im Bereich der Kindheit werde jedoch die Position vertreten „für Kinder ist das nichts“ (I4, Z. 199).

Fachliche Anerkennung und Digitalisierung als curriculare Querschnittsdimension

Resümierend lässt sich festhalten, dass sich die Perspektiven der (Berufs‑)Fachschullehrkräfte auf die Relevanz von Digitalisierung in der Ausbildung von Erzieher_innen zwischen den Polen einer Anerkennung der Thematik und einer Nicht-Realisierung bewegen und aus ihrer Sicht auch die zukünftigen Erzieher_innen eher gehemmt sind, sich diesem Themenfeld des gesellschaftlichen Wandels zu widmen. Zudem zeigen die vorliegenden Interviewdaten für die Fachschullehrkräfte ähnliche Positionierungen, wie sie Friedrichs-Liesenkötter (2016, 2018) für zukünftige Erzieher_innen des Typs 2 rekonstruiert hat: die fachliche Anerkennung seitens der Expert_innen geht nicht zwangsläufig mit der konkreten inhaltlichen Berücksichtigung im eigenen pädagogischen Alltag einher – also weder im fachschulischen Unterricht noch in pädagogischer Praxis in Kindertageseinrichtungen. Dies verweist darauf, dass sowohl zukünftige Erzieher_innen als auch Fachschullehrer_innen ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag unzureichend wahrnehmen (können), was Beharrungs- und Bewahrtendenzen intensiviert. Dies kann zur Folge haben, dass Kindern in Kindertagesstätten nur eingeschränkte Optionen offenbart werden, zu aktiven und kritisch-reflexiven digitalen Mediennutzer_innen heranzuwachsen. Auffällig ist zudem, dass Digitalisierung zwar curricular als Querschnittsdimension benannt wird, dies aber nicht als deutliche Relevanzsetzung gewertet, sondern vielmehr als Randthema interpretiert wird. Folglich verweisen die vorliegenden Erkenntnisse darauf, dass weder eine fachliche Identifikation seitens Fachschullehrer_innen noch die Setzung von Digitalisierung als Querschnittsthema ausreichen, um dieses Thema Bestandteil der Erzieher_innenausbildung werden zu lassen.

In diesem Zusammenhang ist es im Sinne eines komplexen Verständnisses von Medienkompetenz (vgl. Gapski 2001; Baacke 2007) unabdingbar, dass Fachschüler_innen Wissen zu kindlicher Privatsphäre, datenschutzrechtlichen Grundlagen und zu pädagogisch empfehlenswerten Medienprodukten erwerben, um darauf aufbauend Projekte und Angebote planen und durchführen zu können. Auf diese Weise erhalten Auszubildende die Chance, sich im Fachschulkontext als Expert_innen für Digitalisierung zu entwickeln, damit sie professionell und kompetent als Begleiter_innen der kindlichen digitalen Mediennutzung agieren. Nur so können Kinder in Kindertageseinrichtungen dazu befähigt werden, zu medienkompetenten Gestalter_innen ihrer digitalisierten Zukunft heranzuwachsen. Die aktive Gestaltung digitaler Alltags‑, Erfahrungs- und Lebenswelten ist somit weiterhin eine „zentrale Zukunftsaufgabe“ (UNICEF 2017, S. 2), die einer weiteren Konkretisierung (auch) in der Erzieher_innenausbildung bedarf.