Zusammenfassung
Dieser Beitrag zielt darauf ab, verschiedene geschichtswissenschaftliche Perspektiven auf den wechselseitigen Zusammenhang von Herrschaft und Gewalt kritisch zu beleuchten. Dabei spielt die häufig unzureichende Differenzierung zwischen Quellenbegriff und Forschungsbegriff erkenntnistheoretisch eine wichtige Rolle. Mit „Ordnung“ und „Sicherheit“ sollen dann zwei akteurszentrierte Bezugssysteme herangezogen werden, um die historische Forschungsperspektive so erweitern zu können, dass mögliche Auswege aus dem hier behandelten erkenntnistheoretischen Dilemma aufgezeigt werden können.
Résumé
Cet article développe une critique globale de la recherche historique qui analyse les corrélations entre pouvoir social et violence. La tendance à ne pas suffisamment différencier les concepts issus des sources de ceux utilisés pour la recherche a empêché les sciences historiques de mettre en lumière le rapport fonctionnel complexe qui existe entre domination et violence. En s’appuyant sur les approches de l’anthropologie culturelle qui éclairent la nature négociée de la domination sociale et soulignent la dimension relationnelle de la domination, comme processus communicatif et dynamique de négociation, les phénomènes historiques de violence seront mieux décrits ainsi que les mécanismes fondamentaux qui régissent leur insertion culturelle et structurelle.
Abstract
This article develops a comprehensive critique of historical research focussing on the mutual relations between social power and violence. According to the methodological initial hypothesis, due to the inadequate distinction between indigenious concept (from sources) and heuristic (from reseach) in the historical sciences, there have been very few valuable insights into these relations to date. In order to expand the research focus which is the objective of this article, the analysis draws on the two actor-centric reference systems of “certainty” and “order”. The key idea behind this, operationalizing certainty/uncertainty by means of order/disorder, is a promising way of programmatically combining a vertical and horizontal network of relationships of power, violence, certainty, and order.
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Ralf Pröve, geboren 1960, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Potsdam. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Militärgeschichte und der Kulturgeschichte der Gewalt. Zuletzt erschien von ihm, zusammen mit A. Landwehr, „Sichere und unsichere militärische Räume“ (in Kampmann (Christoph) und Niggemann (Ulrich), Hg., Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm, Praxis, Repräsentation, Köln, Böhlau, 2013, S. 674–682).
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Pröve, R. Sichere Ordnung, ordentliche Sicherheit? Gewalt und Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Rev synth 135, 385–403 (2014). https://doi.org/10.1007/s11873-014-0263-x
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