Fast 30 Jahre sind vergangen, seit der Begriff „tissue engineering“ eingeführt wurde – ein damals neues Konzept, das sich auf die Regeneration von verschiedenen Gewebsarten aus Zellen mit Unterstützung von Biomaterialien und Wachstumsfaktoren konzentriert. Diese interdisziplinäre Technik zog als neues therapeutisches Mittel viel Aufmerksamkeit auf sich, da sie potenziell die Nachteile der synthetischen Materialien oder der autologen Transplantationen überwinden kann. Immer noch stellt das „tissue engineering“ eines der sich am schnellsten entwickelnden und aufregendsten Gebiete der biomedizinischen Technik dar. Es kombiniert verschiedene Disziplinen wie die Biologie, einschließlich Zellbiologie, Materialwissenschaften, Chemie, Molekularbiologie, Ingenieurwesen sowie (Zahn‑)Medizin und steht im Fokus vieler Forschungsgruppen weltweit.

Als Schlüsselelemente werden Zellen, Gerüste („scaffolds“) und Wachstumsfaktoren benötigt

Es gibt viele klinische Herausforderungen, bei denen die Verwendung künstlicher Gewebe oder gar Organe gerechtfertigt ist. So ist z. B. bei angeborenen Anomalien eine Geweberekonstruktion erforderlich. Nach einer Krankheit oder einer schweren Verletzung können sich die meisten Gewebe wie Knochen und Haut nicht oder nur minimal regenerieren. Dies gilt ebenso für die physiologische Atrophie des Alveolarkamms nach Zahnverlust. Das wesentliche Prinzip des Tissue Engineerings besteht darin, dass diejenigen Zellen, die in der Lage sind, den Regenerationsprozess zu initiieren und aufrechtzuerhalten, durch Wachstumsfaktoren oder Gene „eingeschaltet“ werden, sodass sie neues funktionelles Gewebe der erforderlichen Sorte erzeugen. Dies kann mithilfe eines Gerüsts, wie z. B. durch konventionelle Knochenersatzmaterialien oder auch durch Matrices erreicht werden, um die geometrische oder architektonische Form des neuen Gewebes zu bestimmen. Somit werden die 3 Schlüsselelemente Zellen, Gerüste („scaffolds“) und Wachstumsfaktoren benötigt. Während die In-vitro-Züchtung von Gewebe im zahnärztlichen Bereich noch nicht in der Praxis angekommen ist, werden derzeit vielfältige Versuche unternommen, die Biomaterialien – seien es Knochenersatzmaterialien unterschiedlicher Zusammensetzungen und Herkunft oder auch Matrices zur Weichgewebsregeneration – weiter zu funktionalisieren, um derart eine vollständigere, schnellere und v. a. im Vergleich zu der Entnahmemorbidität autologer Materialien schonendere Regeneration zu gewährleisten.

Aus diesem Grund beschäftigt sich die vorliegende Ausgabe von wissen kompakt zuerst mit dem autologen Gewebe zur Regeneration des Kieferknochens und des ortsständigen Weichgewebes, das immer noch, trotz relevanter Nachteile, in einigen klinischen Bereichen als Goldstandard gesehen werden muss. Anschließend werden Alternativen und ihre Einsatzgebiete, v. a. im Rahmen der „guided bone regeneration“ (GBR) und „guided tissue regeneration“ (GTR) beleuchtet und diskutiert. Den krönenden Abschluss stellt ein Beitrag zum autologen „platelet-rich fibrin“ (PRF) dar, das dem Praktiker die Möglichkeit gibt, v. a. die Weichgewebsheilung durch Konzentration patienteneigener Wachstumsfaktoren zu steuern.

Autologes PRF ermöglicht Weichgewebsheilung durch Konzentration patienteneigener Wachstumsfaktoren

Ich danke den Autoren und der Redaktion, dass wir ein solch inhaltsvolles Heft gemeinsam gestalten konnten und wünsche Ihnen, liebe Leser, viel Spaß beim Schmökern.

Peer W. Kämmerer