Zusammenfassung
Die eingesetzten diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei Schmerzen variieren häufig je nach Ausbildung, Erfahrung und Fachgruppe, was die Patienten verunsichern kann. Das führt in einigen Fällen zu Überdiagnostik und -therapie von einfachen und zu Unterdiagnostik und -therapie von komplexen Erkrankungen. Nach einer Einordnung der klassischen Kiefergelenkschmerzen in die Gruppe der kraniomandibulären Dysfunktionen (CMD) wird dargestellt, wie die 6 häufigsten schmerzhaften Störungen im Bereich der Kiefergelenke einfach zu erkennen und zu behandeln sind. Wie im klinischen Alltag wird von den Leitsymptomen und der Anamnese über die Untersuchung zur Diagnose geführt, und es werden einfache Therapiekonzepte auf Grundlage der evidenzbasierten Medizin beschrieben. Die Schlüsselfragen, „wann“ und „wie“ die Schmerzen anfingen, sind dabei unerlässlich für die Differenzierung der auslösenden Faktoren, die Differenzialdiagnosen und die Therapie.
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Interessenkonflikt
H. Kares gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
M. Schmitter, Heidelberg
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Die nozizeptiven Anteile welchen Nervs werden bei Kiefergelenkschmerzen überwiegend aktiviert?
N. facialis
N. auriculotemporalis
N. maxillaris
N. occipitalis
N. glossopharyngeus
Wie hoch ist in etwa die Prävalenz von Kiefergelenkschmerzen in der Bevölkerung?
Etwa 3 %
Etwa 6 %
Etwa 9 %
Etwa 20 %
Etwa 30 %
Eine 36-jährige Frau ist stark erkältet und hat dadurch sehr schlecht geschlafen. Sie wird morgens wach und klagt plötzlich über Ohrschmerzen rechts. Die Kieferöffnung liegt bei 25 mm und ist schmerzhaft, der Unterkiefer weicht dabei um 6 mm nach rechts aus. Was ist die wahrscheinlichste Diagnose?
Retrodiszitis (Arthritis) im rechten Kiefergelenk
Akute anteriore Diskusverlagerung links ohne Reposition mit Arthralgie rechts
Akuter Trismus (Kieferklemme) durch starke muskuläre Anspannung nachts
Otitis externa
Akute anteriore Diskusverlagerung rechts ohne Reposition mit Arthralgie
Ein 48-jähriger Schulleiter und wird morgens wach mit Ohrschmerzen links beim Zubeißen. Das Okklusionsprotokoll zeigt links einen seitlich offenen Biss. Die Kiefer weicht bei Öffnung nach rechts ab und ist links ab 45 mm schmerzhaft. Sonst keine auffälligen Befunde. Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?
Rheumatoide Arthritis im linken Kiefergelenk
Spasmus des M. pterygoideus lateralis links durch Schlafbruxismus
Arthralgie mit akuter anteriorer Diskusverlagerung ohne Reposition im linken Kiefergelenk
Arthritis (Retrodiszitis) im linken Kiefergelenk
Triggerpunkte und Myalgie im linken M. masseter
Die Patientin bekommt den Mund nicht mehr richtig zu, nachdem sie laut gerufen hat (Luxation). Welche Therapie könnte am schnellsten helfen?
Abwarten, ob die Luxation von allein verschwindet
Die Patientin über die Gefahren einer Luxation informieren und sofort in eine kieferchirurgische Ambulanz einweisen
Patientin fest zubeißen lassen um zu versuchen, die Luxation zu reponieren
Den Unterkiefer ruckartig nach hinten reponieren
Beruhigend die Patientin über die Luxation aufklären und während einer Kieferöffnung vorsichtig eine Reponierungsversuch vornehmen
Aufgrund der Studienlage kann die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieverfahren bei Kiefergelenkschmerzen nach Empfehlungsgrad aufgeschlüsselt werden. Welche der folgenden Optionen ist nur eingeschränkt empfehlenswert?
Arthrozentese
Selbsttherapie
Physiotherapie
Akupunktur
Kognitive Verhaltenstherapie
Eine 21-jährige Studentin im Prüfungsstress klagt zum ersten Mal über Kiefergelenkschmerzen rechts seit einigen Tagen, die nur morgens auftreten. Die Kiefergelenke sind bei der Untersuchung unauffällig, die Kaumuskulatur allerdings sehr empfindlich. Die Diagnose ist: ausstrahlende Schmerzen durch Triggerpunkte im M. masseter rechts durch Schlafbruxismus. Welche Therapiemaßnahme sollte an erster Stelle stehen?
Eine dreidimensionale Bewegungsaufzeichnung der Kiefergelenke
Eine beruhigende Aufklärung über die muskuläre Genese der Schmerzen und den Schlafbruxismus sowie die verschiedenen therapeutischen Optionen
Eine medikamentöse Therapie mit Chondroprotektiva
Eine Triggerpunktinjektion im betroffenen Muskel
Eine kognitive Verhaltenstherapie
Eine 24-jährige Patientin kommt in die Praxis mit rezidivierenden Blockierungen im linken Kiefergelenk nachts trotz Okklusionsschiene. Die Diagnose lautet: anteriore Diskusverlagerung mit Reposition und intermittierender Blockierung. Die Beschwerden traten auf, nachdem sie eine neue Medikation gegen ihre depressive Verstimmung nehmen musste. Was ist wahrscheinlich kurzfristig die wirksamste Therapie?
Eine neue Okklusionsschiene mit erhöhter Vertikaldimension
Regelmäßige Entspannungsübungen am Tag
Ein Absetzen der aktuellen Medikation und die Umstellung auf ein anderes Antidepressivum mit weniger Nebenwirkungen
Psychoanalyse
Verhaltenstherapie
Ein 36-jähriger Lehrer klagt über eine eingeschränkte Kieferöffnung und nur leichte Beschwerden über dem rechten Kiefergelenk seit etwa 4 Wochen. Es liegt eine anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition rechts vor. Was ist wahrscheinlich die wirksamste und einfachste Therapie zur Verbesserung der Kieferöffnung?
Eine anteriore Repositionierungsschiene dauerhaft tragen und anschließend eine prothetische Bisshebung
Intraartikuläre Injektion mit Glukokortikoiden
Täglich 3‑mal Dehnübungen zur Verbesserung der Kieferöffnung
Kortikoidinjektionen und Arthrozentese mit Lavage
Gabe von Chondroprotektiva
Bei der Vermessung der Kieferbewegungen passen welche Ergebnisse am besten zu einer anterioren Diskusverlagerung ohne Reposition rechts?
Kieferöffnung < 50 mm, gerade, Laterotrusion beidseits > 10 mm
Kieferöffnung < 40 mm, Deflektion rechts, Laterotrusion links < 5 mm
Kieferöffnung < 40 mm, Deflektion rechts, Laterotrusion rechts < 5 mm
Kieferöffnung < 30 mm, gerade, Laterotrusion beidseits > 10 mm
Kieferöffnung < 30 mm, Deflektion nach links, Laterotrusion links < 5 m
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Kares, H. Vorgehensweise bei Schmerzen im Kiefergelenk. wissen kompakt 10, 67–79 (2016). https://doi.org/10.1007/s11838-016-0022-y
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