Eine Schwangerschaft ist für die werdenden Eltern ein großer Grund der Freude. Momente voller Freude wechseln sich oft mit Sorgen und Ängsten ab. Hierbei ist zumeist die Sorge um die Gesundheit des Babys dominierendes Motiv. Dafür wird in der Regel sehr genau auf eine gesunde Ernährung, Vermeidung von Noxen, ausreichend Schlaf und vieles andere geachtet sowie ärztliche Kontrolltermine streng eingehalten. Kinderwunsch und Schwangerschaft stellen auch in der Arzt-Patienten-Beziehung eine besondere Phase dar. Hier wünschen und erwarten die werdenden Eltern eine umfangreiche und kompetente Beratung durch den Arzt, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit des Kindes.

Bei Menschen mit Hypersomnolenz-Erkrankungen, wie der Narkolepsie oder der idiopathischen Hypersomnie, stellen sich Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit deutlich komplizierter dar. Einerseits bestehen Sorgen um die eigene Erkrankung. Fragen wie „Werden meine Symptome in der Schwangerschaft schlimmer? Muss ich meine Medikamente absetzen? Wann?“ sind die Regel. Auch bestehen finanzielle und berufliche Ängste. Viele Erkrankte sind in ihrer Leistungsfähigkeit ohnehin eingeschränkt und können nur Teilzeittätigkeiten nachgehen. Sollten Medikamente abgesetzt werden müssen, besteht konkrete Sorge, ob dann überhaupt noch einer Tätigkeit nachgegangen werden kann. Zum anderen bestehen natürlich auch hier Sorgen um die Gesundheit des Kindes. Neben den „allgemeinen“ Sorgen kommen auch Fragen nach der Vererbbarkeit der Erkrankungen oder zu möglichen Schädigungen durch Medikamente.

Hypersomnolenz-Erkrankungen und deren Behandlungen stellen keinen generellen Hinderungsgrund für eine Schwangerschaft dar. Die Herausforderungen liegen vielmehr in der richtigen Beratung hinsichtlich des Symptomverlaufs und der medikamentösen Therapien in Zusammenhang mit der Familienplanung und der Schwangerschaft.

Obwohl die verabreichten Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit nicht zugelassen sind, treten Schwangerschaften regelmäßig auch unter Therapien auf. Weitere Fragen ergeben sich auch für den Zeitraum nach der Schwangerschaft: Ob und wenn ja, wie lange gestillt werden soll und über den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der medikamentösen Therapien.

Die meisten der genannten Fragen können heute kaum angemessen beantwortet werden.

In seiner Übersicht „Schwangerschaft: Prognose, Verlauf und Risiken bei unbehandelten und behandelten Narkolepsie‑/Hypersomnie-Patienten“ hat Geert Mayer systematisch die vorhandenen Publikationen zu diesem Themenkomplex präzise untersucht, analysiert und anschaulich dargestellt. Insbesondere werden eingesetzte Medikamente und deren Nutzen-Risiko Verhältnis vorgestellt. In dem Beitrag wird allerdings auch sehr deutlich, dass das vorhandene Wissen dazu sehr gering ist und viele Empfehlungen überwiegend auf Erfahrungen von Experten beruhen. Insbesondere auch zu neuen Medikamenten liegen oftmals keine oder kaum Daten zu potenziellen embryotoxischen Risiken oder Interaktionen mit Kontrazeptiva (u. a.) vor.

Es kann die Frage gestellt werden, warum bei der Zulassung von neuen Medikamenten nicht auch tierexperimentelle oder In-vivo-Studien zu diesen Fragen zwingend eingefordert werden. So bleibt es letztendlich oftmals unklar, ob ein Medikament mit einem Risiko für eine Schädigung des Embryos einhergeht. Dies stellt sowohl für die Eltern als auch den beratenden Arzt eine unbefriedigende Situation dar.

Primäre Schlaf-Wach-Erkrankungen mit Hypersomnolenz (Narkolepsien, idiopathische Hypersomnie, Kleine-Levin-Syndrom) sind seltene Erkrankungen. Da Schwangerschaften aber selbst in großen Praxen oder Kliniken nur absolute „Einzelfälle“ sind, erscheint sowohl aus wissenschaftlicher als auch praktischer Sicht der Aufbau eines Hypersomnolenz-Schwangerschaftsregisters sinnvoll. Dies wird aktuell an der Universität Witten/Herdecke aufgebaut und soll ab Anfang 2022 zur Verfügung stehen. Übergeordnetes Ziel hierbei ist es, Menschen mit Hypersomnolenz-Erkrankungen besser zu Fragen von Kinderwunsch und Schwangerschaft beraten zu können, ihnen damit zumindest einen Teil der Sorgen nehmen zu können und die Schwangerschaft wieder mehr zu einer Zeit der (Vor‑)Freude werden zu lassen.

Ihr

Ulf Kallweit