Zusammenfassung
Das kindliche obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) weist eine hohe Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung auf. Risikofaktoren sind adenotonsilläre Hyperplasie, Frühgeburtlichkeit, Adipositas sowie kraniofaziale Dysmorphien. Eine Besonderheit des kindlichen OSAS besteht in möglichen Verhaltensauffälligkeiten der Betroffenen, die zudem ein erhöhtes Risiko für perioperative narkoseassoziierte Komplikationen aufweisen. Diagnostische und therapeutische Optionen sollten anhand des Algorithmus „Schnarchen im Kindesalter“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) individuell bestimmt werden. Die Diagnostik mittels Polysomnographie (PSG) bleibt spezialisierten pädiatrischen Schlaflaboren vorbehalten. Häufigste operative Therapie des kindlichen OSAS ist die Adenotomie mit Tonsillotomie. Die Positive-Airway-Pressure-Therapie (PAP-Therapie) kommt bei Kindern nur in Einzelfällen zum Einsatz. Wichtig ist eine Erfolgskontrolle nach OSAS-Therapie.
Abstract
Pediatric obstructive sleep apnea syndrome (OSAS) has a high prevalence in the general population. Risk factors are adenotonsillar hyperplasia, preterm birth, obesity, and craniofacial dysmorphia. A special feature of pediatric OSAS is that it can manifest in behavioral problems. These patients also have an increased risk of perioperative anesthesiologic complications. Diagnostic and therapeutic options should be defined individually using the “Snoring in childhood” algorithm of the German Sleep Research and Sleep Medicine Society (DGSM). Diagnosis based on polysomnography (PSG) is reserved for specialized pediatric sleep centers. The most common surgical treatment for pediatric OSAS is adenoidectomy with tonsillotomy. Positive airway pressure (PAP) therapy in children is only indicated in individual cases. Monitoring of treatment success is important after OSAS therapy.
Abbreviations
- AASM:
-
American Academy of Sleep Medicine
- AHI:
-
Apnoe-Hypopnoe-Index
- AIM:
-
Antiinflammatorische Medikation
- ALTE:
-
„Apparent life-threatening event“, lebensbedrohliches Ereignis ohne ausreichende klinische Erklärung
- ATTE:
-
Adenotomie mit Tonsillektomie
- ATTT:
-
Adenotomie mit Tonsillotomie
- BiPAP:
-
„Bilevel positive airway pressure“
- CPAP:
-
„Continuous positive airway pressure“
- DGAI:
-
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V.
- DGSM:
-
Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
- DISE:
-
„Drug-induced sleep endoscopy“, Schlafendoskopie
- HNO:
-
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
- MFT:
-
Myofunktionelle Therapie
- MRT:
-
Magnetresonanztomographie
- NREM:
-
„Non-rapid eye movement“
- OSA:
-
Obstruktive Schlafapnoe
- OSAS:
-
Obstruktives Schlafapnoesyndrom
- PAP-Therapie:
-
Positive-Airway-Pressure-Therapie
- PSG:
-
Polysomnographie
- PSQ-SRBD:
-
Pediatric Sleep Questionnaire—Sleep-Disordered Breathing Subscale
- REM:
-
„Rapid eye movement“
- ROHHAD:
-
„Rapid onset obesity, hypothalamic dysregulation, hypoventilation, and autonomic dysregulation“
- TE:
-
Tonsillektomie
- TT:
-
Tonsillotomie
Literatur
Yu JL, Afolabi-Brown O (2019) Updates on management of pediatric obstructive sleep apnea. Pediatr Investig 3(4):228–235
Lo Bue A, Salvaggio A, Insalaco G (2020) Obstructive sleep apnea in developmental age. A narrative review. Eur J Pediatr 179(3):357–365
Huang Y‑S, Guilleminault C (2017) Pediatric obstructive sleep apnea: where do we stand? Sleep-Related Breathing Disorders Bd. 80. Karger Publishers, S.136–144
Stowe RC, Afolabi-Brown O (2020) Pediatric polysomnography—A review of indications, technical aspects, and interpretation. Paediatr Respir Rev 34:9–17
Guilleminault C (2013) Pediatric obstructive sleep apnea and the critical role of oral-facial growth: evidences. Front Neurol 3:184
Scalzitti NJ, Sarber KM (2018) Diagnosis and perioperative management in pediatric sleep-disordered breathing. Pediatr Anesth 28(11):940–946
Badelt G, Goeters C, Becke-Jakob K, Deitmer T, Eich CB, Höhne C et al (2021) S1-Leitlinie: Obstruktive Schlafapnoe im Rahmen von Tonsillenchirurgie mit oder ohne Adenotomie bei Kindern – perioperatives Management. HNO 69:3–13
Urschitz MS, Poets CF, Stuck BA, Wiater A, Mitglieder der Steuerungsgruppe der AGPdDGfSuS (2014) Schnarchen bei Kindern. Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen. HNO 62(8):586–589
Wu CR, Tu YK, Chuang LP, Gordon C, Chen NH, Chen PY et al (2020) Diagnostic meta-analysis of the Pediatric Sleep Questionnaire, OSA-18, and pulse oximetry in detecting pediatric obstructive sleep apnea syndrome. Sleep Med Rev 54:101355
Kirchhoff F, Feldmann E, Kramer A, Scholle S, Erler T, Hoch B et al (2012) Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes-und Jugendalter im Schlaflabor. Monatsschr Kinderheilkd 160(1):62–66
Mayer G, Arzt M, Braumann B, Ficker JH, Fietze I, Galetke W et al (2017) S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen, Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, DGSM. Somnologie 20(Sonderheft 2):97–180
Berner R, Steffen G, Toepfner N, Waldfahrer F, Windfuhr JP (2015) S2k-Leitlinie 017/024: Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln – Tonsillitis. AWMF online. 2015(AWMF-Register Nr. 017/024):115
Stupp F, Hoffmann TK, Grossi A‑S, Sommer F, Lindemann J (2019) Hauptsymptome und Elternerwartung bei Adenotomie und Adenotonsillotomie im Vorschulalter. Laryngorhinootologie 98(03):167–174
Urschitz M, Poets C, Stuck B, Wiater A, Kirchhoff F (2013) Medikamentöse Behandlung von Atmungsstörungen bei adenotonsillärer Hyperplasie. Monatsschr Kinderheilkd 161(9):843–846
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
K. Bahr: A. Finanzielle Interessen: K. Bahr gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Oberärztin, HNO-Klinik, Universitätsmedizin Mainz | Mitgliedschaft: Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO).
L. Große: A. Finanzielle Interessen: L. Große gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Assistenzärztin in Weiterbildung, Klinik und Poliklinik für Hals‑, Nasen‑, Ohrenheilkunde, Universitätsmedizin Mainz.
Wissenschaftliche Leitung
Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.springermedizin.de/cme.
Der Verlag
erklärt, dass für die Publikation dieser CME-Fortbildung keine Sponsorengelder an den Verlag fließen.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Wissenschaftliche Leitung
Dr. H. Hein, Reinbek
Prof. Dr. R. Schulz, Wiesbaden
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift HNO 2021 ・ 69:325–334. https://doi.org/10.1007/s00106-021-01012-5. Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist nur einmal möglich.
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
In der Kasuistik ist der Fall eines 4‑jährigen Jungen mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom (OSAS) mit Hyperplasie der Gaumenmandeln ohne weitere Vorerkrankungen oder Auffälligkeiten dargestellt. Welche Therapie ist bei diesem Kind zunächst am ehesten indiziert?
Unterkieferprotrusionsschiene
Verhinderung der Rückenlage
Adenotomie und Tonsillotomie
Orthognathe Chirurgie
Positive-Airway-Pressure-Therapie (PAP-Therapie)
Im Gegensatz zum obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) im Erwachsenenalter ist ein spezifisches Symptom im Kindesalter …
Tagesmüdigkeit
Sekundenschlaf
Aggressivität
Hypersomnie
Nykturie
Welche Gesichtsdysmorphie prädisponiert nachweislich für ein kindliches obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS)?
Prognathie
Glossoptosis
Mikroglossie
Fehlendes Philtrum
Septumdeviation
Welches gehört zu den Folgen eines unbehandelten obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) im Kindesalter?
Metabolisches Syndrom
Arterielle Hypotonie
Epilepsie
Chronische Tonsillitis
Asthma bronchiale
Ein weiteres Merkmal des kindlichen obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) ist, dass …
die Schlafarchitektur immer gestört ist.
Sauerstoffentsättigungen erst nach >10 Sekunden auftreten.
die obstruktiven Ereignisse v. a. im Rapid-Eye-Movement(REM)-Schlaf auftreten.
es bewiesenermaßen rückenlageassoziiert ist.
Mundatmung irrelevant ist.
Welche Erkrankung und zugehöriges Merkmal sind in Bezug auf eine Prädisposition zum kindlichen OSAS korrekt angegeben?
Pierre-Robin-Sequenz – Kondylendefekte
Trisomie 21 – Makroglossie
Spinale Muskelatrophie – Hyperplasie quergestreifter Muskulatur
Myotone Dystrophie – Fehlbildung glatte Muskulatur
Ehlers-Danlos-Syndrom – Glossoptosis
Ein 4‑jähriges Mädchen stellt sich mit ihren Eltern in Ihrer Sprechstunde vor. Die junge Patientin hat 4 Monate zuvor eine Adenotomie mit Tonsillotomie (ATTT) bei OSAS erhalten. Die Eltern berichten weiterhin über Atemaussetzer und Verhaltensauffälligkeiten. Welche diagnostische Methode für kindliches OSAS würde als nächstes in Frage kommen?
Polysomnographie
„Drug-induced sleep endoscopy“ (DISE)
Cine-Magnetresonanztomographie (Cine-MRT)
Multiple-Sleep-Latency-Test
Seitliche Röntgenaufnahme
Bei welcher Befundkonstellation initiieren Sie eine Polysomnographie?
Alter 2–8 Jahre, habituelles Schnarchen und adenotonsilläre Hyperplasie
Alter 2–8 Jahre, geringer Verdacht auf obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS)
Alter 2–8 Jahre, adenotonsilläre Hyperplasie und Beschwerdepersistenz nach 6‑wöchiger antiinflammatorischer Medikation
Alter 2–8 Jahre, Verhaltensauffälligkeiten, kein habituelles Schnarchen, kein V. a. OSAS
Alter 2–8 Jahre, Beschwerdepersistenz nach Adenotomie mit Tonsillektomie (ATTE) und myofunktioneller Therapie
Bei einem 5‑jährigen Kind mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index von 4/h in der Polysomnographie …
besteht kein Anhalt für ein klinisch relevantes obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS).
kann keine Aussage über das Bestehen eines Schlafapnoesyndroms getätigt werden.
besteht ein leichtgradiges Schlafapnoesyndrom.
besteht ein mittelgradiges Schlafapnoesyndrom.
besteht ein schwergradiges Schlafapnoesyndrom.
Kinder mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom (OSAS) …
haben ein erhöhtes perioperatives Risiko, bedingt durch mögliche Sauerstoffentsättigungen.
haben ein erhöhtes perioperatives Risiko, bedingt durch ein erhöhtes Nachblutungsrisiko.
haben kein erhöhtes perioperatives Risiko.
werden aufgrund der Tonsillenhyperplasie nasal intubiert.
erhalten keine Anästhesiefreigabe.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Große, L., Bahr, K. Kindliches obstruktives Schlafapnoesyndrom. Somnologie 25, 301–310 (2021). https://doi.org/10.1007/s11818-021-00335-3
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11818-021-00335-3