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Strafbarkeit des Sexkaufs nach § 232a Abs. 6 StGB – ein gesetzgeberischer Fehlschlag?

Criminalization of sex purchase according to §232a (6) of the German Criminal Code—A legislative failure?

  • Originalarbeit
  • Published:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Im Jahr 2016 hat der Gesetzgeber mit § 232a Abs. 6 StGB eine Vorschrift geschaffen, die unter bestimmten Umständen die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt mit Menschen, die Opfer eines Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geworden sind, strafbewehrt verbietet. Diese sog. Freierstrafbarkeit wurde in der Literatur schon vor ihrem Inkrafttreten viel kritisiert. Im Rahmen einer empirischen Studie konnte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. nun überprüfen, ob die Ziele, die der Gesetzgeber mit Einführung der Freierstrafbarkeit verbunden hat, erreicht wurden. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass der Gesetzgeber über den – im Jahr 2021 sogar noch einmal erweiterten – Freierstraftatbestand noch einmal nachdenken sollte.

Abstract

In 2016 the legislature introduced §232a (6) of the German Criminal Code, which criminalizes, under certain circumstances, engaging in sexual acts for remuneration with individuals who have become victims of human trafficking for the purpose of sexual exploitation. This provision, commonly known as the client liability (Freierstrafbarkeit), was heavily criticized in the academic literature even before its implementation. In the context of an empirical study conducted by the Criminological Research Institute of Lower Saxony (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V.), the researchers were able to examine whether the objectives associated with the introduction of the client liability by the legislature have been achieved. The findings of this study suggest that the legislature should reconsider the client liability, particularly in light of its further extension in 2021.

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Notes

  1. Die Begriffe Freierstrafbarkeit und Kronzeugenregelung werden hier als feststehende Wendung eingestuft, daher nicht gegendert.

  2. Im Folgenden wird für Personen, die im Sinne dieses Beitrags Sex kaufen, vorwiegend der Begriff „Freier*in“ verwendet, weil der Gebrauch des Begriffs „Prostitutionskund*in“ im Fall des Verkehrs mit Opfern von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung unangemessen erscheint. Wenn der Begriff „Kund*innen“ verwendet wird, wird er daher in Anführungszeichen gesetzt.

  3. Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregisters sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11.10.2016, BGBl. I 2226.

  4. BT-Drs. 18/9095 35 f.; So explizit Art. 18 Abs. 4 Richtlinie 2011/36/EU: „Um Menschenhandel dadurch, dass der Nachfrage entgegengewirkt wird, wirksamer zu verhüten und zu bekämpfen, erwägen die Mitgliedstaaten die Einleitung von Maßnahmen, mit denen die Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand einer Ausbeutung im Sinne des Artikels 2 sind, in dem Wissen, dass die betreffende Person Opfer einer Straftat nach Artikel 2 ist, als strafbare Handlung eingestuft wird.“

  5. Eingeführt wurde die Kronzeugenregelung als § 232a Abs. 6 S. 2 StGB. Da sich die Evaluationsstudie auf den damals geltenden § 232a Abs. 6 S. 2 StGB bezog, wird im Folgenden § 232a Abs. 6 S. 2 StGB zitiert. Dieser entspricht § 232a Abs. 6 S. 3 StGB in der heutigen Fassung.

  6. Damit kann man auch dem möglichen Einwand begegnet werden, dass in unserer Studie nur deshalb nicht mehr einschlägige Fälle gefunden wurden, weil Fallgestaltungen, die den Straftatbestand nach § 232a Abs. 6 S. 1 StGB erfüllen, von Polizei und Staatsanwaltschaften bei der statistischen Erfassung den konkurrierenden Sexualstraftaten zugeordnet werden und deshalb in unserem Sample nicht enthalten sind.

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Förderung

Die Studie wurde durch das Bundesministerium der Justiz finanziert.

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Correspondence to Dr. Tillmann Bartsch.

Ethics declarations

Interessenkonflikt

T. Bartsch, N. Labarta Greven und R. Küster geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ethische Standards

Ein Ethikvotum wurde nicht eingeholt. Von den Interviewpartner*innen wurde eine Einwilligungserklärung zur Aufnahme, Speicherung und Auswertung der Interviewdaten eingeholt. Eine Einwilligung zur Veröffentlichung der Interviewdaten wurde eingeholt.

Additional information

Availability of data and material

Die Strafverfahrensakten wurden bei den Staatsanwaltschaften gemäߧ 476 StPO beantragt. Die Interviewpartner*innen wurden vom Auftraggeber (Bundesministerium der Justiz) vorgeschlagen, darüber hinaus fand eine eigenständige Akquise statt.

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Bartsch, D., Labarta Greven, N. & Küster, R. Strafbarkeit des Sexkaufs nach § 232a Abs. 6 StGB – ein gesetzgeberischer Fehlschlag?. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 17, 296–303 (2023). https://doi.org/10.1007/s11757-023-00785-5

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