Liebe Leserinnen und Leser,

im letzten Jahrzehnt haben wir eine enorme Weiterentwicklung und Verbesserung der minimal-invasiven operativen Techniken im Bereich der Schulterchirurgie erlebt. Dies spiegelt sich nicht zuletzt durch steigende Operationszahlen in diesem Gebiet wider. Viele hochklassige, prospektiv randomisierte Studien sind zu den einzelnen Therapieverfahren erschienen und haben so zu einem deutlichen Wissenszuwachs und verbesserten Ergebnissen für unsere Patienten geführt.

Deutlich weniger wissenschaftliche Untersuchungen haben sich allerdings mit den Themen Rehabilitation nach Schulteroperationen bzw. konservativer Therapie von Schulterverletzungen beschäftigt. Für derartige Behandlungskonzepte sind prospektiv randomisierte Studien nach wie vor eine Rarität.

Ein Überdenken der Behandlungsstrategien auf diesem Gebiet wurde nicht zuletzt durch Diskussionen bzgl. der Ruhigstellung nach vorderer Schulterluxation in Innen- oder Außenrotationsstellung angestoßen. Dies ist beispielhaft dafür, dass auch etablierte Behandlungskonzepte von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden sollten. Eine gute Rehabilitation ist von extrem wichtiger Bedeutung einerseits, um das heilende Gewebe bis zur Wiedererlangung seiner vollen Funktionsfähigkeit zu schonen, andererseits um gezielte Stimuli zu setzen, die die Heilung optimieren und Schultersteifen reduzieren. Daher freut es mich ganz besonders, dass sich die hier vorliegende Ausgabe der ObEx mit dem Thema „Rehabilitation“ beschäftigt. Ein guter Operateur sollte auch exzellent in der „Nachbehandlung“ sein, um verlässlich gute Behandlungsergebnisse zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die gute Zusammenarbeit und Kommunikation mit Physiotherapeuten und nachbehandelnden Ärzten hingewiesen. Denn wie wir wissen: „Nur Gemeinsam sind wir stark“.

Aktuell sind dennoch viele Fragen offen. Wie lässt sich die biologische Heilung weiter verbessern/beschleunigen? Wie weit kann eine Rehabilitation verkürzt werden, ohne das operative Ergebnis negativ zu beeinflussen? Welche Rolle spielen Bewegungsschienen, Orthesen und Selbstübungen für das Ergebnis nach operativer Versorgung? Welchen Einfluss hat die Skapula auf Funktionsstörungen im Schultergelenk? Welche Rolle spielen präventive Aspekte im Leistungssport? Wir hoffen in der vorliegenden Ausgabe zumindest einen Teil dieser Fragen zu adressieren und beantworten zu können.

Der erste Beitrag befasst sich z. B. mit den biologischen Grundlagen der Sehnenheilung. Immer, wenn die Beanspruchung in der Rehabilitationsphase die Belastbarkeit der rekonstruierten Sehne überschreitet, wird es zu deren Versagen kommen. Zukünftig wird auf diesem Fachgebiet v. a. die Möglichkeit der biologischen Beschleunigung der Heilung bedeutsam werden. Die großen in das PRP gesteckten Erwartungen konnten bislang noch nicht erfüllt werden. Andere Möglichkeiten wie die Stammzelltechnologie oder smarte Biomaterialen zur Gewebeaugmentation oder -ersatz werden ihr Potential noch beweisen müssen. Schulterorthesen sind ein wichtiges Hilfsmittel in der Nachbehandlung, um das operative Ergebnis zu sichern. Der Beitrag um die Arbeitsgruppe von Prof. Scheibel wird sich daher mit diesem wichtigen Thema intensiv beschäftigen. Ganz besonders freut es mich, dass die Kommission „Rehabilitation“ der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e. V. (DVSE) ihre Empfehlungen zur Nachbehandlung nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion vorstellt. In einer zweiten Arbeit der Kommission werden dann auch die speziellen Möglichkeiten im deutschen Gesundheitssystem mit dem limitierenden Faktor der zur Verfügung stehenden Ressourcen vorgestellt. Ein Thema über das nicht nur Rehabilitationsärzte Bescheid wissen sollten. Darüber hinaus rückt in den letzten Jahren die Problematik der „Skapuladyskinesie“ vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Diesbezüglich wird uns die Arbeitsgruppe um Prof. Kasten den aktuellen Wissensstand näherbringen.

Nachdem das Heft der „Rehabilitation“ gewidmet ist, möchte ich es aber nicht versäumen, Sie auch für das Thema „Prävention“ zu begeistern. Denn: eine gute Rehabilitation wirkt sich auch gleichzeitig präventiv aus. Dies konnten wir bereits an Sportlern erkennen, welche ein erhöhtes Wiederverletzungsrisiko nach unzureichender Rehabilitation haben. In der Betreuung von Leistungssportlern gilt es Traumen und Überlastungsschäden primär zu vermeiden, um dem Sportler eine möglichst lange und verletzungsfreie Zeit zu ermöglichen. So zeigt der Beitrag aus Rostock über die Schulterproblematik im Karateleistungssport, dass hier durchaus noch „Optimierungspotential“ besteht.

Ein herzlicher Dank gebührt nochmals allen Autoren dieses Themenheftes, die zum Gelingen dieser Ausgabe wesentlich beigetragen haben.

Ich wünsche allen Lesern viel Spaß bei der Lektüre des vorliegenden Heftes.

Mit besten Grüßen aus Rostock,

Ihr

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Thomas Tischer

FormalPara Interessenkonflikt

T. Tischer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.