Vor mehr als fünf Jahren sagte ich zum Redaktionskollegen Falko von Ameln, ich möchte zu etwas Wesentlichem beitragen, um das sich die ganze Welt dreht. Von Ameln gab mir den Literaturhinweis auf Niklas Luhmann (1983), der zur „Liebe als Passion“ einen umfassenden historisch-soziologischen Abriss verfasst hat. Nun ist es soweit mit dem Themenheft Lieben. Die Idee war es, statt von der (Paar-)therapeutischen Seite mit all den Problemen, Konflikten, Störungen und Pathologien, einen positiven Zugang zu finden. Schon Erich Fromm (1997) verstand Lieben als Tätigkeit, als aktives Verb, man muss dafür etwas tun. Beruflich wie privat haben PsychodramatikerInnen vielfältig damit zu tun, gemeinsam mit Sabine Spitzer-Prochazka haben wir das Konzept ab 2016 umgesetzt. Mit der neuen Heftstruktur haben wir sieben Themenbeiträge und fünf thematisch offene Beiträge. Wir sind ohne „Call for Papers“ etwas Österreich lastig ausgefallen, konnten aber zwei englischsprachige und einen empirischen Forschungsartikel aufnehmen. Die Formate Psychotherapie und andere halten sich die Waage. Bei den Verfahren hat das Psychodrama die Oberhand neben Soziometrie, Stegreif- und Rollenspiel. Letztlich kamen wir an die Grenzen der maximalen Seitenzahlen, um noch alle Abbildungen, Tabellen und Gedichte unterzubringen. Das auch neu eingeführte „Double-blind Peer Review“-Verfahren erwies sich als aufwändig.

Fünf Artikel widmen sich dem Thema Lieben. David Mayrhofer sieht sich historisch diverse Liebesbeziehungsformen an und sensibilisiert dafür die Wirkung von Idealen und Normen zu beachten. PsychotherapeutInnen bedürfen einer Genderkompetenz. Gabriela Moita und Michael Wieser gehen der Frage nach, wie Bedürfnisse nach Bindung, Anerkennung, Zugehörigkeit, Wohlbefinden und Glück mit Liebesbeziehungen korrespondieren. Der partnerschaftliche, familiäre, gesellschaftliche, rechtliche und religiöse Rahmen wird mitberücksichtigt. Das Psychodrama dient dabei als Reflexionsmodell. Karsten Krauskopf beschreibt in einer erweiterten Vignette die Rollenentwicklung schwuler Männer und wie sie mit Hilfe einer psychodramatischen Selbsterfahrungsgruppe zu erfüllten Liebesbeziehungen finden können. Erika Anna Brandstetter verbindet die Ansätze von Sternberg, Bindungstheorie und Psychodrama um die Liebesfähigkeit zu fördern und zeigt das in Fallbeispielen der Einzel- und Paartherapie. Reinhard Krüger sieht es als Konfliktverarbeitung auch in der Beziehung zwischen TherapeutInnen und PatientInnen emotionale Ansteckung über affektive und kognitive Empathie in tätiges Mitgefühl zu verwandeln. Achtsamkeit wird durch den psychodramatischen Dialog mit Rollentausch erleichtert. Manfred Stelzig gibt konkrete Anleitungen für Übungen zur Nachreifung um die Selbstliebe zu festigen und liebesfähig zu werden. Andreas Schulz vermag mit psychodramatischer Paarberatung die Liebe wieder hervor zu bringen und in Vignetten darzustellen.

Der andere Artikel ist von Carmen Mertlitsch und Martin Peichl als Essay verfasst. Sie untersuchen die Sprache der Liebe. Sprachwissenschaft, Psychologie der Kommunikation und Paartherapie werden kontrastiert mit eigenen Gedichten.

Es gibt fünf themenoffene Beiträge. Orsolya Lelkes geht in einer Vignette den Fragen nach dem Glück, der Freude, des Wohlbefindens und Sinn des Lebens auf den Grund und holt dabei bis in die Antike aus. Børge Kristoffersen spannt den Bogen von der frühen Soziometrie in den USA bis zur Jetztzeit in Argentinien und verbindet sie mit dem Theater zu einer demokratischen Praxisform. Cai Mosich erläutert den Begriff Innere Bühne in Zusammenhang mit Rollen, Strukturniveau Szenen, Interaktion und äußerer Bühne. Silvia Weigl stellt uns das Psychodrama Theater in Form eines Interviews vor, schildert den Ablauf, theoretische Grundlagen und Anwendungstechniken. Eine Vignette gibt Einblick in ihre Arbeit. Martina McClymont-Nielitz und Mathias Hunger verbinden den kreativen Rahmen von Musik, Kabarett und Unterhaltung mit psychodramatischen Techniken. Das Als-Ob-Rollenspiel bringt Mentalisierung auch ohne Psychotherapie auf die Bühne. Online sind die originellen Musikstücke und Liedtexte beigelegt.

Im empirische Forschungsbeitrag untersuchen Hannes Goditsch, Günter Schiepek, Wolfgang Aichhorn und Bejamin Aas Psychodramatherapieprozess und -ergebnisse von Menschen mit strukturellen Störungen im stationären Setting. Erhaltene Unterstützung in der Gruppe und Symptomminderung wurden mit Fragebogen und modernen Onlineinstrumenten festgehalten. Ein adaptiertes Therapiekonzept ist entscheidend für den erreichten Erfolg.

Mit diesem Heft verabschiede ich mich aus der Redaktion. Es begann vor zehn Jahren als Christian Stadler nach einer PsychologInnenkonferenz in Berlin ein Forschungssonderheft plante, das dann 2011 erschien. Dem folgten drei weitere Sonderhefte und nun dieses Themenheft. Ich bedanke mich bei allen Co-HerausgeberInnen, RedaktionskollegInnen, AutorInnen, den GutachterInnen, dem ÖAGG und dem Verlag, insbesondere die Konstante Marina Litterer in der Produktion, für das Gelingen der Hefte. Er wird allenfalls als Reviewer, Gast-Herausgeber und/oder wissenschaftlichen Beirat die Zeitschrift gerne weiter unterstützen. Jakob Moreno Levy hat 1918, vor 100 Jahren die Zeitschrift DAIMON begründet und uns gezeigt, dass es wichtig ist Zeitschriften herauszugeben.

Wir hoffen, dass Sie als Leser oder Leserin dieses Heft ebenso bedingungslos lieben werden.

Michael Wieser und Sabine Spitzer-Prochazka