Ist der Status Paar wie bei Goethe Voraussetzung für eine erfolgreiche Glückssuche, oder nur Mühsal, das kleinere Übel wie bei Tucholsky? Oder beides? Im vorliegenden Themenheft kommen AutorInnen zu Wort, die sich mit dem Thema Paare psychodramatisch, soziometrisch und psychodrama-kultursoziologisch auseinander gesetzt haben. Ob sich die Frage nach Glück oder Mühsal damit beantworten lässt, sei dahingestellt. Als HerausgeberInnen hoffen wir jedoch, dass Sie nach der Lektüre dieses Themenheftes einen Eindruck davon bekommen, wie effektiv und attraktiv Psychodrama und Soziometrie in diesem Arbeitsfeld sein können. Für Moreno und für Generationen von PsychodramatikerInnen nach ihm bis zum heutigen Tag gibt es den einzelnen Menschen nicht: die kleinste Einheit ist das soziale Atom. Und das kleinste soziale Atom ist das Paar, genau genommen das Paar und seine Beziehung. Sei es die Dyade Mutter-Kind, Vater-Kind, Vater-Mutter, Bruder-Schwester, später SchülerIn und LehrerIn, ChefIn-MitarbeiterIn, Freund-Freundin, Partner-Partnerin mit ihren je spezifischen Beziehungen. Die Liste der Paarungen könnte lange fortgeführt werden. Nach dem letzten Themenheft zum Thema Großgruppe (Bd.2 2009) möchten wir Ihnen mit den Beiträgen dieses Bandes den kleinsten systemischen Nenner anbieten, den Blick durch die Paar-Brille. Es ist eine Reduzierung der komplexen, sozialen Wirklichkeit jeweils auf einen kleinen Ausschnitt, der für AnwenderInnen aber durchaus interessant sein dürfte.

Den Anfang macht Christoph Hutter mit seiner späten Einladung zu einer Begegnung zwischen Moreno und Freud. Hutter geht systematisch einige Bereiche durch, in denen sich die beiden Verfahrensväter hätten anregen können. In der Inszenierung einer fiktiven Begegnung der Beiden werden Abgrenzungen in Frage gestellt und Brücken gebaut: Herkunfts-, Wissenschafts- und Zukunftsfragen werden geklärt, Couch, Bühne, Abstinenz und der Ursprung des Unbewussten werden von Hutter in den jeweiligen Verfahren verortet. Am Ende steht ein Ausblick, wie wesentliche Instrumente der Psychoanalyse – Übertragung, Widerstand und Deutung – in der psychodramatischen Arbeit sinnvoll genutzt werden können.

Auch Thomas Sageder beschäftigt sich mit historischen Fragestellungen in seinem Beitrag: Pair, impair ou zéro? Er beleuchtet die Vater-Sohn-Beziehung bei Moreno und geht danach weiter der Rolle der Väter in den Behandlungen männlicher Patienten bei Moreno nach. An Fallprotokollen kann Sageder zeigen, welchen Stellenwert Moreno den Vätern der KlientInnen im Therapieprozess einräumte. Er erkennt dabei ein Muster zwischen der Rolle des Vaters, dem Einsatz bestimmter Psychodramatechniken und dem Alter der KlientInnen. Neuere Erkenntnisse der psychodramatischen Entwicklungspsychologie finden auch Berücksichtigung.

Der erste der beiden soziometrischen Beiträge kommt von den AutorInnen Matthias Spörrle, Joachim Kruse, Christina Gschwendtner und Irmgard Wieland. Sie untersuchen den Zusammenhang von soziometrischer Wahl und Partnerschaftszufriedenheit im Rahmen der ersten Elternschaft. Der Beitrag beschreibt die Überprüfung der Annahme, dass ein dem Partner zugeschriebener niedriger Rangplatz bei soziometrischen Wahlfragen bezüglich der Kinderbetreuung mit einer reduzierten Partnerschaftszufriedenheit des Wählenden einhergeht. Bei Frauen und Männern zeigen sich hier unterschiedliche Ergebnisse; die Konsequenzen daraus werden benannt und ebenso Implikationen für künftige Forschung und Praxis diskutiert.

Renate Gänszle beschäftigt sich mit den Veränderungen der Rollen bei werdenden Eltern, vor und nach der Geburt des Kindes. Anhand von konkreten Fallbeispielen geht sie der Frage nach, was passiert, wenn aus einem Liebespaar ein Elternpaar wird, welche Rollenentwicklung und Rollenkonflikte zu erwarten sind, und wie mit Hilfe des Psychodramas in diesem Prozess Unterstützung gegeben werden kann.

Gerda Trinkels Beitrag fokussiert Paare in Krisen, die unterschiedliche Lebensmuster aufweisen. Sie beschreibt Techniken zur Beziehungsklärung eines Paares. Welche Faktoren sind bedeutsam für einen gelungenen Ausgang einer Beratung? Kommt es zu einer Verbesserung der Beziehung oder zur Trennung des Paares? Allparteilichkeit der TherapeutIn, genaue Zielklärung, Fokussieren von Stärken und Ressourcen des Paares sowie eine prozesshafte Begleitung werden benannt.

Reinhard Krüger nimmt sich der allergischen Partnerreaktionen in längerdauernden Beziehungen an. Er zeigt anhand von zwei Beispielen, wie ein persönlicher Fortschritt einer PartnerIn eine allergische Reaktion bei der Anderen hervorrufen kann. Das Dilemma einer solchen Beziehungsdynamik wird von ihm analysiert und psychodramatische Wege aus der Situation gewiesen. Die Trennung von Kindheitsbühne und Erwachsenenbühne mit Hilfe von leeren Stühlen und Handpuppen für das jeweilige innere Kind sind in diesen Lagen probate Techniken, die die PartnerInnen in ihrer Individuation weiterbringen.

Die speziellen Anforderungen an eine Therapie mit Frauenpaaren verdeutlicht Hildegard Knapp. Gleich und doch anders, ist ihre prägnante Aussage, wenn sie die Unterschiede zwischen heterosexuellen und lesbischen Paaren aufzeigt. Der markanteste Unterschied zeigt sich nach Knapp in den Auswirkungen von erlebten oder befürchteten Diskriminierungen gegenüber lesbischen Paaren. Heterosexismus wie auch das Fehlen einer Homosozialität werden als Ursachen benannt. Die Autorin beschreibt, welches Angebot an therapeutischen Begegnungen für lesbische Paare hilfreich bzw. ein Beitrag zur Heilung sein kann.

Volker Bracke untersucht und beschreibt die Möglichkeiten, Psychodrama mit Paaren während einer stationären psychosomatischen Rehabilitation anzuwenden. Zentrale psychodramatische Methoden werden von ihm auf ihre Anwendbarkeit hin für Paarsituationen im stationären Setting beleuchtet. Die Besonderheit, zwei ProtagonistInnen gleichzeitig im Raum und dabei nicht viel Zeit zur Verfügung zu haben, löst eine spezielle Dynamik aus, die die TherapeutIn vor entsprechende Herausforderungen stellt.

Lisa Tomaschek-Habrina befasst sich in ihrem Artikel mit Paaren in einem weiteren Sinn. Paare werden von ihr sowohl beruflich als auch privat gefasst. Wenn Stress zum Dauerzustand einer PartnerIn oder eines Paares wird, folgt unweigerlich der Zusammenbruch. Burnout-Phänomene tauchen auf, die eine eigene Sogwirkung entwickeln. Burnout wird von der Autorin psychodramatisch verstanden und beschrieben, ebenso werden ausgewählte psychodramatische Interventionen dargestellt.

Mit dem Selbststeuerungskreis beschreibt Reinhard Krüger, wie sinnvoll mit Wiederholungskonflikten umgegangen werden kann. Er zeigt einen Weg auf, wie PatientInnen mithilfe der Technik des Selbststeuerungskreises Schritt für Schritt vom Objekt des Geschehens wieder zum Subjekt des eigenen Handelns werden können. Das Vorgehen findet sowohl in Einzeltherapie und Beratung als auch im Paarsetting Verwendung.

Andreas Schulz gibt uns einen Einblick in psychodramatische Arrangements in Paarberatung und Partnerseminaren, die Partnerschaft wieder lebendig machen können. Partner- und eigene Rollen werden reflektiert und Beiträge zur Entwicklung der Partnerschaft und neuer Ideen für persönliches und gemeinsames Wachstum werden vorgestellt.

Der andere Artikel greift noch einmal die Soziometrie auf. In einem Überblickartikel beschreiben Matthias Spörrle, Miriam Landes, Dennis A. Otrebski und Helmut Schwehm soziometrische Verfahren und verwandte visuell-skalierende Techniken im berufsbezogenen Anwendungskontext: das soziale Atom, das innere Team, der soziometrische Test, das Gruppenfoto und die aktionssoziometrischen Skalierungsverfahren. Im Anschluss an Überlegungen zur Einordnung dieser sozialbeziehungsbasierten Techniken wird von dem AutorInnenteam ihre Anwendung im berufsbezogenen Kontext dargestellt.

Als HerausgeberInnen dieses Themenheftes bildeten wir Paare mit den AutorInnen. Hier zeigte sich für uns eindeutig: Goethe lag vor Tucholsky, diese Paar-Konstellationen waren für uns deutlich mehr Freude als Anstrengung. Dafür möchten wir an dieser Stelle noch einmal den AutorInnen unseren Dank aussprechen. Wir hoffen nun, dass Sie als LeserInnen ebenso fruchtbare Paarungen mit den Produkten der AutorInnen eingehen werden.