Das vierte Heft dieses Jahrganges der ZfE enthält kein Schwerpunktthema. Die zehn Beiträge decken ein breites Spektrum erziehungs- und bildungswissenschaftlicher Arbeitsweisen, Ansätze und Themen ab.

Den Einstieg in das Heft bilden drei Beiträge, in denen Berufswahlmotivationen eine Rolle spielen. Dabei drehen sich die ersten beiden Texte um die Motivation zur Wahl des Lehrberufs. Anne Stellmacher und Jennifer Paetsch legen eine Studie zu Berufswahlmotiven für das berufliche Lehramt vor. Mittels latenter Profilanalyse wurden 350 Studierende untersucht. Eingesetzt wurde der „Fragebogen zur Erfassung der Motivation für die Wahl des Lehramtsstudiums (FEMOLA)“. Als Indikatoren für Studienerfolg beziehen die Autorinnen das berufsbezogene Selbstkonzept und die Berufswahlsicherheit der Befragten ein. Sie ermitteln fünf verschiedene Profile der Berufswahlmotivation, mit denen jeweils mehr oder weniger günstige Bedingungen für den Studien- und späteren Berufserfolg verbunden seien. Im Beitrag von Anna M. Eder, Michaela Katstaller und Burkhard Gniewosz geht es hingegen um Studierende der Lehrämter für allgemeinbildende Schulen. Auch in dieser Studie wurde mit latenter Profilanalyse gearbeitet. Hier werden drei verschiedene Profile der Berufswahlmotivation ermittelt, die mit mehr oder weniger günstigen Erwartungen hinsichtlich des Studien- bzw. Berufserfolgs verbunden seien. Die Publikation in einem Heft lädt zum Vergleich der beiden Studien ein – und möglicherweise zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Ansätze.

Um Einflussfaktoren auf die Berufswahl Jugendlicher geht es hingegen in der von Jan Hofmann und Markus P. Neuenschwander vorgelegten Studie. Hier sind die Autoren daran interessiert zu identifizieren, unter welchen Umständen die Erfahrungen mit Berufen, die die Jugendlichen für Praktika auswählen, eine Rolle für die spätere Wahl einer Berufsausbildung spielen. Zu den Ergebnissen gehört, dass sowohl weibliche als auch männliche Jugendliche sich bei der Wahl der Ausbildungsplatzes eher am Lehrstellenangebot orientieren. Auf Inhalte der Berufspraktika rekurrierten die weiblichen Befragten, nicht aber die männlichen. Ob sich die mit den Praktika intendierten Vorstellungen erfüllen, müsste in weiterer Berufswahlforschung ermittelt werden.

Die beiden als nächste in das Heft aufgenommenen Texte richten sich auf Probleme der Erfassung bzw. Messung der Kompetenz von Lernenden. Nora Müller und Vera Busse wenden sich dabei der Frage zu, wie Tiefenmerkmale von Schülertexten beurteilt werden können. Erprobt wurde ein Diagnoseinstrument, mit dem sich die Qualität von Texten nach Struktur und Kohärenz unterscheiden lässt. Für die Ermittlung eines Gesamteindrucks wurde zusätzlich eine Software eingesetzt. Für die Analysen wurden Texte von Schülerinnen und Schülern nichtgymnasialer Schulformen genutzt. Zu den Anliegen der Autorinnen gehört, Verfahren zu finden, die sich ökonomisch, verlässlich und zugleich aussagekräftig in der Praxis einsetzen lassen – nicht zuletzt, um die Ergebnisse einer diagnosebasierten zielgerichteten Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler zugrundelegen zu können.

Im Beitrag von Luis Oberrauch und Taiga Brahm geht es um Kompetenzunterschiede zwischen Jungen und Mädchen im Bereich des ökonomischen Lernens. Auf den „Gender-Gap“ in diesem Bereich wurde schon in verschiedenen Studien hingewiesen. In ihrer in Baden-Württemberg durchgeführten Studie mit ca. 1000 Schülerinnen und Schülern der zehnten Klasse fanden die Autorin und der Autor erneut einen erheblichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Interesse an Wirtschaftsthemen und „mathematische Fertigkeiten“ erklärten in der Studie mehr als ein Drittel der Differenz, während sozio-kognitive Fähigkeiten nicht relevant waren.

Von diesen auf den Lehrberuf und die Schule bezogenen Beiträgen wird in den beiden folgenden Texten der Blick auf Fragestellungen zum „Alltag außerhalb des Unterrichts“ gewechselt. Im Hintergrund beider Beiträge steht das Problem der Inklusion. Hanna Weinbach, Natalie Geese, Albrecht Rohrmann und Dajana Schulte stellen eine ethnographische Studie vor, in deren Zentrum Assistenzpersonen stehen – Personen also, die Schülerinnen und Schüler mit einem besonderen Förderbedarf sowohl im Schulalltag als auch außerhalb dessen begleiten. Abgebildet werden Formen dieser Begleitung mit dem Fokus auf ihre Konsequenzen für die Peer-Interaktionen der Schülerinnen und Schüler.

Caroline Sahli Lozano, Sergej Wüthrich, Matthias Wicki und Kathrin Brandenberg nehmen in ihrem Text ebenfalls die Gruppe der besonders Förderbedürftigen in den Blick. Sie berichten aus der Schweiz. Als Maßnahmen der Unterstützung für diese Kinder oder Jugendlichen sind dort „Lernzielreduktion“, „Nachteilsausgleich“ oder „integrative Förderung“ vorgesehen. Die Autorinnen und Autoren ermittelten anhand einer Stichprobe von mehr als 1100 Schülerinnen und Schülern der 5. oder 6. Klasse, dass die verschiedenen Formen unterschiedlich häufig bei Schülerinnen und Schülern aus sozio-ökonomisch besser- oder schlechtergestellten Elternhäusern anzutreffen sind. Kontrolliert wurde dabei für individuelle, kognitive und schulische Leistungsmerkmale. Schülerinnen und Schüler aus den schlechtergestellten Familien finden sich danach häufig in der Angebotsform „Lernzielreduktion“, mit deren Besuch negative Einschätzungen verbunden sind. Somit könnten Maßnahmen, die für den Abbau von Bildungsungleichheit gedacht sind, sich als Beiträge zur Vertiefung sozialer Herkunftseffekte entpuppen.

In den beiden anschließenden Texten stehen Übersichten über den Forschungsstand zu speziellen Themen im Mittelpunkt. In Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung setzt sich zunehmend die Praxis durch, in sog. systematischen Reviews oder ähnlichen Formen der Analyse bereits publizierte Forschungsergebnisse zusammenfassend zu beurteilen und vorzustellen. Das Anliegen selbst ist nicht neu; Berichte über den „Stand der Forschung“ sind Standard im wissenschaftlichen Diskurs. Mit streng methodisch vereinheitlichten Verfahren jedoch, wie sie etwa aus der Medizinforschung bekannt sind, ist erziehungs- und bildungswissenschaftliche Forschung noch weniger vertraut. Martha Höfler und Tetyana Vasylyeva nehmen sich dieses Themas an. In ihrem Beitrag geht es speziell um systematische Übersichtsarbeiten über Interventionsstudien und die Herausforderung, trotz der Vielfalt der Designs solcher Studien zu einem validen Urteil über deren interne Validität zu kommen. Die Autorinnen stellen ein Kriterienraster vor, mit dessen Hilfe solche Beurteilung gelingen soll, und illustrieren dies anhand einer eigenen Studie zu Wirkungen sprachsensibler Unterrichtsansätze.

Der Beitrag von Tobias Kärner, Michael Jüttler, Yannick Fritzsche und Helmut Heid ist demgegenüber nicht auf die methodische Seite fokussiert, sondern stellt die Ergebnisse einer Literaturanalyse zum Konzept der Partizipation in Lehr-Lern-Arrangements vor. Die Autoren bezogen 56 Arbeiten in ihre Analyse ein. Ihr Interesse gilt Erkenntnissen über die Einflussmöglichkeiten Lernender auf Entscheidungen für den Unterricht; berichtet wird ferner über Wechselbeziehungen zwischen Merkmalen Lernender und partizipativen Elementen der Lehr-Lern-Arrangements.

Beide letztgenannten Beiträge drehen sich (mindestens auch) um die Optimierung der Qualität erziehungs- und bildungswissenschaftlicher Forschung. Um dieses Anliegen geht es auch in dem Beitrag, der den guten Schluss dieses Hefts bildet. Es handelt sich um eine kritische bildungstheoretische Auseinandersetzung mit jüngeren Arbeiten zum Konzept eines transformatorischen Bildungsbegriffs, vorgelegt von Julia Lipkina und Douglas Yacek. Ihr Anliegen ist es, die vorliegenden Ansätze unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungen für eine „transformationssensible Unterrichtsforschung“ zu überprüfen. Der Beitrag mündet in den Vorschlag eines alternativen „analytischen Vokabulars“, das einen empirischen Zugang zur Rekonstruktion transformativer Momente des Unterrichts erlauben könne.

In den Beiträgen zu diesem Heft wird also ein großer Bogen geschlagen – von Forschung zum Lehrberuf über unterrichts- und leistungsbezogene Forschung bis zu Untersuchungen aus dem Kontext schulbegleitender Maßnahmen, der methodischen und inhaltlichen Auseinandersetzung über den Forschungsstand zu spezifischen Themen bis hin zu einer theoretischen Fragestellung, die die Möglichkeit betrifft, Momente, in denen Bildung geschieht, empirisch einzufangen. Allen Leserinnen und Lesern sei eine anregende und gewinnbringende Beschäftigung mit den Beiträgen dieses Heftes gewünscht.