Das abschließende und sechste Heft dieses Jahrganges der ZfE enthält kein Schwerpunktthema. Abgedruckt sind 10 frei eingereicht Beiträge, die einmal mehr die thematische Breite unserer Zeitschrift unter Beweis stellen.

Im ersten Beitrag von Dennis Hauk, Alexander Gröschner, Daniela Rzejak, Frank Lipowsky, Gabriele Zehetner, Thomas Schöftner und Albin Waid geht es um die Frage, wie die Berufserfahrung von Lehrkräften mit ihrer Bereitschaft zur Teilnahme an Fortbildungen zusammenhängt. Dazu wurden Fragebogendaten von 400 Lehrkräften einer österreichischen Lehrerbildungseinrichtung erhoben. Die Daten weisen darauf hin, dass die Teilnahmemotivation an Fortbildungen mit zunehmender Berufserfahrung sinkt. Lediglich dann, wenn der Wunsch nach sozialer Interaktion zur Teilnahme motiviert, bleibt die Teilnahmebereitschaft unabhängig von der Berufserfahrung hoch.

Christina Möller, Timm Feld und Madeline Lockstedt beschäftigen sich mit der Implementation zertifizierter berufsbegleitender Weiterbildung an deutschen Hochschulen. Dazu legt die Autorengruppe eine qualitativ empirische Untersuchung zur zertifizierten berufsbegleitenden Weiterbildung an zehn Hochschulen vor (Interviews mit Gruppendiskussion), in der nach den Regeln der Dokumentarischen Methode vier verschiedene Muster des Umgangs mit dem Auf- und Ausbau sowie der Steuerung wissenschaftlicher Weiterbildung an deutschen Hochschulen rekonstruiert werden.

Der dritte Beitrag thematisiert die Überzeugungen über das Schreiben, die Curricula für das Fach Englisch in der Sekundarstufe I leiten. Katrin Peltzer, Lea Siekmann, Judy Margaret Parr und Vera Busse analysierten dafür 11 einschlägige Curricula sowie übergeordnete Bildungsdokumente. Konzeptualisierungen des Schreibens erwiesen sich dabei eher als Desiderat. Die Autorinnen sehen in der weitgehenden Vernachlässigung des prozeduralen Charakters des Schreibens und der fehlenden Anerkennung der sozialen Dimensionen des Schreibenlernens einen Beleg dafür, dass aktuelle Lehrpläne nicht hinreichend abgestimmt sind mit dem aktuellen Stand der Forschung zur (fremdsprachlichen) Schreibdidaktik.

Ebenfalls mit Fragen des Lehrens in der Sekundarstufe I beschäftigt sich der vierte Beitrag dieses Heftes von Matthias Herrle, Markus Hoffmann und Matthias Proske. Die Autoren videographierten dazu Unterrichtsstunden in sogenannten Tablet-Klassen, um der Frage nach der Bedeutsamkeit der Nutzung digitaler Medien für die Interaktionsgestaltung bei Gruppenarbeiten nachzugehen. Sie fanden heraus, dass der Einbezug digitaler Medien keine grundlegende Veränderung pädagogischer Interaktionsordnungen zur Folge hat, wohl aber für das Interaktionsverhalten der Lehrkräfte, insbesondere im Hinblick auf die Zugänge zu Wissensressourcen und die digitale Verfasstheit von Wissensprodukten.

Der fünfte Beitrag thematisiert die Pandemieherausforderungen im deutschen Schulsystem. Christian Herzog, Alessandro Immanuel Beil und Peter Kelly unterzogen deutsche Presseberichte während zweier Dreimonatszeiträume in 2020 einer qualitativen thematischen Analyse unter der Perspektive der Akteur-Struktur-Dynamiken. Betrachtet wurden die drei Akteursgruppen Schule, Familie und Politik. Für die schulischen Akteure zeigte sich eine wachsende Digitalisierungsbereitschaft bei gleichzeitig kritischer Haltung gegenüber den als zu kurz gegriffen wahrgenommenen Maßnahmen der Politik. Schule und Familie zeigten zunehmend wechselseitiges Verständnis für die Situation und die Handlungen.

Der sechste Beitrag von Jennifer Igler, Annika Ohle-Peters und Nele McElvany beschäftigt sich mit der Erfassung der Unterrichtsqualität in der Forschung über Ratings von Videoaufnahmen von Unterrichtsstunden. Die Autorinnen gingen in ihrer Untersuchung der Frage nach, inwiefern bestimmte Modalitäten der Darbietung (Reihenfolge der beurteilten Videos in Abhängigkeit vom Qualitätsniveau des Unterrichts) und Merkmale der Beurteiler (Vorerfahrung, Müdigkeit) die Bewertungen der Unterrichtsqualität systematisch verzerren. Insbesondere im Bereich der Motivierungsqualität des Unterrichts zeigten sich Verzerrungseffekte aller untersuchten Faktoren.

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der frühen mathematischen Bildung stehen im Fokus des siebten Beitrags in dieser Ausgabe der ZfE. Maike Hagena, Julia Bruns und Hedwig Gasteiger gingen der Frage nach, inwieweit die Berufserfahrung von Multiplikatorinnen bei an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmenden frühpädagogischen Fachkräften die Entwicklung mathematikdidaktischen Wissens begünstigt und die Freude an Mathematik stärkt. Die Berufserfahrung der teilnehmenden Multiplikatorinnen erwies sich zwar als unbedeutsam für den Zuwachs an fachdidaktischem Wissen, hatte jedoch einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Freude an Mathematik bei den an der Fortbildung teilnehmenden pädagogischen Fachkräften. Teilnehmende Multiplikatorinnen mit frühpädagogischem Studium aber ohne Berufserfahrung in Kindertageseinrichtungen profitierten über die Effekte auf ihre Freude an Mathematik hinaus auch im Hinblick auf ihr fachdidaktisches Wissen.

Im achten Beitrag von Carina Caruso, Georg Hans Neuweg, Marlene Wagner und Christian Harteis werden die Mentoren und Mentorinnen von Lehramtsstudierenden während ihres obligatorischen Praxissemesters in den Blick genommen, und zwar hinsichtlich der Bedeutung, die sie dem Verhältnis von Theorie und Praxis beimessen. Dazu wurden von der Erstautorin 10 strukturierte Interviews geführt und diese inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Auswertungen sprechen dafür, dass Mentoren und Mentorinnen den Fragen des Theorie-Praxis-Verhältnisses wenig Beachtung schenken, keine Unterscheidung zwischen Wissen und Können vornehmen und der Erfahrung für die Entwicklung des Könnens deutlich mehr Relevanz zusprechen als den an der Universität vermittelten didaktischen und pädagogischen Wissensinhalten.

Der neunte Beitrag des vorliegenden Heftes von Susanne Jurkowski, Lukas Mundelsee, Christina Jüngst und Martin Hänze thematisiert eine Prozessvariable, die möglicherweise die Wirksamkeit peergestützten Lernens erklären kann: die transaktive Kommunikation, also die Bezugnahme auf die Ideen des Lernpartners. Drei verschiedene empirische Operationalisierungsansätze zur Erfassung transaktiver Kommunikation bei Lernenden der neunten Klassenstufe wurden im Hinblick auf ihre Reliabilität und Validität (im Sinne eines prädiktiven Zusammenhangs zum Wissenserwerb der Lernenden) verglichen. Es zeigte sich, dass lediglich der Ansatz eines hoch-inferenten Beobachtungsverfahrens zufriedenstellende Niveaus der Reliabilität und Validität erreicht.

Der abschließende zehnte Beitrag von Christoph Liel, Carolin Seilbeck, Ulrike Lux, Simon Lorenz und Susanne Marlene Ulrich nimmt das Erziehungsverhalten von Müttern und Vätern mit ihren Kindern in den ersten sechs Lebensjahren in den Blick. Dabei wurden 550 Eltern zu psychosozialen Merkmalen und einigen dysfunktionalen Erziehungsverhaltensweisen befragt. Mütter berichteten mehr überreagierendes und Väter mehr feindseliges bzw. nachgiebiges Erziehungsverhalten. Alle drei dysfunktionalen Erziehungsverhaltensweisen stehen im Zusammenhang mit dem Ausmaß negativer Emotionalität des Kindes. Unterschiede und Partnereffekte fielen schwach aus, z. B. mit einem komplementär gerichteten Einfluss von Überreagieren/Nachgiebigkeit von Vätern auf Nachgiebigkeit/Überreagieren der Mütter.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre.