1 Einleitung

Die Qualität der Hochschullehre hat spätestens seit dem Qualitätspakt Lehre und den vielfältigen in diesem Kontext gestarteten und fortgeführten Initiativen an Bedeutung gewonnen. Um die Qualität der Lehre zu fördern, wurde und wird zurzeit u. a. im Rahmen von Förderprogrammen wie dem Qualitätspakt Lehre wesentlich in die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden investiert. Gerade weil sich diese Qualifizierungsmaßnahmen einer insgesamt guten Akzeptanz bei den Lehrenden erfreuen (vgl. Krempkow et al. 2016, S. 86 f.), stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen das Gelernte in der Praxis Anwendung findet.

Bilanziert man bisherige Untersuchungen aus dem hochschuldidaktischen Bereich zur Wirksamkeit hochschuldidaktischer Maßnahmen, so zeigt sich, dass die vielfach als Evaluationen angelegten Untersuchungen in der Kategorisierung der Erfolgsebenen nach Kirkpatrick und Kirkpatrick (2006) vornehmlich die erste Stufe, nämlich die Reaktionsebene mit einer Erfassung der Zufriedenheit mit der Maßnahme (vgl. Thumser-Dauth 2007, 2008; mit Bezug zum Qualitätspakt Lehre: Schmidt et al. 2018), ggf. noch die zweite Stufe, die Lernebene, mit der Erhebung des subjektiv wahrgenommenen Lernzuwachses (vgl. exemplarisch Beuße et al. 2015; Ulrich 2013) infolge der Maßnahme fokussieren. Die dritte Stufe mit der damit verbundenen Frage nach dem Lerntransfer und seinen Bedingungen ist genauso wie die vierte Stufe, die längerfristigen Resultate auf individueller und organisationaler Ebene, für den hochschuldidaktischen Bereich hingegen noch wenig ausgeleuchtet (vgl. Acosta et al. 2016; De Rijdt et al. 2012; Feixas et al. 2014; Parsons et al. 2012).

Der vorliegende Beitrag adressiert die dritte Stufe, nämlich diejenige des Lerntransfers. Während für den Lerntransfer und seine Bedingungen im hochschuldidaktischen Bereich bisher kaum Forschungsarbeiten vorliegen, sind diese im Bereich der betrieblichen Weiterbildungsforschung fest in den Diskurs eingelassen (vgl. Baldwin und Ford 1988; Kauffeld 2010; Meißner 2012). Entsprechend liegen aus diesem Bereich sowohl Modellannahmen als auch Untersuchungen zu den Determinanten des Lerntransfers vor. Das auf Basis einer ausführlichen Literaturrecherche entwickelte Modell prozessbezogener Transferfaktoren von Baldwin und Ford (1988) bildet dabei die Grundlage vieler weiterer diesbezüglicher Überlegungen. In dieser Hinsicht und für die hier verfolgten Interessen zentral ist das von Holton et al. (2000) entwickelte und insbesondere im betrieblichen Kontext etablierte (vgl. exemplarisch Kauffeld 2010) Lerntransfer-System-Inventar (LTSI). Dieses erfasst wesentliche Bedingungen des Lerntransfers aus der Perspektive der Trainingsteilnehmenden und bietet somit die Möglichkeit, den Lerntransfer zu optimieren. Eine Auswertung des im betrieblichen Kontext geführten Diskurses (vgl. exemplarisch Meißner 2012) und Analyse der Skalen des inzwischen kommerziell genutzten deutschen Lerntransfer-System-Inventars (GLTSI, Kauffeld et al. 2008) legen nahe, dass sich einige das Instrument konstituierende Annahmen auf den hochschuldidaktischen Weiterbildungsbereich übertragen lassen (vgl. dazu auch De Rijdt et al. 2012; Feixas et al. 2013), eine Spezifizierung eines solchen Instrumentes auf den hochschulischen Kontext jedoch unabdingbar ist. Zu diesem Schluss kam auch die Forschungsgruppe um Feixas et al. (2013), die das LTSI für den Bereich hochschuldidaktische Weiterbildung getestet, es aber aufgrund mangelnder Passung einer Weiterentwicklung unterzogen hat (vgl. Feixas et al. 2014).

Dies hebt die Bedeutung des vorliegenden Beitrags hervor, dessen Ziel es ist, allen Hochschulen sowie interessierten ForscherInnen ein im Anschluss an den Diskurs entwickeltes und auf den hochschuldidaktischen Bereich zugeschnittenes Instrument zur Erfassung von Lerntransferbedingungen aus der Perspektive der an der Weiterbildung teilnehmenden Lehrenden zur Verfügung zu stellen. Folgend wird in einem ersten Schritt der Forschungsstand dargestellt und mit Blick auf den hochschuldidaktischen Kontext ausgewertet. Das auf der Basis des Forschungsstandes entwickelte Instrument wird dann in einem zweiten Schritt hinsichtlich dessen Konstruktvalidität überprüft. Auf diese Weise soll die den Aufsatz leitende Frage beantwortet werden, wie die Bedingungen des Lerntransfers für den Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung aus der Perspektive der an der Weiterbildung teilnehmenden Lehrenden konzeptualisiert und operationalisiert werden können.

2 Lerntransfer und seine Bedingungen: Definition und Forschungsstand

Der vorliegende Aufsatz schließt an die gemeinhin anerkannte und vielfach genutzte Definition von Lerntransfer von Baldwin und Ford (1988) an. Entsprechend begreift er positiven Lerntransfer als den Grad, in dem Trainingsteilnehmende die im Training erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen im Kontext des eigenen Arbeitsfeldes effektiv anwenden (S. 63). Als Voraussetzung für einen erfolgreichen Transfer wird die Generalisierung des im Training Gelernten im Arbeitskontext, d. h. die Anwendung des Gelernten in verschiedenen Situationen sowie die Anwendung über einen längeren Zeitraum, verstanden (S. 64).

Das auf dieser Definition basierende, für empirische Untersuchungen wie auch theoretische Abhandlungen vielfach herangezogene Transfermodell von Baldwin und Ford (1988) differenziert drei Gruppen von Faktoren, die den Lerntransfer beeinflussen: die Merkmale (1) des Trainingsteilnehmenden, (2) des Lernfeldes und (3) des Funktionsfeldes. Diese Differenzierung eignet sich insbesondere für berufsbezogene Weiterbildungen, wie sie auch die hochschuldidaktische Qualifizierung darstellt, und findet sowohl im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie als auch im erziehungswissenschaftlichen Diskurs (vgl. z. B. im Bereich der Berufs- und Wirtschaftspädagogik Gessler 2012; oder in der Erwachsenenbildung Digel und Schönknecht 2013) Verwendung. Ihr Gewinn für die Erziehungswissenschaft liegt insbesondere darin, dass sie gerade auf der Ebene der Präzisierung konkreter Einflussfaktoren zahlreiche Anschlussmöglichkeiten für den ansonsten weiter gefassten erziehungswissenschaftlichen Diskurs zu Lernen, Lernenden, Lernbedingungen oder Lehrenden bietet. Vor diesem Hintergrund wird diese Differenzierung im Folgenden als Rahmenmodell genutzt, um die identifizierten Einflussfaktoren einzuordnen (vgl. Abb. 1) und mit Befunden aus dem betrieblichen (Weiter‑)Bildungskontext und dem Bereich der hochschuldidaktischen Qualifizierung zu präzisieren.

Abb. 1
figure 1

Skalenübersicht im Anschluss an die Differenzierung von Baldwin und Ford (1988)

a) Merkmale des Trainingsteilnehmenden

Eine Schlüsselrolle für den Transfer des Gelernten nehmen die Trainingsteilnehmenden selbst ein. Als ein entscheidender individueller Einflussfaktor gilt dabei die Transfermotivation der Teilnehmenden (vgl. Gegenfurtner et al. 2009). Transfermotivation wird nach Noe (1986) definiert als Wunsch der Teilnehmenden, das im Training Gelernte im Arbeitskontext anzuwenden. Die Bedeutung der Transfermotivation für den Lerntransfer (z. B. Axtell et al. 1997; Chiaburu und Lindsay 2008; Machin und Fogarty 1997) sowie Zusammenhänge mit anderen, den Lerntransfer beeinflussenden Konstrukten konnten in verschiedenen Studien nachgewiesen werden (für einen Überblick siehe Gegenfurtner et al. 2009). Dabei wird der Transfermotivation auch eine mediierende Rolle im Lerntransferprozess zugeschrieben (vgl. z. B. Baldwin und Ford 1988; Gegenfurtner et al. 2009; Grohmann et al. 2014; Massenberg und Kauffeld 2015). Für den hochschuldidaktischen Bereich liegen einige Studien vor, die auf die Bedeutung der Transfermotivation verweisen, wenngleich diese in diesem Kontext nicht zu den stärksten Prädiktoren des Lerntransfers zu gehören scheint (vgl. De Rijdt et al. 2012, S. 64). De Rijdt et al. (2012) schlussfolgern, dass zur Bedeutung der Transfermotivation mehr Studien benötigt werden (S. 71).

Als ein weiterer zentraler individueller Prädiktor des Lerntransfers gilt die in der erziehungswissenschaftlichen Forschung (vgl. exemplarisch in der Schulforschung Hecht 2013; Schmitz und Schwarzer 2000; Warner und Schwarzer 2009) vielfach untersuchte Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) des Trainingsteilnehmenden, verstanden als die Überzeugung eines Individuums, eine anstehende Aufgabe mit den eigenen Fähigkeiten bewältigen zu können (vgl. Bandura 1997). Personen mit einer hohen SWE suchen sich herausforderndere Aufgaben, sind zu höheren Anstrengungen zur Bewältigung von Aufgaben bereit und geben weniger schnell auf (vgl. Gist und Mitchell 1992, S. 186). Verschiedene Studien belegen einen positiven Zusammenhang zwischen SWE und Lerntransfer (z. B. Colquitt et al. 2000; Mathieu et al. 1993; Velada et al. 2007). Wenngleich den Autorinnen keine Studien zur Bedeutung dieses Konstrukts im hochschuldidaktischen Bereich vorliegen, lässt sich annehmen, dass auch hier von einem positiven Zusammenhang ausgegangen werden kann.

Neben Transfermotivation und SWE werden weiterhin die persönlichen Transferkapazitäten als zentraler Faktor, der den Transfererfolg beeinflusst, verstanden. Hierunter gefasst wird der Grad, in dem persönliche Ressourcen in Form von Zeit und Energie zur Umsetzung des Erlernten zur Verfügung stehen. Nach der Studie von Kirwan und Birchall (2006) kann den persönlichen Ressourcen (in Kombination mit der Transfermotivation) eine bedeutende Rolle zur Erklärung des Lerntransfers beigemessen werden. Für den hochschuldidaktischen Bereich kommen Acosta et al. (2016), aber auch Feixas et al. (2013), zu dem Ergebnis, dass die persönlichen Transferkapazitäten von Lehrenden im Durchschnitt nicht sehr ausgeprägt sind und somit einen potenziellen Risikofaktor für den Lerntransfer darstellen, was nach der Studie von Stes et al. (2007) mit dem Zeit- und Publikationsdruck im akademischen Bereich begründet werden kann (S. 106). Jedoch werden in den Studien von Feixas et al. (2013) und Acosta et al. (2016) insgesamt keine korrelativen oder gar Kausalanalysen zwischen dem Lerntransfer und den postulierten Lerntransferbedingungen durchgeführt, so dass Letztgenannte hinsichtlich ihrer Eignung als Prädiktor für den Lerntransfer im Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung nicht beurteilt werden können.

b) Merkmale des Lernfeldes

Die zweite Gruppe an Einflussfaktoren ist diejenige des Lernfeldes. Das Lernfeld lässt sich begreifen als die konkrete Lehr-Lernsituation, in der die Lernenden mit ihren je spezifischen Bedingungen und Lernvoraussetzungen auf die Weiterbildungsmaßnahme, die ihrerseits bestimmt ist durch die organisationalen Vorstellungen und die Umsetzung derselben durch die Trainerinnen und Trainer, treffen. Dabei ist die Frage der Gestaltung von Lehr-Lerninteraktionen eine, die seit jeher den Diskurs der Erziehungswissenschaft bestimmt und die sich ausdifferenziert in Fragen der Didaktik, der Methodik, der professionellen Kompetenzen der Lehrenden oder der Adressatenforschung – um nur einige zu nennen (vgl. exemplarisch für den Bereich der Weiterbildung Schrader 2018; Tippelt und von Hippel 2018). Mit Blick auf das hier verfolgte Interesse, die Konzeption eines Instruments zur Erfassung der Bedingungen des Lerntransfers, geht es nicht um das Lernfeld per se, sondern um das Lernfeld aus der Perspektive der Lernenden. Deshalb gilt es dieses im Lerntransferinstrument so zu operationalisieren, dass es von den Lernenden mit Blick auf die individuell wahrgenommene Unterstützung des Lerntransfers bewertet werden kann. Dazu wird in der Anzahl und Auswahl der Items an den Lerntransferdiskurs im engeren Sinne angeschlossen (vgl. z. B. Kauffeld et al. 2008) und das Lernfeld ausschließlich mit dem Fokus auf das Trainingsdesign (vgl. für den hochschulischen Kontext auch Acosta et al. 2016; Feixas et al. 2014) operationalisiert. Konkret geht es um die Frage, wie die Gestaltung des Trainings und das Verhalten der Trainerinnen und Trainer (z. B. durch Beispiele, Tipps und Übungen) aus Sicht der Lernenden den Transfer des Gelernten in den Lehralltag fördern. Hierzu zählen im Anschluss an den Lerntransferdiskurs unter anderem die Ähnlichkeit von Lern- und Funktionsfeld, die Vermittlungsformen, die Strukturierung des Trainings in Einheiten und die damit verbundenen Trainingsmöglichkeiten (vgl. z. B. Baldwin und Ford 1988; Mandl et al. 1992) – Aspekte, die grundsätzlich an Themen wie problembasiertes, situatives oder handlungsorientiertes Lehren und Lernen anschließen. Für den hochschuldidaktischen Kontext im Speziellen konnten Feixas et al. (2014) sowie Acosta et al. (2016) dem Trainingsdesign den stärksten Einfluss zuweisen, wobei nach De Rijdt et al. (2012) insbesondere Praxisanteile, Feedback und Verhaltensmodellierung als entscheidende Einflussfaktoren gelten (S. 64).

c) Merkmale des Funktionsfeldes

Die dritte Gruppe von Einflussfaktoren wird unter der Kategorie des Funktionsfeldes gebündelt. Als Funktionsfeld wird die Arbeitsumgebung gefasst, in der das Gelernte Anwendung finden soll (vgl. Baldwin und Ford 1988, S. 64). Die von den Trainingsteilnehmenden wahrgenommenen Merkmale der Arbeitsumgebung können förderlich oder hemmend sein (vgl. Burke und Baldwin 1999). Sie schließen nach Blume et al. (2010) das Transferklima, die Unterstützung durch Vorgesetzte und die KollegInnen und weitere förderliche oder hemmende strukturelle Rahmenbedingungen ein (S. 1068). Zu Letztgenannten können beispielsweise die zur Ausführung des Gelernten zur Verfügung stehenden Ressourcen am Arbeitsplatz, der Grad der Autonomie oder auch mit der Umsetzung einhergehende Konsequenzen wie beispielsweise Belohnungen oder Sanktionen gehören (vgl. Rouiller und Goldstein 1993; Tannenbaum und Yukl 1992).

Bezogen auf den Einfluss der Faktoren Transferklima, Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n und Unterstützung durch die KollegInnen auf den Lerntransfer gibt es widersprüchliche Befunde, die sich auf unterschiedliche Operationalisierungen, Stichproben und Trainings (vgl. Cheng und Ho 2001, S. 112 f.) sowie die gemeinsame Betrachtung der Faktoren als „organisational support“ zurückführen lassen (Blume et al. 2010). Cheng und Hampson (2008) merken darüber hinaus mit einem Verweis auf Holton et al. (2003) an, dass der Einfluss der organisationalen Unterstützung mit der Organisationskultur variieren kann. Den Umstand differierender Operationalisierungen aufgreifend unterscheiden Blume et al. (2010) in ihrer Metaanalyse die drei Kategorien „Unterstützung“, „Transferklima“ und „Organisationale Hemmnisse (z. B. fehlende Autonomie, situationale Hemmnisse)“ und kommen damit zu dem Ergebnis, dass das Transferklima, gefolgt von der Unterstützung durch KollegInnen oder Vorgesetzte den stärksten Einfluss hat (vgl. Blume et al. 2010, S. 1079 ff.). Massenberg et al. (2015) konnten in ihrer Studie einen indirekten Einfluss der Unterstützung durch KollegInnen und Vorgesetzte über die Transfermotivation auf den Lerntransfer feststellen (S. 170). Was den hochschulischen Bereich anbelangt, so finden De Rijdt et al. (2012) in ihrem systematischen Review empirische Belege dafür, dass das Transferklima, die Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n sowie die Unterstützung durch Peers einen positiven Einfluss haben könnten (S. 66), wobei insbesondere hinsichtlich der Rolle der/des Vorgesetzten noch weiterer Forschungsbedarf besteht (S. 65). Diese Befunde können durch die Studien von Piekarek (2006) und Stes et al. (2007) ausdifferenziert werden: Piekarek (2006) kommt in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass für den Transfer eine „innovationsfreundliche Umgebung unerlässlich“ sei (S. 9). Ein Großteil der Befragten gebe an, dass Vorgesetzte den Transfer hemmten und sich gegenüber neuen Ideen wenig aufgeschlossen zeigten und dass in ihren Instituten nur eine geringe Bereitschaft bestehe, neue Methoden zu implementieren (vgl. Piekarek 2006, S. 9). Stes et al. (2007) arbeiten fehlende Einigkeit und Zusammenarbeit unter den KollegInnen sowie eine zu passive Haltung der Studierenden als zentrale Gründe für ausbleibende Verhaltensänderungen infolge des Trainings heraus (S. 106). Gleichzeitig gehören KollegInnen und Studierende – da sie zur Transfermotivation beitragen können (S. 106) – Stes et al. (2007) zufolge zu den förderlichsten Einflussfaktoren. Entsprechend sind die Studierenden als weitere signifikante Bezugsgruppe neben der vorgesetzten Person und den KollegInnen in das Lerntransfermodell für den hochschulischen Bereich aufzunehmen. Da Studierende – anders als KollegInnen und Vorgesetzte – unmittelbarer Teil der konkreten Lehr-Lerninteraktion sind, kommen ihrer Akzeptanz und ihrem Verhalten möglicherweise eine vergleichsweise hohe Bedeutung zu, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie die Lehrveranstaltung in der Regel auch evaluieren. Als darüber hinausgehende organisationale Hemmnisse können die strukturellen Rahmenbedingungen, in denen das Handeln realisiert wird, gefasst werden (Meißner 2012, S. 155 ff.). In dieser Hinsicht zentral ist die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, die in der Weiterbildung vermittelten Inhalte anzuwenden, ob die Inhalte der Weiterbildung zu der Arbeitsaufgabe passen und ob die notwendigen Ressourcen vorliegen (z. B. Ford et al. 1992; Lim und Morris 2006). Für den Kontext Hochschullehre ist hierbei eine Spezifizierung auf die Lehrbedingungen wie Art und Menge des Lernstoffes, Größe der Studierendengruppe (vgl. z. B. Stes et al. 2007) und räumliche Voraussetzungen erforderlich. Stes et al. (2007) identifizieren z. B. große Kurse als einen hemmenden Faktor (S. 106), während Feixas et al. (2014) und Acosta et al. (2016) eine Limitierung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ressourcen feststellen. Darüber hinaus spielt es nach Feixas et al. (2014) und Acosta et al. (2016) eine Rolle, ob die Möglichkeit der Anwendung besteht.

Schließlich können aus dem Lerntransfer resultierende positive und negative Folgen (z. B. Belohnungen, Sanktionen) als ein dem Funktionsfeld zugehöriger Einflussfaktor (vgl. z. B. Holton et al. 2000; Kauffeld et al. 2008; Rouiller und Goldstein 1993) gezählt werden. Die mit einem Lerntransfer verbundenen positiven Folgen sollten im Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung von denen gewöhnlicher Weiterbildungen abweichen, da insbesondere materielle Belohnungen im Lehrbetrieb eher die Ausnahme darstellen. Empirische Befunde zu antizipierten Konsequenzen und ihren Auswirkungen auf den Lerntransfer liegen den Autorinnen nicht vor, jedoch verweisen verschiedene Studien zur Weiterbildungsteilnahme im hochschuldidaktischen Bereich darauf, dass insbesondere intrinsische Anreize zum hochschuldidaktischen Engagement Lehrender beitragen (vgl. z. B. Bluteau und Krumins 2008; Kiefer et al. 2013; Wilkesmann 2012). Positive Folgen eines Lerntransfers im hochschulischen Bereich können beispielsweise ein besserer Lernerfolg und/oder eine höhere Motivation der Studierenden, aber auch eine effizientere Bewältigung der Lehraufgaben oder auch eine bessere Evaluation sein. Von der Operationalisierung negativer Folgen bei Nichtanwendung wird im Rahmen dieses Beitrags zu Gunsten eines ökonomischeren Instruments abgesehen, da negative Folgen in diesem Kontext sich hauptsächlich in dem Ausbleiben positiver Folgen zeigen sollten.

Basierend auf den skizzierten Befunden wurden für das vorliegende Instrument zur Erfassung der Lerntransferbedingungen aus der Perspektive der Lernenden in einem ersten Schritt Items zu den in Abb. 1 ausgewiesenen Skalen entwickelt (vgl. zudem Tab. 4 im Anhang).

Dieses theoretisch hergeleitete Instrument bildet die Grundlage, um in einem zweiten Schritt die Frage nach der Konstruktvalidität desselben zu untersuchen und eine Antwort darauf zu geben, wie die Bedingungen des Lerntransfers für den Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung aus der Perspektive der an der Weiterbildung teilnehmenden Lehrenden letztendlich konzeptualisiert und operationalisiert werden können.

3 Instrumentenentwicklung

Wenngleich sich eine direkte Verwendung des GLTSI für den Untersuchungsgegenstand hochschuldidaktische Weiterbildung ausschloss (vgl. dazu auch Abschn. 1), wurde das hier zum Einsatz gebrachte Instrument angelehnt an den Faktoren des deutschen Lerntransfer-System-Inventars (GLTSI, Kauffeld et al. 2008) entwickelt. Dabei wurden die Skalen auf die hochschulischen Bedingungen hin spezifiziert.

Die Items für den Erstentwurf des Instruments wurden teils aus anderen Instrumenten (z. B. Bates et al. 2000; Burke und Baldwin 1999; Jerusalem und Schwarzer 1999; Klein-Heßling und Drössler 2009; Rowold 2008; Tannenbaum 1997; für einen Überblick siehe Tab. 4 im Anhang) übernommen und auf den Hochschulkontext adaptiert und teils selbst entwickelt und anschließend mit hochschuldidaktischen ExpertInnen diskutiert. Zudem wurden kognitive Pretests (in den Varianten Think Aloud und Probing, vgl. Lenzner et al. 2015) mit AbsolventInnen hochschuldidaktischer Programme durchgeführt. Hieraus ergaben sich Änderungen an sowie Streichungen und Ergänzungen von Items. Im Ergebnis lagen 58 Items vor, anhand derer Daten erhoben wurden.

4 Analysen und Ergebnisse

In den folgenden Analysen wird die Konstruktvalidität des für den Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung entwickelten Lerntransferinstruments untersucht. Für die Überprüfung des Instruments wurden unterschiedliche Analysen mit zum Teil unterschiedlichen Stichproben durchgeführt: Die erste Untersuchung, basierend auf Daten des über den Qualitätspakt Lehre geförderten Projektes teach4TU – Lehre lernen im Team (Förderkennzeichen 01PL12043; Beuße i. V.)Footnote 1, diente der Überprüfung der Kennwerte der einzelnen Items und Skalen und der damit einhergehenden Auswahl der Items bzw. Reduzierung der Itemanzahl. Anhand einer zweiten Stichprobe, rekrutiert aus dem Projekt Kompetenzentwicklung und Lerntransfer in der Hochschullehre (Förderkennzeichen 01PB14014)Footnote 2, wurden die in der ersten Untersuchung generierten Ergebnisse mit konfirmatorischen Faktorenanalysen (KFA) kreuzvalidiert. In einer dritten Untersuchung wurde dann schließlich das Instrument insgesamt und damit die Konstruktvalidität des Instruments untersucht.

4.1 Untersuchung 1: Auswahl der Items

Wie oben dargelegt lag ein Itempool von insgesamt 58 Items mit in der Regel 4 bis 7 Items pro Konstrukt vor. Ausnahmen stellten die Konstrukte „persönliche Ressourcen“ und „Möglichkeit der Anwendung“ dar, die jeweils nur mit zwei Items operationalisiert wurden. Unter der Prämisse, ein möglichst ökonomisches Instrument zu konzipieren, wurden die Items in der Studie 1 einer grundlegenden Voranalyse unterzogen.

Die Überprüfung der Daten erfolgte anhand einer Stichprobe von 97 Lehrenden (Stichprobe A aus der Evaluation des Projektes teach4TU), die an einer 100 Stunden umfassenden hochschuldidaktischen Weiterbildung mit unterschiedlichen Formaten (Workshops, Lehrcoachings, kollegiale Beratungen und gegenseitige Lehrhospitationen) über einen Zeitraum von zwei Semestern teilgenommen hatten. Die Stichprobe besteht zu etwa gleichen Anteilen aus Männern (n = 47) und Frauen (n = 49). Für eine Person lag keine Angabe zum Geschlecht vor. Die ProbandInnen verfügten zum Zeitpunkt der Befragung über eine durchschnittliche Lehrerfahrung von 7,2 Semestern (SD = 6,36; drei Personen ohne Angabe) und lehrten, nach der Fächersystematik des Statistischen Bundesamtes (2019), in den Fächergruppen Mathematik/Naturwissenschaften (27 %), Ingenieurwissenschaften (50 %), Rechts‑, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (13 %) und Geisteswissenschaften (9 %) oder waren keiner Fächergruppe klar zuordenbar (1 %). Die Befragung erfolgte sechs Monate nach Beendigung der Qualifizierung. Die Qualifizierungsteilnehmenden erhielten den Fragebogen zusammen mit einem adressierten Rückumschlag postalisch und haben die Items auf einer fünfstufigen Ratingskala von 1 („stimme überhaupt nicht zu“) bis 5 („stimme völlig zu“) beantwortet. Es wurden alle Personen, die an der Weiterbildung teilgenommen haben, angeschrieben. Der Rücklauf liegt bei 51 %.

Um die besten Items auszuwählen, wurden diese hinsichtlich ihrer Kennwerte untersucht und die Skalen einer Reliabilitätsanalyse unterzogen. Die Analyse der Items hinsichtlich ihrer Schiefe- und Kurtosiswerte führte zu einem Ausschluss von lediglich einem Item, das die von West et al. (1995) definierten Grenzwerte einer Normalverteilung von ±2 für die Schiefe und ±7 für die Kurtosis überschritt. Ziel der anschließenden Analysen zur internen Reliabilität (SPSS, Version 25) war die Reduzierung der Skalen auf drei bis maximal fünf Items. Hierbei wurde ein Cronbachs Alpha-Wert von mindestens 0,7 angestrebt, der mit Ausnahme der Skala „Unterstützung durch Studierende“ auch ohne den Ausschluss von Items erreicht wurde. Die Skalen „Möglichkeit der Anwendung“ und „persönliche Kapazitäten“ wurden mit lediglich zwei Items konzipiert. Unter Berücksichtigung der Cronbachs Alpha-Werte sowie inhaltlicher Aspekte konnten weitere 33 Items ausgeschlossen werden, bei denen es sich insbesondere um negativ formulierte Items handelt. Zugleich führt die Reliabilitätsanalyse aber auch zu einer starken Reduktion der Skala „positive Folgen“, die nunmehr aufgrund ihrer inhaltlichen Heterogenität nur noch positive Folgen hinsichtlich des studentischen Lernens und einer besseren Lehre im Allgemeinen umfasst. Dies führt letztendlich zu einem Instrument mit insgesamt 35 Items, das die oben ausgewiesenen elf Skalen mit fünf (Transferdesign), jeweils vier (Transfermotivation, Lehrbedingungen), drei (SWE, positive Folgen, Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n, Unterstützung durch KollegInnen, Transferklima, Unterstützung durch Studierende) und zwei Items (Möglichkeit der Anwendung, persönliche Kapazitäten) erfasst (vgl. Tab. 4 im Anhang).

4.2 Untersuchung 2: Überprüfung der Stabilität der Ergebnisse

Die resultierenden Skalen und die damit einhergehende, dem Instrument zugrundeliegende Faktorenstruktur wurden auf Basis der in der Untersuchung 1 generierten Ergebnisse mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (Mplus, Version 7.31) im nächsten Schritt anhand einer neuen Stichprobe (Stichprobe B) überprüft.

Die Stichprobe B aus dem Projekt Kompetenzentwicklung und Lerntransfer in der Hochschullehre (Hartz et al. i. V.) setzt sich aus 61 Lehrenden zusammen, die ihre hochschuldidaktische Weiterbildung an einer von zehn verschiedenen Institutionen bzw. Hochschulen absolviert haben. In dem Projekt wurden insgesamt 403 Lehrende angefragt, an der Untersuchung teilzunehmen. 201 Lehrende nahmen tatsächlich zumindest an einem der die drei Messzeitpunkte umfassenden Untersuchung teil, was grundsätzlich einer Untersuchungsbeteiligung von fast 50 % entspricht (Hartz et al. i. V.). Es wurde versucht, die 201 Lehrenden zu allen drei Messzeitpunkten zu erreichen, was allerdings vor allem für die späteren Messzeitpunkte letztlich nicht gänzlich sichergestellt werden konnte (u. a. aufgrund der z. T. dynamischen Beschäftigungsverhältnisse an der Hochschule). Das zeitliche Volumen der Zertifikatsprogramme variierte von 54 bis 215 Arbeitseinheiten. Genauso wie das Programm der Stichprobe A bestanden diese aus verschiedenen Weiterbildungselementen. Die Stichprobe umfasste 34 Männer und 25 Frauen, bei zwei weiteren Personen lag keine Angabe zum Geschlecht vor. Die Probanden verfügten zum Zeitpunkt der Befragung über eine durchschnittliche Lehrerfahrung von 12,4 Semestern (SD = 9,59) und lehrten in den Fächergruppen Ingenieurwissenschaften (23 %), Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften, Mathematik/Naturwissenschaften (jeweils 20 %), Rechts‑, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (18 %), Agrar‑, Forst- und Ernährungswissenschaften/Veterinärmedizin (13 %) oder in den Sprach- und Kultur‑, Kunst-, und Geisteswissenschaften (insgesamt 7 %). Die Qualifizierungsteilnehmenden erhielten den Fragebogen zusammen mit einem adressierten Rückumschlag sechs Monate nach Beendigung der Qualifizierung und haben die Items auf einer sechsstufigen Ratingskala von 1 („stimme überhaupt nicht zu“) bis 6 („stimme völlig zu“) beantwortet.Footnote 3

Da die Kurtosis- und Schiefewerte mit Werten zwischen −2,76 und 2,76 bzw. −1,57 und 0,51 keine schwerwiegende Verletzung der multivariaten Normalverteilung der Daten nahelegten, wurden alle Modelle mit dem Analysetyp „general“ (vgl. Kleinke et al. 2017, S. 12 f.) und dem Maximum-Likelihood-Schätzverfahren (ML) berechnet. Zur Modellbeurteilung wurden mit dem Chi-Quadrat-Wert, dem RMSEA (Root Mean Square Error Of Approximation), dem CFI (Comparative Fit Index) und dem SRMR (Standardized Root Mean Square Residual) ein Minimal-Set unterschiedlicher Fit-Indizes herangezogen (vgl. Kline 2005; Schweizer 2010). Fehlende Werte wurden mit der Methode Full Information Maximum Likelihood (FIML) geschätzt.

Da die Stichprobe mit 61 Fällen zu klein ist, um das gesamte Modell zu überprüfen, wurden entsprechend der Differenzierung nach Baldwin und Ford (1988) für die Merkmale des Trainingsteilnehmenden (M-TN), die Merkmale des Lernfeldes (M-LF) und die Merkmale des Funktionsfeldes (M-FF) getrennte Modelle berechnet. Bei letztgenannten Merkmalen wurde fallzahlenbedingt weiterhin zwischen der Unterstützung aus dem direkten Arbeitsumfeld (M-FF1: Vorgesetzte/r, KollegInnen und Transferklima) und den Rahmenbedingungen (M-FF2: Lehrbedingungen, Möglichkeit der Anwendung, Unterstützung durch Studierende, positive Folgen) differenziert.Footnote 4

Zunächst wurden die Faktorladungen der einzelnen Messmodelle mit der neuen Stichprobe überprüft. Sie liegen mit Werten zwischen 0,601 und 0,971 in einem guten Bereich. Die Überprüfung der vier Modelle weist auf einen jeweils guten Modellfit hin (vgl. Tab. 1). Ein Chi-Quadrat-Wert mit p größer gleich 0,05 (vgl. Hair et al. 2006) bzw. ein χ2/df-Verhältnis kleiner gleich 2 (vgl. Byrne 1989) indizieren, dass das Modell die Daten gut repliziert. Die CFI-Werte sind der Empfehlung von Hu und Bentler (1999) entsprechend größer gleich 0,95 und die SRMR-Werte sind kleiner gleich 0,80 (vgl. Byrne 1989). Lediglich die RMSEA-Werte des Modells zur Unterstützung aus dem Arbeitsumfeld (M-FF1) und das Messmodell zum Trainingsdesign (M-LF) überschreiten den von Bühner (2006) vorgeschlagenen Schwellenwert von 0,080 für kleine Stichproben.Footnote 5

Tab. 1 Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalysen in Untersuchung 2 (n = 61)

4.3 Untersuchung 3: Überprüfung des Gesamtmodells und der Interkorrelationen

In der dritten Untersuchung wurde die Konstruktvalidität des Gesamtmodells mit einer KFA geprüft. Es wurden zum einen die Korrelationen zwischen den Skalen als auch zwischen den Skalen und dem selbst eingeschätzten Lerntransfer ermittelt und ein Gesamtmodell berechnet. Zum anderen wurden die Skalenreliabilitäten (Cronbachs Alpha) sowie Trennschärfen berechnet. Als Datengrundlage dienten die in den Untersuchungen 1 (n = 97) und 2 (n = 61) verwendeten Stichproben, ergänzt um eine weitere kleine Stichprobe von Lehrenden (n = 8), die an einer vergleichbaren hochschuldidaktischen Weiterbildung teilgenommen hat.Footnote 6

Die Modellgüte des zunächst getesteten 11-Faktoren-Modells ist zufriedenstellend (χ2 (505) = 764,23; p < 0,001; χ2/df = 1,51; RMSEA = 0,056; CFI = 0,923; SRMR = 0,054). Lediglich der CFI-Wert unterschreitet knapp den Schwellenwert von 0,95, was auf die Komplexität des Modells zurückgeführt werden kann (vgl. Kenny und McCoach 2003). Aufgrund der höheren Fallzahl ist der Chi-Quadrat-Wert signifikant. Als alternatives Maß wird das χ2/df-Verhältnis herangezogen, welches nach Byrne (1989) den Wert von 2 nicht überschreiten sollte.Footnote 7 Alle Faktorladungen sind angemessen hoch (zw. 0,628 und 0,872). Auch die Trennschärfen fallen mit Werten zwischen 0,54 und 0,93 hoch aus (vgl. Tab. 4 im Anhang). Insgesamt liegen die meisten Skalen-Reliabilitäten mit Werten zwischen 0,91 und 0,80 in einem guten bis sehr guten Bereich (vgl. Tab. 2). Nur die jeweils auf zwei Items basierenden Skalen „Persönliche Transferkapazitäten“ und „Möglichkeit der Anwendung“ weisen lediglich akzeptable Werte von 0,70 bzw. 0,76 auf.

Tab. 2 Interkorrelationen (n = 166)

Einige der Skalen des Instruments korrelieren mit einem Korrelationskoeffizienten größer 0,7 vergleichsweise hoch miteinander, was darauf verweist, dass die betreffenden Konstrukte gegebenenfalls keine ausreichende Diskriminanzvalidität aufweisen.Footnote 8 Dies trifft auf die Korrelationen der Skala positive Folgen mit den Skalen Unterstützung durch Studierende und Transfermotivation zu. In einem erhöhten Maß korrelieren weiterhin (1) die Skala Möglichkeit der Anwendung mit den Skalen SWE, persönliche Transferkapazitäten und Lehrbedingungen, (2) die Skala SWE mit den Lehrbedingungen und persönlichen Transferkapazitäten und (3) die persönlichen Transferkapazitäten mit den Lehrbedingungen. Es ist denkbar, dass sich hinter diesen Skalen ein gemeinsamer Faktor verbirgt, der die Lehrsituation der Lehrenden beschreibt und die Differenzierung nach Baldwin und Ford (1988) für den hier untersuchten Bereich der Hochschullehre in Teilen aufhebt. Um dies und zugleich auch die diskriminante Validität der genannten Skalen zu überprüfen, wurden, zusätzlich zu dem 11-Faktoren-Modell, explorativ drei weitere Modellstrukturen an den Daten überprüft (vgl. Tab. 3): Erstens wurden die vier Skalen Möglichkeit der Anwendung, SWE, persönliche Transferkapazitäten und Lehrbedingungen zu dem neuen latenten Konstrukt „Lehrsituation“ (1-Faktor-Modell) zusammengefasst. In einem zweiten Modell wurden die vier Skalen als 4‑Faktoren-Modell berechnet. Im dritten Modell stellen die vier Skalen jeweils Subdimensionen des übergeordneten Faktors „Lehrsituation“ (vier Faktoren erster Ordnung, ein Faktor zweiter Ordnung) dar. Während das 1‑Faktor-Modell den angelegten Kriterien nicht standhält, stellt das 4‑Faktoren-Modell mit übergeordnetem Faktor zweiter Ordnung eine dem ursprünglichen 4‑Faktoren-Modell in diesem Modellausschnitt leicht überlegenere Alternative dar. Im Gesamtmodell jedoch ist das ursprüngliche 11-Faktoren-Modell gegenüber einem 8‑Faktoren-Modell mit dem 2.-Ordnung-Faktor „Lehrsituation“ gerade auch vor dem Hintergrund inhaltlicher Abwägungen zu präferieren, da ansonsten ggf. vorschnell Verdichtungen der Skalen zu Lasten theoretischer Modellüberlegungen wie auch differenzierterer Auswertungsmöglichkeiten vorgenommen werden (vgl. Tab. 3).Footnote 9

Tab. 3 Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalysen in Untersuchung 3 (n = 166)

Anschließend wurden die elf Faktoren des Messinstruments hinsichtlich ihrer Diskriminanzvalidität untersucht. Hierfür wurden erstens alle Skalen mit dem Fornell-Larcker-Kriterium überprüft. Bei diesem vergleichsweise strengen Kriterium kann von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden, wenn die durchschnittliche erfasste Varianz (AVE) eines Konstrukts größer ist als die quadrierte Korrelation mit jedem anderen Konstrukt (vgl. Fornell und Larcker 1981). Dies trifft bei den oben genannten Korrelationen lediglich auf die Korrelationen der Skala persönliche Kapazitäten mit den Skalen SWE und Lehrbedingungen zu. Da der χ2-Differenztest als weiteres, von Anderson und Gerbing (1988) empfohlenes Kriterium im vorliegenden Fall aufgrund von Konvergenzproblemen nicht durchgeführt werden kann, wird zweitens der Wald-Test herangezogen.Footnote 10 Dieser attestiert den untersuchten Skalen Diskriminanzvalidität mit p-Werten < 0,001. Statistisch kann damit die Frage nach der Diskriminanzvalidität nicht eindeutig beantwortet werden, sodass weitere Untersuchungen folgen sollten. Bis dahin bleiben alle oben ausgewiesenen Skalen zur Erfassung der Bedingungen des Lerntransfers aufgrund ihrer inhaltlichen Validität und ihrer Bedeutung für die Ableitung praktischer Empfehlungen für Weiterbildungen und Funktionsfeld zunächst als Teile des Instruments erhalten (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Gesamtmodell (11-Faktoren-Modell)

Mit dem Konstrukt (selbst eingeschätzter) LerntransferFootnote 11 (vgl. Tab. 2) zeigen sich statistisch signifikante, in der Richtung erwartungskonforme, jedoch unterschiedlich starke Zusammenhänge. Als am stärksten erweisen sich hierbei die Zusammenhänge mit der Transfermotivation, der SWE, den antizipierten positiven Folgen, der Unterstützung durch Studierende und den Lehrbedingungen. Mittlere Zusammenhänge zeigen sich mit dem Trainingsdesign, der Möglichkeit zur Anwendung und den persönlichen Transferkapazitäten. Vergleichsweise gering ist der Zusammenhang mit der Unterstützung durch Vorgesetzte und KollegInnen sowie dem Transferklima. Die Korrelationen mit der Unterstützung durch Vorgesetzte und dem Transferklima sind zudem lediglich auf 10-Prozent-Niveau signifikant.

5 Diskussion und Zusammenfassung

Wie die Bedingungen des Lerntransfers für den Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung aus der Perspektive der an der Weiterbildung teilnehmenden Lehrenden konzeptualisiert und operationalisiert werden können, ist die leitende Frage des vorliegenden Beitrages. Dazu wurde auf der Basis des Forschungsstandes ein Instrument entwickelt und auf seine Konstruktvalidität hin überprüft. Der vorliegende Aufsatz stellt einen Pilotbeitrag zur Erfassung lerntransferhemmender und -fördernder Faktoren aus der Perspektive der an der Weiterbildung teilnehmenden Lehrenden im Kontext der hochschuldidaktischen Weiterbildung für den deutschsprachigen Raum dar.

Die Ergebnisse der statistischen Analysen sprechen für die Konstruktvalidität des Instruments, das sich aus den elf Konstrukten Transfermotivation, SWE, persönliche Transferkapazitäten, Trainingsdesign, Lehrbedingungen, Möglichkeit zur Anwendung, positive Folgen, Unterstützung durch KollegInnen, Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n, Transferklima und Unterstützung durch Studierende zusammensetzt. Sowohl lokale als auch globale Anpassungsmaße sind erfüllt. Die Korrelationen der operationalisierten Lerntransferbedingungen mit dem auf Selbsteinschätzung basierenden Lerntransfer weisen auf die jeweiligen Zusammenhänge der einzelnen Bedingungen mit dem selbst eingeschätzten Lerntransfer hin.

Damit eignen sich die entwickelten Skalen sowohl zur Evaluation der Lerntransferbedingungen (z. B. an einer Hochschule oder in einer Fakultät) als auch zur Weiterentwicklung des Forschungsstandes. Durch den Einsatz des Instrumentes können Stellschrauben zur Verbesserung des Lerntransfers im Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung identifiziert werden.

Zugleich kann Verbesserungspotential für das Instrument aufgezeigt werden: Erstens stellt die inhaltliche Nähe der operationalisierten positiven Folgen zu den Skalen Unterstützung durch Studierende und Transfermotivation, die sich statistisch in den vergleichsweise hohen Korrelationen manifestiert, die Diskriminanzvalidität des Konstrukts positive Folgen in Frage. Dies lässt sich möglicherweise auf die Reduktion der Skala positive Folgen als positive Folgen hinsichtlich des studentischen Lernens und einer besseren Lehre (vgl. Abschn. 4.1) zurückführen. Bei einer Weiterentwicklung des Instruments wäre deshalb zu eruieren, ob die positiven Folgen anders operationalisiert werden sollten. Zweitens sollte überprüft werden, ob eine separate Erhebung der Möglichkeit zur Anwendung verzichtbar ist. Die Möglichkeit der Anwendung wird nämlich zum Teil auch durch die Lehrbedingungen erfasst. Mit dem gewählten Wortlaut „erlaubt“ (z. B. „Die Menge des Lernstoffes in meiner Lehrveranstaltung erlaubt es mir, das Gelernte anzuwenden“) wird die Passung des Gelernten mit den Bedingungen im Anwendungsfeld thematisiert und hiermit indirekt auf die Möglichkeit zur Anwendung Bezug genommen. Zugleich ist die Skala „Möglichkeit der Anwendung“ globaler und umfasst gegebenenfalls auch Lehrbedingungen, die mit dem Instrument so nicht direkt erhoben werden. Die Skala Lehrbedingungen ihrerseits – und hier liegt ein Vorteil derselben – spannt die Möglichkeit auf, direkte Handlungsempfehlungen abzuleiten, und hat damit einen hohen Wert für die hochschuldidaktische Praxis. So kann beispielsweise aus den Ergebnissen abgeleitet werden, in welchen Lehrsituationen (z. B. Lehrveranstaltungsgröße) die Inhalte der Weiterbildung weniger gut angewendet werden können und auf eine bessere Passung von Lern- und Funktionsfeld hingearbeitet werden. Weiterhin sind Zusammenhänge zwischen der Möglichkeit der Anwendung mit den Konstrukten SWE und persönliche Transferkapazitäten theoretisch herleitbar. So deuten Ford et al. (1992) in ihrer Studie einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit der Anwendung und der SWE dermaßen, dass Personen mit einer höheren SWE aktiver nach Anwendungsmöglichkeiten suchen (S. 525). Aufgrund des Querschnittdesigns der Studie ist die Kausalität jedoch nicht eindeutig geklärt, so dass eine alternative Erklärung sein könnte, dass die höhere SWE aus der höheren Anzahl an Anwendungsmöglichkeiten und deren Einlösung resultiert (vgl. Ford et al. 1992, S. 525). Zugleich weisen Studien auf die mediierende Rolle der SWE zwischen dem Transferklima und dem Lerntransfer hin (vgl. Chiaburu et al. 2010; Simosi 2012). Personen, die mehr Unterstützung durch ihr Arbeitsumfeld erfahren, verfügen über eine höhere SWE und wenden das Gelernte in Folge häufiger an. Ein vergleichbarer Zusammenhang ist für die Lehrbedingungen bzw. die Passung des Gelernten und dem Lerntransfer denkbar. So könnte beispielsweise der Passung zwischen den Lehrbedingungen und den erlernten Methoden ein Einfluss auf die transferbezogene SWE und die für den Lerntransfer aufzubringenden persönlichen Transferkapazitäten zugeschrieben werden. Sie hätte somit einen indirekten Effekt auf den (selbst eingeschätzten) Lerntransfer. Diese Überlegungen sprechen für eine Beibehaltung aller Konstrukte. Drittens könnten noch Items oder Skalen ergänzt werden. So wirft zum Beispiel die geringe Korrelation zwischen der Transfermotivation und der Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n die Frage auf, ob letztere Skala gegebenenfalls erweitert werden sollte. Hierbei könnte es sich auch um eine Ergänzung der Dimension Erwartungshaltung der/des Vorgesetzten handeln. Erweitert werden könnten weiterhin die Merkmale des Lernfeldes. Letzteres wird mit dem derzeitigen Instrument über das Trainingsdesign in einer relativ pauschalen Form erhoben und könnte weiter ausdifferenziert werden, beispielsweise durch eine Fokussierung der Lehrkompetenz der Dozierenden oder die Bewertung einzelner, die Weiterbildung konstituierender Formate (Hartz et al. i. V.).

Da für die Untersuchung 3 keine von den Untersuchungen 1 und 2 abzugrenzende Stichprobe herangezogen werden konnte, sollte das Modell in einer weiteren Untersuchung validiert werden. Eine weitere Validierung erscheint auch deshalb erforderlich, weil aus inhaltlichen Gründen die bezogen auf die AIC-Werte überlegenere Alternative – nämlich das im Anhang dargestellte 8‑Faktoren-Modell mit dem 2.-Ordnung-Faktor „Lehrsituation“ – gegenüber dem 11-Faktoren-Modell das Nachsehen hatte. Insofern sollten beide Modelle an einer neuen Stichprobe überprüft werden.

Eine weitere methodische Limitation stellt die Erhebung des Lerntransfers mit Selbsteinschätzungen dar: Selbsteinschätzungen können einem an sozialer Erwünschtheit orientierten Antwortverhalten unterliegen. Diesem wird zwar mit der Gewährung von Anonymität und der Rückantwort des Fragebogens per Post entgegengewirkt, kontrolliert ist das Problem damit jedoch nicht. Hinzu kommt, dass durch die Verwendung der gleichen Methode für die Erhebung der unabhängigen und abhängigen Variable eine Methodenverzerrung (common-method bias) nicht ganz ausgeschlossen werden kann. So ist zum Beispiel denkbar, dass aus Gründen eines Selbstwertschutzes ein ausbleibender Lerntransfer aus der Perspektive der Lernenden in erhöhtem Maße auf die (schlechten) Transferbedingungen zurückgeführt wird und in eine entsprechende Verzerrung des Antwortverhaltens resultiert. Insofern wäre für die Erhebung des Lerntransfers ein weiterer methodischer Zugang wie beispielsweise eine Fremdeinschätzung, zum Beispiel durch die direkte Beobachtung wünschenswert (vgl. Hartz et al. i. V.).

Aufgrund des über die Weiterbildung hinausgehenden Befragungszeitpunktes und der auf Freiwilligkeit basierenden Befragungsteilnahme ist nicht auszuschließen, dass sich an der Befragung vorrangig besonders motivierte und gewissenhafte Lehrende beteiligt haben und die Stichprobe somit einer Verzerrung unterliegt.Footnote 12

Diesen Einschränkungen zum Trotz unterstützen die Analysen die Verwendbarkeit des Instruments. Es bietet eine Chance, die neuralgische Stelle und den zugleich bis dato wenig beforschten Aspekt des Lerntransfers und seiner Bedingungen im Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung – aus der Perspektive der Lernenden – gezielt zu untersuchen und Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Mögliche Fragestellungen könnten sich beispielsweise auf die Bedeutung der operationalisierten Transferbedingungen für den Lerntransfer differenziert nach Aspekten wie der Fachkultur, der Lehrerfahrung, der Art der Lehrveranstaltung oder auch der Art der Weiterbildungsveranstaltung beziehen. Weiterhin ist eine Übertragung des Instruments auf andere (nicht-betriebliche) Weiterbildungsdomänen wie den Bereich der Lehrerfortbildung denkbar.